Wo steckt Kim Jong-Un? Die Spekulation reißen nicht ab

von Portrait von Götz H. Henke Götz H. Henke
Veröffentlicht am 13. Oktober 2014

Am Freitag wurde in Nordkorea der 69. Jahrestag der regierenden Partei der Arbeit gefeiert. Wie immer lief der Event mit viel Pomp und der für Nordkorea typischen Selbstbeweihräucherung ab. Allerdings fehlte da jemand, über dessen Aufenthaltsort und Verfassung nun weiter wild spekuliert werden mag: der "Oberste Führer" Kim Jong-Un.

Was genau in dem von der Außenwelt abgeschottenen Land im nördlichen Teil der koreanischen Halbinsel vor sich geht, ob er nun einfach nur in Krankheitsbehandlung ist oder sich die Machtstrukturen gar geändert haben, zum Beispiel durch einen Putsch, ist schwer zu ermitteln. Fakt ist, dass der letzte öffentliche Auftritt Kim Jong-uns auf den 3. September datiert, an dem er mit seiner Frau Ri Sol Ju ein Konzert besuchte. Dabei war deutlich zu erkennen, dass Un stark humpelte. Seit über einem Monat scheint der "Diktator zum anfassen", der bisher keine Möglichkeit sich im öffentlichen Raum zu präsentieren ausließ, wie vom Erdboden verschluckt. Von Seiten der nordkoreanischen Medien wurde danach auch über ein "Unwohlsein" des Diktators berichtet. Einerseits wurde gemutmaßt, er leide (wie sein Vater) an Gicht oder an Beinproblemen, die mit seinem Übergewicht zusammenhängen. Deshalb soll er sich auch in Behandlung befinden, womöglich sogar im Ausland.

Andere Theorien gehen in eine ganz andere Richtung: es soll einen Putsch gegeben haben. Wurde Kim Jong-Un, der nach dem Tod seines Vaters Kimg Jong-Il im Dezember 2011 die Kontrolle in dem klandestinen Staat übernahm, nun also entmachtet? Sowohl seine jüngere Schwester Kim Yo Yong als auch Hwang Pyong So, Vizemarschall der nordkoreanischen Streitkräfte und offizielle Nummer Zwei der Führungsriege, werden als die Strippenzieher dieses möglichen Coups gehandelt. Zündstoff bezieht diese Vermutung vor allem durch den Umstand, dass Letzterer Anfang dieses Monats mit einer kleinen Delegation nach Südkorea reiste, um dort mit hochrangigen Politikern Gespräche zu führen. Dass diese Delegation für den Flug dorthin auch noch die Präsidentenmaschine benutzte und Hwan Pyong den "Obersten Führer" bei allen Anlässen seit dem 3. September vertritt, scheint auf den ersten Blick auch dafür zu sprechen, dass die Tage Kim Jong-Uns als mächtigster Mann im Lande gezählt sein dürften.

Allerdings sehen viele Experten in solchen Annahmen bloß voreilige Schlussfolgerungen. Der Politologe Paik Han-Soon vom Sejong-Institut (Seoul) sieht zum Beispiel keine Anzeichen dafür "dass jemand seine Macht herausfordert". Auch auf südkoreanischer Seite nimmt man Abstand von der Coup-Theorie; Nach Angaben eines Sprechers des Wiedervereinigungsministeriums übe Kim Jong-Un "allem Anschein nach" seine Amtsgeschäfte wie gewohnt aus. Dies schrieb zumindest die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap am Freitag. Die meisten Beobachter hingegen rechnen damit, dass Un früher oder später wieder auf der Bildfläche erscheinen wird und es ab diesem Moment einfach wieder "business as usual" heisst. Das soll bedeuten: kein Statement oder gar eine Erklärung, sondern eine schnörkellose Wiederaufnahme der Diktatoren-Arbeit, so als wäre nie etwas gewesen. Der Welt bleibt somit wohl nichts anderes übrig als abzuwarten und zu schauen, was es demnächst aus Pjöngjang an Neuigkeiten zu berichten gibt.