Honig im Kopf und Tränen in den Augen – Til Schweiger mal anders
Veröffentlicht am 19. Februar 2015
Amandus ist krank. Unheilbar. Eine Therapie ist sinnlos. Nie wieder wird er so sein, wie er einmal war. Denn Amandus hat Alzheimer. Während sein Sohn Niko und dessen Frau Sarah langsam die Kontrolle über die Situation verlieren, macht Enkelin Tilda es sich zur Aufgabe, den Opa aus der Hölle des Vergessens zu retten. Es beginnt die Geschichte von einem kleinen Mädchen mit einem großen Plan.
Wer jetzt einen typischen Til Schweiger-Film erwartet, wird direkt zu Beginn eines Besseren belehrt. Zwar spielt auch dieses Mal seine Tochter Emma die Rolle der elfjährigen Tilda und natürlich ist sind Schauspielgrößen wie Jan Josef Liefers oder Katharina Thalbach dabei und ja, alles ist in den Schweiger typischen Sepiaton getaucht, der alles noch ein bisschen schöner aussehen lässt, doch das ist auch die einzige Parallele zu seinen bisherigen Filmen wie „Keinohrhase“ oder „Kokowääh“. Denn was kommt, ist keine lustig-leichte Romanze. Gleich in der ersten Szene eröffnet sich das Kernproblem, mit dem alle Figuren umzugehen haben: die Veränderung der eigenen Lebenswelt durch die psychische Veränderung eines geliebten Menschen.
Nachdem ihr Kinderarzt sie über Alzheimer aufgeklärt hat, beschließt Tilda, ihren Opa mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren und so positive Erinnerungen wachzurufen. Sie möchte ihm zeigen, dass er trotz seiner Krankheit akzeptiert und geliebt wird. So fasst sie den Plan, heimlich mit Opa nach Venedig zu reisen. Denn daran erinnert er sich am Liebsten. Eine lustige und chaotische Reise beginnt: Tilda vergisst Opas Hose, Opa steigt an der falschen Station aus und zu allem Überfluss müssen beide sich vor der Polizei verstecken und schließlich nach Venedig trampen – Peinlichkeiten und Pannen inklusive.
Doch trotz vieler amüsanter Szenen, kann der Zuschauer sich kaum zum Lachen überwinden. Stets wird er an das traurige Schicksal des Großvaters erinnert, in dessen Rolle Dieter Hallervorden im Übrigen grandios aufgeht. Seine zunehmende Verwirrung legt sich wie ein Schleier über den gesamten Film und das Gemüt des Zuschauers. Als sei letzterer direkt in die Handlung involviert, greift die Krankheit des Großvaters wie eine kalte Hand um das Herz und lässt die Tränen kullern. Und das fröhliche Gemüt und die unendliche Liebe der Enkelin zum Großvater ist so berührend und traurig zugleich, dass selbst Tage später ein dicker Klos im Hals sitzt, denkt man an den Film zurück.
Während die Eltern (Til Schweiger und Jeanette Hein) zusehends in den Hintergrund rücken, nimmt die Beziehung zwischen Tilda und Amandus den ganzen Raum des Films, ja sogar des Kinos ein und trifft jeden Zuschauer in seinem Innersten. Es ist eine Berührung von langanhaltender Dauer, die dem Zuschauer eine bedingungslose Liebe und die Akzeptanz eines schwierigen Themas ebenso behutsam wie realitätsnah im wahrsten Sinne des Wortes ans Herz legt.
Mit über zwei Stunden Spielzeit hat Til Schweiger ein Werk geschaffen, das ihn wohl gänzlich von seinem Klischee des „Schmusefilm-Machers“ und der seichten Unterhaltung zu lösen vermag. Denn „Honig im Kopf“ ist die tief empfindsame Geschichte einer Liebe zwischen Enkelin und Großvater, die keine Grenzen kennt. Sie zeigt uns gleichsam Selbstlosigkeit und Aufopferung für das Wohl eines anderen und hält uns allen, die in Zeiten von Selbstverwirklichung und -optimierung leben, damit den Spiegel vor. Denn egal, wie schnell unser Leben ist, es gibt immer Menschen, die uns brauchen und denen wir unsere Zeit schenken sollten. Und das ist es doch, was das Leben lebenswert macht. Immer und zu jeder Zeit. Auch acht Wochen nach Kinostart.