5 große Gänsehautmomente im Kino

von Portrait von Thilo Nemitz Thilo Nemitz
Veröffentlicht am 3. Oktober 2013

Was macht einen wirklich gelungenen Kinoabend aus? Genau, als Grundlage sollte der Film vielleicht nicht der hinterletzte Mist sein. Wenn gute Schauspieler im Rahmen einer halbwegs intelligenten Handlung auf dem Hintergrund netter Spezialeffekte und mit netter Musikuntermalung geboten werden, spricht der Standard-Kinobesucher von einer 'runden Sache'. Manchmal, wenn ein Film so richtig viel Spaß und extrem viel Geld eingebracht hat, sprechen wir von einem erfolgreichen 'Blockbuster'. Und doch sind es nur wenige Werke, die uns wirklich bewegen und manchmal ein ganzes Leben lang in Erinnerung bleiben. Doch was haben solche Filme, was andere Filme nicht haben? Ich nenne sie 'Gänsehautmomente'.

Ich rede hier von diesen Filmszenen, die auf irgendeine Weise so ergreifend, verstörend oder wahnwitzig sind, dass sie eine starke körperliche Reaktion bei den Zuschauern auslösen. Neben hemmungslosem Weinen oder unkontrolliertem Gelächter, ist es in meiner persönlichen Wahrnehmung auch dieser 'kalte Schauer', der mir nur ganz selten über den Rücken läuft und mich in einer Art körperlichem Kulturschock wohlig erschauern lässt. Wenn ein Film das schafft, ist wahre Kinomagie am Werk, die allerhöchste Auszeichnungen verdient hat. Doch leider ist in letzter Zeit nichts über den 'Silver Screen' geflimmert, das mich hätte vom Hocker meiner Countenance stoßen können. Rückblickend gab es jedoch 2013 einige Trailer, die mich mit den ersten Anzeichen einer Gänsehaut zurück ließen, dann jedoch im eigentlichen Film eher enttäuscht haben. Ein gutes Beispiel ist der Trailer zu "Man of Steel", der mit einem charmant lächelnden Henry Cavill und einer Superman-würdigen, epischen Zerstörungsorgie die Erwartungen in astronomische Höhen schraubte. Doch schlussendlich war der kontrovers diskutierte Film tatsächlich auch nicht viel mehr als eine streckenweise zu freudlose CGI-Orgie der Vernichtung. Heutzutage braucht es schon mehr als einstürzende Wolkenkratzer und Explosionen, um bei den abgestumpften Kinobesuchern Gänsehaut und kalte Schauer auszulösen. 

Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch mal 5 große Gänsehautmomente im Kino in Erinnerung rufen, die vielleicht der ein oder andere als gleichermaßen 'prickelnd' empfunden hat. Ganz nach dem Motto: Früher war alles besser.

1. Matrix (1999) – NEO erwacht in der Wirklichkeit

Das Werk der Wachowski-Geschwister flog damals bis zum Kinostart unter dem Radar. Kaum etwas war bekannt und die Trailer kündeten lediglich von einem Actionfilm von der Stange, in dem Leute mit coolen Sonnenbrillen und langen Mänteln den Bleigehalt der Luft erhöhen. Doch als die ganze philosophische Tragweite des düster-mysteriösen Films durch zu schimmern begann, stellten sich langsam meine Nackenhaare auf. Und als dann NEO in einem Bottich mit Nährflüssigkeit erwacht und das wahre Los der Menschheit in einem apokalyptischen Szenario der furchtbarsten Sorte betrachtet, traf mich die Realisation wie ein Hammer. Ich tastete unwillkürlich nach einer Datenbuchse an meinem Hinterkopf. Noch Tage, wenn nicht Wochen, nach dem Film lief ich vollkommen verstört durch die Landschaft und hinterfragte die Wirklichkeit wie wir sie zu kennen glauben.

2. Braveheart (1995) – William Wallace schreit nach Freiheit

Trotz einiger Unkenrufe bzgl. Filmen wie Die Passion Christi gebührt Mel Gibson für seine dreifache Leistung als Hauptrolle, Produzent und Regisseur von Braveheart nichts als Respekt. Trotz aller blutiger Schlachtszenen beeindruckt der Film mit herzzerreißender Musik und atemberaubender Natur-Schönheit. Uf diesem günstigen Nährboden für allerlei Emotionen wird uns zusätzlich eine leidenschaftliche Geschichte um den Freiheitskämpfer William Wallace präsentiert, die mit ganzen Wagenladungen voll Pathos in den Dialogen einfach unter die Haut geht, ob man nun will oder nicht. Kaum verwunderlich also, dass Williams Schrei nach schottischer Freiheit auf dem Henkersblock der Engländer meinem jüngeren Ich damals durch Mark und Bein ging.

3. American Beauty (1999) – Das Schönste, was die Knalltüte jemals gesehen hat

Der mit fünf Oscars ausgezeichnete Film von Sam Mendes bietet einen ironischen Blick hinter die glänzende Fassade der scheinbaren Kleinstadt-Idylle von Amerika. Ich weiß nicht wie oft ich diesen bitterbösen Film gesehen habe, der im Prinzip die Midlife Crisis von Familienvater Lester Burnham beleuchtet. Doch nicht nur Lester, sondern alle Charaktere des Films sind auf ihre Weise interessant und generieren jede Menge Denkanstöße. Ungeschlagen ist für mich jedoch die Szene, in der ein vom Vater ständig verprügelter und gemaßregelter Sohn, der vollkommen introvertiert kleine Hobbyfilmchen dreht, seiner Freundin das Video einer Papiertüte präsentiert, die vom Wind umher geweht wird. Für ihn tanzt die Tüte im Wind und es ist das Unglaublicheste, was er jemals gefilmt hat. Als er sagt, dass die Welt manchmal so voll von Schönheit ist, dass er das Gefühl hat, sein Herz müsste platzen, ging es mir ganz genauso … inklusive Gänsehaut.

4. The Two Towers (2002) – Gandalf erscheint bei Sonnenaufgang

Die 30-mal nominierte und schließlich mit 17 Oscars ausgezeichnete "Herr der Ringe"-Trilogie hat das Fantasy-Genre im Kino endlich salonfähig gemacht und die Messlatte für alle Trittbrettfahrer unerreichbar hoch gehängt. Es wäre ein Leichtes einen ganz eigenen Artikel mit den „10 größten Gänsehautmomenten bei Herrn der Ringe“ zu schreiben. Darum möchte ich in dieser bescheidenen Liste beispielhaft nur eine Szene nennen, die es geschafft hat, den berüchtigten kalten Schauer meinen Rücken hinunter zu jagen. Ich spreche von diesem Moment, als Aragorn und Theoden hoffnungslos unterlegen in Helms Klamm auf die Rückkehr des Zauberers warten. Und als Gandalf dann endlich von einer Armee, den Strahlen der Sonne und epischen Fanfaren begleitet in das düstere Tal hinunter schwappt und die Ork-Horden überrennt wie eine alles verschlingende Welle, hatte ich einen dieser Momente: Pure Gänsehaut.

5. Wie im Himmel (2004) – Sterbender Dirigent hört ein letztes Mal seinen Chor

Ich hätte nie gedacht, dass ich als Konsument von Actionfilmen, Trashfilmen und sonstigem Quatsch, bei dem Frauen eher die Nase rümpfen mal einen Chorfilm mit spirituellem Beiklang in einer Liste erwähnen würde. Doch der schwedische Film "Wie im Himmel" schafft mich einfach. Die Geschichte um den erfolgreichen Dirigenten Daniel Daréus, der auf Grund von Herzproblemen in seiner Karriere einen Gang zurück schalten und nur noch im Rahmen eines Hobby-Chors arbeiten darf, ist einer der schlimmsten 'Tear Jerker', die ich kenne. Spätestens seit den dänischen Filmen "In China essen sie Hunde" (1999) oder "Adams Äpfel" (2005) weiß die Filmwelt, dass in Skandinavien wirklich tolle Komödien gemacht werden. Mit "Wie im Himmel" ist auch für die Kategorie Drama ein würdiger Eintrag produziert worden. Im Verlauf des Films gibt es bereits einige Szenen, die die Augen unfreiwillig feucht werden lassen, doch die finale Szene, in der Daniel sterbend, über den Deckenlautsprecher des Badezimmers zuhören kann wie sein Chor von Amateuren endlich auch ohne ihn erfolgreich aus sich heraus geht und singt, ist die Krönung. Muss ich meine Männlichkeits-Karte abgeben, wenn ich zugebe, dass ich bei der Szene jedes Mal heulen muss?