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Mama, Papa, ich bin wieder da

von Portrait von Carina Kaiser Carina Kaiser
Veröffentlicht am 8. Juli 2016

Ich belächle die Leute, die nach dem Abi nicht von Zuhause weg gezogen sind. Mich zog es für ein Jahr nach Amerika – ein ziemlich weit entfernter Ort zur Heimat. Wenn man am Rande von Köln aufwächst, lebt man in einer Art behüteten Seifenblase. Bei schönem Wetter stellt man sich die Stühle in den Garten und sonnt sich, bei schlechtem, schmeißt man sich mit einem Film auf die große Couch – zumindest bis Mama oder Papa nach Hause kommen und ihren Anspruch geltend machen.

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An dem Tag meines Auszugs fühlte ich mich wahnsinnig erwachsen. Köln war mir zu klein geworden, deswegen musste eine größere Stadt her. Berlin war perfekt für mich. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verließ ich eines Sonntagmorgens mein sorgfältig eingerichtetes Kinderzimmer. Ich hinterließ das Himmelbett, die an die Wand gezeichnete New Yorker Skyline und die dunkelrote Rosentapete. Und zur Erleichterung meiner Eltern auch meine kleine Schwester. 

Bin ich jetzt Gast? 

Berlin ist toll. Zwei Jahre lebe und liebe ich in dieser Stadt. Lerne tolle Menschen kennen, esse Buletten statt Frikadellen und stöbere fast jedes Wochenende auf einem Flohmarkt. Dann kommt das 5 Semester: Praktikum. Ich bewerbe mich in verschiedenen Städten, entscheide mich für zwei Monate in einem Berliner Radio und für drei Monate in einem Kölner Onlinemagazin. Köln! Da stellt sich eine Frage: Mama, Papa, kann ich denn zurück? 

Eigenständigkeit und Kind sein passen schlecht zusammen. Trotzdem brauchen viele junge Erwachsene das Hotel Mama als Übergangsphase - schließlich ist der Lebenslauf heutzutage voll damit.

Kinder fressen den Kühlschrank leer und Eltern wollen ständig wissen, was man abends vor hat

Am Tag nach meinem Auszug riss sich meine Schwester mein Zimmer unter den Nagel. Warum, verstehe ich bis heute nicht. Ihres hat zwei Fenster, meins nur eins. Ihr altes wurde zu Papas Arbeitszimmer umfunktioniert. Und ich? Bin ich jetzt Gast? Zu Besuch nach Hause zu kommen fühlt sich besonders, aber dadurch auch etwas fremd an. Schließlich habe ich hier 19 Jahre lang gelebt. Vielleicht fühle ich mich auch deshalb wieder wie ein Teenager - rufe aus der zweiten Etage runter, wenn ich etwas von meiner Mutter möchte und lasse dauernd etwas rumliegen, in der Hoffnung, dass man es mir nicht nachträgt. Das haben meine Eltern sicher nicht vermisst. Vieles ist wieder selbstverständlich: gefaltete Wäsche, die Tagesschau um 20:00 Uhr, satt werden. Ja, ich wohne wieder Zuhause und habe damit auch ein bisschen Freiheit verloren. Ich lebe jetzt in einer WG mit meiner Familie. 

Im nächsten Moment höre ich mich wieder etwas die Treppe runter rufen, als hätte ich nie damit aufgehört. Das "hier-bist-du-Zuhause" Gefühl ist schnell wieder gekommen. Auch wenn ich hier eben nicht mehr »Zuhause« bin, bin ich doch gleichzeitig nirgendwo richtiger – und das ist nicht selbstverständlich. 

Warum nicht gleich eine WG mit der eigenen Oma aufmachen?

http://www.vice.com/de/read/warum-die-wg-mit-meiner-oma-das-beste-war-das-mir-passieren-konnte