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Interview mit dem Schauspieler Serdar Deniz

von Portrait von Sarah Schulte Sarah Schulte
Veröffentlicht am 7. Dezember 2015

Heute sprechen wir mit dem türkischen Schauspieler Serdar Deniz, der in Deutschland aufgewachsen ist und heute in der Türkei lebt...

Dein aktuelles Projekt, die türkische Serie "Dirilis Ertugrul", spielt im 13. Jahrhundert und thematisiert die Bekämpfung der Tempelritter und Mongolen durch den Herrscher Ertugrul und die dadurch entstandene Gründung des Osmanischen Fürstentums. In dieser bekannten Serie spielst du die Rolle des Kommandeurs der Tempelritter, Titus. Wie kam es zu dieser Rolle?

Sicherlich hat mein europäisches Aussehen und meine in der Regel aktionsreiche Rollenvergangenheit eine wichtige Rolle dazu beigetragen, aber vor allem war das Schicksal oder der Zufall, wie man es sehen möchte, der Auslöser. Als ich im letzten Sommer bei der amerikanischen Krimiserie "Covert Affairs" drehte, unterhielten wir uns mit Schauspielkollegen über die Filmbranche. Da fiel der Name von der Castingdirektorin  „Rabia Sultan Düzenli“ mit einem großen lob über ihre Erfolge und Persönlichkeit.

Das machte mich neugierig und ich schickte ihr zögerlich eine Freundschaftsanfrage über Facebook zu. Zögerlich, da ich im Normalfall niemanden, den ich nicht persönlich kenne,  über Facebook kontaktiere oder eine Freundschaftsanfrage schicke. Prompt kam eine Nachricht von Ihr, wie erstaunt und erfreut Sie sei, von mir zu hören. Seit Jahren verfolge sie meine Arbeiten und hatte sich eine Zusammenarbeit immer gewünscht. Sie war fassungslos, da Sie explizit seit einigen Wochen nach mir suche, um mir ein Projekt vorzuschlagen. Kurze Zeit nach dieser netten Unterhaltung fand ich mich als Kommandeur Titus verkleidet am Set von Dirilis Ertugrul. Jetzt kommt die entscheidende Frage: Schicksal oder Zufall …?

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Titus ist eine Figur, die eher unsympathisch wirkt und den Gegenspieler des Hauptdarstellers darstellt. Was fasziniert dich an "dunklen" Rollen und wie bereitest du dich darauf vor?

Es kommt immer darauf an, von welcher Seite man eine Figur betrachtet. Von Seiten der Helden eines Filmes betrachtet, sind alle Gegner die Bösewichte und auf der dunklen Seite. Aber keiner, auch in der wirklichen Welt, läuft bewusst als Bösewicht umher und denkt, er befände sich auf der dunklen Seite. Denn jeder geht seinen Weg und handelt, wie er es für richtig erachtet - nach seinen eigenen Werten. Von der anatolischen Seite aus betrachtet ist Titus natürlich auf der dunklen und bösen Seite. Aber von der europäischen Seite betrachtet ist er ein einsamer Kämpfer, der weit von seiner Heimat entfernt ist und mitten in Anatolien umzingelt von Feinden für die Werte seines Glaubens und seiner Heimat kämpft. Wer ist jetzt auf der dunklen Seite? Und vor allem, wer ist jetzt der Held?

Ich als Darsteller muss die Angelegenheit von dieser Seite betrachten und immer die Sonnenseite dieser dunklen Person suchen. Nur dann ist es glaubhaft. Somit muss man nicht mehr spielen, sondern kann einfach sein. Die "bösen" Charaktere haben mich schon zur Schauspielschulzeit mehr fasziniert als herkömmliche Rollen. Die Spielgrenzen und Freiheiten sind größer, was mir als Freiheitsfanatiker sehr zu gute kommt. Das Darstellen dieser dunklen Rollen benötigt mehr Energie und genau das reizt mich. Ich liebe es, bis zur Erschöpfung das Böse aus mir raus zu lassen. Ich denke so wie man z.B. mit Meditation und der Vorstellung von positiven Eigenschaften Energie und das "Gute" aufsaugen kann, kann man auch das "Böse" aus einem herauslassen. Somit spiele ich mir regelrecht das "Böse" aus dem Leib.

Für die Vorbereitung solcher Rollen gehe ich nach meiner Primitivitätstheorie und dem Motto "Hassen ist einfach, lieben ist schwer". Ich bin der Meinung, dass Menschen die "Böses" tun, primitiv und einfach denken. Sie tun es einfach ohne großartig nachzudenken. Ein Hassgefühl zu entwickeln ist für Sie einfacher, als zu lieben und seinem Gegenüber mit Liebe und Verständnis zu begegnen. Es ist nicht einfach, sich in die Gefühle und Gedanken seines Gegenübers hineinfühlen zu müssen. Sie bevorzugen das einfache Denken, da sie es vielleicht nicht anders gelernt haben. Bei solchen Rollenvorbereitungen suche ich nach einem einzigen Grund um meinen Gegenspieler zu hassen und versuche dann nicht mehr viel zu denken. Das reicht meistens schon, um gnadenlos und glaubhaft "böse" zu sein.

Welche Rollen haben dir in deiner Kariere bisher am besten gefallen? Und gibt es einen  Charakter oder eine Art von Rolle, die du gerne spielen würdest?

Ich mag es, Rollen zu spielen, die mich herausfordern. Alles, was ich in meiner normalen Welt nicht sein kann, begeistert und fordert mich heraus. Da kommt meine Abenteuerfreude zum Vorschein. Ich habe alle meine Rollen sehr gerne gespielt. Ansonsten spiele ich sie erst gar nicht.

Gibt es auch Rollen, die du generell ablehnen würdest?

Vom Prinzip her nicht, aber jede Rolle in die ich mich nicht hinein fühlen kann, lehne ich ab. Denn ich muss zuerst selber an diese Rolle glauben, damit auch im Enddefekt die Zuschauer den Charakter, den ich darstelle, als glaubhaft empfinden.

Wie bist du damals eigentlich zur Schauspielerei gekommen?

Ich bin irgendwie auf der Höheren Handelsschule gelandet und somit schwamm ich, wie all meine anderen Klassenkameraden, eine wirtschaftliche Berufsbildung an. Aber niemand fragte mich, ob es denn auch wirklich das sei, was ich wolle. Denn zum Schluss sollte und musste ich ja wahrscheinlich eine solide Tätigkeit von 08.00-16.00 Uhr ausüben. Aber das war und ist nicht meine Natur. Das Schicksal oder der Zufall spielte mir wieder zu, denn im letzten Jahr meiner Schule wo es denn nun um die endgültige Entscheidung meines Berufes ging, inszenierte der berühmte Regisseur Nurhan Karadag aus der Türkei (der leider letzten Monat verstarb) ein zweisprachiges Musical des mystischen Volksdichters Yunus Emre und suchte Laiendarsteller. Das sollte der Beginn meiner Schauspielkarriere sein. Hinterher kamen dutzende andere Inszenierungen, bei denen ich mich entwickeln konnte und später folgte die eigentliche Schauspielausbildung sowie das Schauspiel im Theater, Film und Fernsehen.

Inwiefern unterscheiden sich deine heutigen Rollen von Früheren?

                     

Meine erste Rolle im Fernsehen war eine Dokumentation für eine Galileo-Sendung. Da ging es um ein Thema mit Blähungen. Du wirst lachen aber ich meine erst Ernst. Für diese Dokumentation bat mich ein Freund der Regie führte, nicht etwa um mein Gesicht sondern um meinen nackten Hintern.

Ich musste und wollte ihm diesen Gefallen tun, da er einmal so freundlich gewesen war und während meiner Studienzeit kostenfrei professionelle Portrait Fotos für meine Schauspielbewerbungen gemacht hat. Im Gegenzug versprach ich ihm damals ebenfall irgendwann einmal einen gefallen zu tun. Somit musste ich ihm dann ca. ein Jahr später, im wahrsten Sinne des Wortes, meinen Hintern hergeben. Dieser wurde gepudert, belichtet und komplett um 180 Grad gefilmt. Somit begann dann meine Karriere vor der Kamera. Um zur Frage zurück zu kommen: Mit den Jahren ist die Kamera dann von unten in Richtung meines Gesichtes gewandert. Darum bin ich mit dem Verlauf meiner Karriere sehr zufrieden.

Gibt es für dich bestimmte Persönlichkeiten, die dich im Zuge deiner Kariere inspiriert und beeinflusst haben?

Ich habe bei dieser Frage immer das Gefühl, dass bei mir etwas fehlt was andere haben. Irgendwie hat wohl jeder ein Idol, eine Lieblingsmusikgruppe oder ist Fan von Jemandem. Nur ich nicht. Das habe ich nie gehabt. Weder im Beruf, noch im Privatleben. Mit 16 Jahren hatte ich zwar einige Samantha Fox Poster an meiner Bettwand, aber da ging es eher um eine andere Art von Inspiration. 

Meine Inspiration sind die Menschen auf der Straße, die Geschehnisse in der Welt und um mich herum. Ich bin von Personen begeistert die alles Materielle überwunden haben und wirklich einfach nur idealistisch ihr Leben leben. Ich sehe die Ungebundenheit und die pure Freiheit in diesen Menschen, das beeindruckt mich sehr.

Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus? Sind bereits neue Projekte in Planung und siehst du dich eher auf der Bühne oder vor der Kamera ?

Hier in der Türkei wurde in den letzten 10 Jahren unheimlich viel gedreht, besonders Kinofilme und TV Serien. Diese Serien werden mittlerweile in viele Länder exportiert. Meine letzte Serie wird zur Zeit in 60 Ländern ausgestrahlt. Das ist eine große Entwicklung was die türkische Filmindustrie angeht. In naher Zukunft habe ich eine Schauspielaufführung mit einer Erstinszenierung in Planung. Zudem arbeite ich weiterhin für das türkische Fernsehen. Ein Fernsehfilm, eine 6 teillige Kurzserie sowie ein Kinofilm stehen die nächsten Monate an.  Mein Wunsch ist es, und dafür möchte ich mir Zeit nehmen, zugleich wieder in deutschen Projekten zu arbeiten. Ich habe die deutsche Art zu  arbeiten sehr vermisst. Von einem eiskalten und schäumigen Kölsch ganz zu schweigen.

Was hast du empfunden bei der Entwicklung der Serie?  Was bedeutet es für dich, in einer Serie zu spielen, die in so vielen Ländern ausgestrahlt wird? Was versprichst Du dir davon?

Die Entwicklung war sehr mühsam, da es sich um eine äußerst aktionsreiche Serie handelt. Wir hatten eine dreimonatige Vorbereitungszeit mit dem Choreografen Team Nomad. Man kennt sie aus Actionfilmen Hollywoods wie 47 Ronin, Conan der Barbar und Genghis Khan. Zusammen haben wir Nahkampftechniken, Reiten im Vollgalopp, Schwertkämpfe, Bogenschießen und hoch dramatische Aktionsszenen vorbereitet. Wir haben uns alle in die Geschichte eingelesen und wurden über die Verhaltensweisen im 13. Jahrhundert unterrichtet, was sehr hilfreich war.

Als Schauspieler oder generell als Künstler möchte man seine Kunst soweit verbreiten, wie möglich. Daher bin ich sehr erfreut, dass unsere Einschaltquoten nun durch 60 Länder erweitert werden. Bewusst verspreche ich mir nichts Bestimmtes davon, aber es passieren interessante Dinge. Ein Freund von mir, der ebenfalls in der Türkei spielt, ist durch diese Filmexporte in Argentinien zur Kultfigur geworden. Nun lebt und arbeitet er dort. Ich finde es toll, wie klein die Welt mittlerweile geworden ist und wie schnell man heute hier und morgen dort sein kann. Die Welt liegt uns zu Füßen. Was uns bleibt ist einfach nur den weg zu gehen!

Vielen Dank für das Interview, lieber Serdar!

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