Serdar Deniz

Schauspieler

von Portrait von Arzu A. Kayvani Arzu A. Kayvani
Veröffentlicht am 2. September 2014

Serdar, Du hast lange Zeit in Deutschland gelebt und daher können wir das Interview auch in Deutsch führen. Du hast in Deutschland Theater gespielt, unter anderem am Arkadas Theater in Köln und am Stadttheater in Oberhausen. Außerdem warst Du auch im Bereich TV/ Kino recht aktiv und warst zum Beispiel in Praxis Bülowbogen und in dem Kinofilm "Die Schule" zu sehen. Was liegt Dir mehr? Die Bühne oder der Film?

Bei uns heißt es "wenn man einmal den Bühnenstaub geschluckt hat, ist es schwer davon loszukommen"! Das trifft auch bei mir wirklich zu. Das live spielen auf der Bühne, die zeitgleiche Reaktion des Publikums, die Spannung, die leichte Nervosität, die Energie - all das ist unbeschreiblich. Es ist wie der erste Kuß. Wenn man einmal auf den Geschmack gekommen ist, will man es nicht mehr missen :-) Ich bin der Meinung, dass das Heim des Schauspielers die Bühne ist und früher oder später vermisst jeder sein Elternhaus. Aber die große Leinwand und das Fernsehen haben natürlich mit ihrem Millionen-Publikumspotenzial ebenfalls einen unbeschreiblichen Reiz. Hier bekommt man das Lob und natürlich auch die Kritik sofort am nächsten Tag auf der Straße ausgezahlt. Insbesondere hier in der Türkei. Das türkische TV-Publikum "lebt" regelrecht das Fernsehen. Daher sind hier die Reaktionen auf der Strasse sehr warmherzig und emotional. Zur Zeit bin ich im Fernsehn aktiv und das ist natürlich ein Fulltimejob. Daher bleibt mir leider nicht viel Zeit zum Knutschen (*lacht*)

"Wenn man einmal den Bühnenstaub geschluckt hat, ist es schwer davon loszukommen"

Du bist vor einigen Jahren zurück in die Türkei gegangen und lebst jetzt in Istanbul. Was hat Dich dazu bewogen?

Ich bin mit drei Jahren in den 70'ern mit meinen Eltern in Deutschland eingewandert. Ich war also so alt wie mein Sohnemann heute. Obwohl ich noch ein Kind war, habe ich die Türkei wohl nie ganz losgelassen oder vielleicht hat mich auch die Türkei nicht losgelassen. Mein Kontakt zur Türkei bestand eigentlich nur in dem 6-wöchigen Sommerurlaub, den wir immer in der Heimat verbracht haben. Die Familie, die Muttersprache, die türkische Mentalität und Kultur, das Wetter, das Meer, das Essen, die Atmosphäre, sprich die Wurzeln, haben mich wohl wieder zurückgezogen. Aber auch die negativen Seiten, wie das ständige Chaos auf den Straßen, der respektlose Verkehr, die gleichgültige Unpünktlichkeit, der Egoismus dieser Metropole, sprich das Gegenteil von dem, was ich 30 Jahre lang in Deutschland gelernt, gelebt und geliebt hatte, stand nun als Abenteur vor mir.

"Für türkische Schauspieler in Deutschland gab es meistens nur Klischee besetzte, "türkische" Rollen, wie etwa den Türsteher Ali oder den Dönerbudenbesitzer Hasan."

Die ersten zwei Jahre habe ich wirklich auf alles geflucht, was sich bewegt. Ich konnte nicht verstehen, warum meine Heimat nicht ebenfalls die “deutsche Ordnung und Gerechtigkeit” besaß. Das hat mir echt zu schaffen gemacht. Ich war anscheinend doch deutscher, als ich dachte. 

Ein Hauptrollenangebot in einem Film und die Liebe, die mich hier mit offenen Armen empfangen haben, haben es mir dann aber beruflich und emotional leichter gemacht. Nun bin ich hier schon seit einigen Jahren, habe eine wunderbare Frau und zwei total deutsch aussehende Kinder, so wie es das Schicksal will (*lacht*). Jetzt plane ich, hier ebenfalls 30 Jahre zu bleiben. Die restlichen 30 Jahre, die mir danach noch hoffentlich verbleiben, stehen noch offen...

Da werden wir schon ein lauschiges Plätzchen für Dich finden. Du arbeitest auch in der Türkei als Schauspieler. Wie ist Dein Berufsleben in der Türkei im Vergleich zu Deutschland?

Für türkische Schauspieler in Deutschland gab es meistens nur Klischee besetzte, "türkische" Rollen, wie etwa den Türsteher Ali oder den Dönerbudenbesitzer Hasan. Und da wollten die Produzenten natürlich immer jemanden, der klassisch türkisch aussieht: Schwarze Haare, dunkle Augen, schnäuzer usw. Klischeehaft, aber Fakt. Da ich aber eher wie ein deutscher Hans, als wie ein türkischer Hasan aussehe, hatte ich es in Deutschland recht schwer. In der Türkei dagegen habe ich eine größere Rollenvielfalt und das ist mir wichtig. Aber Jahre später erhalte ich nun deutschländische Rollenangebote in der Türkei :-) 

"Ich sehe ja eher wie ein deutscher Hans, als wie ein türkischer Hasan aus"

Ja, das stimmt, Hans passt wirklich besser zu Dir, als Hasan :-) 

Schauspielern - insbesondere auf der Bühne - hat sehr viel mit sprachlichem Ausdruck zu tun. Gab es da für Dich zu Anfang Schwierigkeiten in der Türkei, nachdem Du so lange in Deutschland gelebt hast ?

In Deutschland habe ich auf Deutsch gedacht und geträumt. Dies ist in der Türkei noch lange Zeit so geblieben. Bei politischen oder fachlichen Gesprächen auf türkisch, musste ich schon mal eine Pause einlegen, um die richtigen Wörter zu finden. Da aber mein Vater Türkischlehrer war, haben wir zu Hause immer ein sauberes Türkisch zu sprechen gelernt. Daher habe ich meinen türkischen Akzent so weit es geht schützen können. Zudem kam in Deutschland natürlich noch meine Arbeit als Schauspieler in einem türkischen Theater hinzu. Das war nochmals eine große Hilfe, ein sauberes Türkisch zu sprechen. Aber Deine Frage ist natürlich sehr berechtigt, da nach so vielen Jahren Deutschlandaufenthalt viel von der Muttersprache verloren geht. Viele meiner Freunde und Kollegen haben dieses Problem. Nach meiner Rückkehr habe ich, warum auch immer, zum Beispiel die türkischen Wörter für “Damen” und “Herren” - auf türkisch “ Bay” und “Bayan” - lange Zeit nicht auseinander halten können. Das war kurios. Hierfür habe ich echt lange gebraucht. Dadurch rannte ich oft in die Damentoiletten oder stand sehr oft vor Toilettentüren und wußte wirklich nicht, welche die richtige Tür für mich war (*lacht*)

"Currywurst mit Fritten rot- weiss und ein Kölsch werden mir gut tun."

Oh, da sind bestimmt lustige Dinge passiert :-) Aber das kenne ich auch. Hast Du auch weiterhin Engagements in Deutschland? Würdest Du Dich über solche freuen?

Natürlich freue ich mich auch weiterhin über jegliche Angebote aus meiner Exheimat. Die ersten Jahre habe ich viel parallel gearbeitet, bin zwischen Istanbul und Köln sehr viel hin und her geflogen. Moderation, TV und Theaterarbeiten in zwei Ländern gleichzeitig zu führen und präsent zu sein, das wurde auf Dauer aber zu anstrengend.  Daher habe ich mich die letzten Jahre auf Istanbul konzentriert. Aber Anfang nächsten Jahres werde ich wieder in Deutschland in einer deutsch / türkischen Produktion arbeiten. Da freue ich mich jetzt schon drauf. Currywurst mit Fritten rot- weiss und ein Kölsch werden mir gut tun :-)

Mit welchem Künstler war es eine besondere Ehre, zusammen zu arbeiten? Was war bisher Dein "Lieblingsjob" ? Und mit wem würdest Du gerne einmal zusammen arbeiten? 

In den 80'ern kamen die Video VHS Filme aus der Türkei nach Deutschland. Es waren Filme, die uns die Heimat näher gebracht haben. Es war neben der Zeitung die einzige visuelle Verbindung zur Heimat. Alle Superstars, die wir kannten, verfolgten wir damals mit Begeisterung. Familien trafen sich und es wurden Videoabende veranstaltet. Nun arbeite ich mit all diesen Superstars, mit denen ich sozusagen aufgewachsen bin. Das ist ein schönes und nostalgisches Gefühl. Die Schauspielerin Fatma Girik ist zum Beispiel eine dieser Kultfiguren. Die türkischen Stadtmagazinleser werden sie kennen. Wir haben in einer Serie lange zusammen gearbeitet - nun ist meine Kultfigur von damals eine gute Freundin geworden. Meine Lieblingsrolle war der "Ibrahim Pascha" in einer Kurzserie namens "Hürrem Sultan". Die spielte im 16. Jahrhundert im Osmanischen Reich. Aber ich habe nie darüber nachgedacht, mit wem ich gerne zusammenarbeiten würde. Mir war es immer wichtiger, Rollen zu spielen, die mich richtig herausfordern. Denn das macht mir irre Spass. Da blühe ich auf…

Lieber Serdar, bei der Currywurst und dem Kölsch bin ich dabei! Und vielen Dank für das nette Interview. Bis bald in Köln...oder Istanbul :-) Und für Euch noch ein paar Filmausschnitte mit Serdar:

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