"Ich habe nur mit meinen Bildern leben wollen" - Der strittige Fall um Cornelius Gurlitt

von Portrait von Lina Wemhöner Lina Wemhöner
Veröffentlicht am 25. Februar 2014

Neueste Meldungen im Fall Cornelius Gurlitt: Die Anwälte des 81-Jährigen haben beim Amtsgericht Augsburg am 14. Februar 2014 Beschwerde gegen die Beschlagnahmung der spektakulären Kunstsammlung eingelegt. Ende Februar 2012 durchsuchten Behörden die Münchener Wohnung des Kunstsammlers und beschlagnahmten in Folge dessen die 1280 Werke umfassende Sammlung mit dem Verdacht auf Steuerhinterziehung. Es gibt Vermutungen, dass es sich bei einem Teil der Bilder um Nazi-Raubkunst handeln könnte, so die Süddeutsche Zeitung. Experten einer extra geschaffenen "Taskforce" für den Schwabinger Kunstfund halten 593 Werke für verdächtig, Gurlitts Anwälte sprechen lediglich von drei Prozent. Daher sei die Beschlagnahmung nicht gerechtfertigt. Im Zusammenhang mit der Forderung nach Herausgabe der Sammlung betonte Gurlitts Strafverteidiger Derek Setz:

„Wir haben vor dem Hintergrund des immensen öffentlichen Interesses und der politischen Debatten eine begründete Sorge um die Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens.“

Am 4. November 2013 wurde die Existenz der Sammlung und deren mehr als zwanzig Monate zurückliegende Beschlagnahmung durch den Focus öffentlich bekannt. Bis heute sind zu viele Fragen im Fall Gurlitt noch nicht geklärt und immer wieder treten neue Kenntnisse, Sorgen und Uneinigkeiten auf. Wir haben einige Fakten zum Fall Gurlitt gesammelt und zusammengefasst:

Was sind die Hintergründe?

Weltweit sorgte der spektakuläre Kunstfund für Schlagzeilen. Bereits einen Tag nach der Veröffentlichung des Focus‘ äußerte sich die Bundesregierung zum Kunstschatz und bestätigte die Geschichte. Am 22. September 2010 kontrollierten Zollfahnder Cornelius Gurlitt auf seiner Zugfahrt von Zürich nach München. Aufgrund der großen Geldmenge, die Gurlitt mit sich trug, vermuteten die Fahnder ein Steuerdelikt. Ende Februar 2012 wurde die Schwabinger Wohnung des Kunstsammlers durchsucht und seine Sammlung beschlagnahmt. Es wurden 1406 Gegenstände beschlagnahmt, darunter der vollständige, aus 1280 Werken bestehende Schwabinger Teil der Sammlung. Auch wertvolle Gemälde von Matisse und Dix waren in der Sammlung enthalten, so das Kunstmagazin Art. Gurlitt beteuerte immer wieder „Freiwillig gebe ich nichts zurück“ und wies alle Vorwürfe gegen sich zurück.

Umstrittene Werke

Kurz nach der Veröffentlichung gab das Bayrische Justizministerium bekannt, dass eine „Taskforce“ für Provenienzrecherche unter Leitung von Ingeborg Berggreen-Merkel eingesetzt wird, um Nazi-Raubkunst zu identifizieren. Raubkunstverdächtige Werke sollen zudem auf der Plattform der Koordinierungsstelle Magdeburg veröffentlicht werden. Bislang gehören 303 Werke laut Berggreen-Merkel unstrittig der Familie Gurlitt. 977 Werke müssen noch auf ihre Herkunft überprüft werden, 593 davon stehen unter dem Verdacht des NS-verfolgungsbedingten Entzugs, sind also mutmaßliche Raubkunst aus jüdischem Besitz. Die restlichen 384 Werke stehen im Zusammenhang mit der Aktion „Entartete Kunst“. Gurlitts Anwälte halten derzeit dagegen und sehen lediglich sechs Objekte, ca. drei Prozent, als Raubkunst an.

Wie ist Gurlitts derzeitiger Zustand?

Kurz vor Weihnachten ging durch die Presse, dass sich Cornelius Gurlitt aus gesundheitlichen Gründen im Krankenhaus befinde und das Amtsgericht München eine vorläufige Betreuung angeordnet hat. Rechtanwalt Christoph Edel nahm die vorläufige Betreuung Gurlitts an. Außerdem wurden drei zusätzliche Anwälte beauftragt, Cornelius Gurlitt bei den Rechtsverfahren in Augsburg zu vertreten. Über den aktuellen Zustand des Kunstsammlers wird derzeit nur spekuliert. Nachdem bekanntgeworden ist, dass Gurlitt neben seiner Münchener Sammlung auch in seinem Salzburger Haus kostbare Meisterwerke lagerte, wurden auf Bitte Gurlitts mehr als 60 weitere Exponate gesichert.

Was hat es mit der Internetseite auf sich?

„Ich habe nur mit meinen Bildern leben wollen, in Frieden und Ruhe.“ (Gurlitt)

Die Anwälte des Münchener Kunstsammlers sind vergangene Woche in die Offensive gegangen. Sie haben eine Internetseite zur umstrittenen Kunstsammlung eingerichtet, auf der sich auch Cornelius Gurlitt in einem persönlichen Statement äußert. Mit den Informationen, die die Website hergibt, sollen die Diskussionen um die Sammlung und um die Person Gurlitt versachlicht werden.

„Cornelius Gurlitt sieht seine Aufgabe darin, die Sammlung seines Vaters zu erhalten und zu bewahren. Dennoch stellt sich Cornelius Gurlitt offen der historischen Verantwortung.“

Sein Vater Dr. Hildebrand Gurlitt habe die Werke „legal im Wege des Kaufes und Tausches vom deutschen Reich erworben“. 

Der Fall um den Kunstsammler Cornelius Gurlitt bleibt also weiterhin ein großes Mysterium und ein schwieriger juristischer Fall. Auch der Streit um den Umgang mit der NS-Raubkunst in Deutschland wurde durch den Kunstfund erneut angestachelt. Bis heute hängen in deutschen Museen Bilder, die verfolgten Juden geraubt werden. Es ist eine offene Frage, wie der Staat mit dem Schatz umgehen soll. Immer wieder steht die Frage nach der Moral im Raum. Doch anders als Museen und Archive können private Sammler sich auf Verjährung berufen. Wie war es also im Fall Gurlitt: Hat der Kunstsammler auf Verjährung spekuliert? Viele Antworten auf diesen spektakulären Fund bleiben noch aus.