Disney schweigt beharrlich zu Horrostreifen "Escape from Tomorrow"

von Portrait von Lisa Siewert Lisa Siewert
Veröffentlicht am 19. September 2013

Wären Micky Mouse, Snow White, Peter Pan und Co. Gäste des Sundance Festival im Januar 2013 gewesen, sie wären wohl alle vor Schreck in einen hundertjährigen Schlaf gefallen. Denn auf dem Film-Festival in Utah feierte ein ganz besonderes (Anti-)Märchen seine Premiere: „Escape from Tomorrow“ ist ein heimlich in Disneyland gedrehter Horror-Streifen, in dem sich Prinzessinnen prostituieren und statt fantastischer Abenteuer ein tödlicher Virus auf die Besucher der Märchenwelt wartet. Apropos hundertjähriger Schlaf, in einen solchen scheinen auch die sonst so eifrigen Helferlein des Walt Disney Konzerns, nämlich deren Anwälte, gefallen zu sein. Warum geht Disney nicht gegen den Film vor? Welche Strategie verbirgt sich hinter dem Schweigen?

Ein Familienvater fährt mit seiner Familie in den Urlaub. Kurz bevor die Reise vorbei ist, erfährt er, dass er seinen Job verloren hat und verschweigt dies- seine Familie soll noch einen schönen letzten Urlaubstag in Disneyland verbringen. Entgegen aller Erwartungen wird es der schlimmste Tag in ihrem Leben. Nachdem sich der Papa von zwei erotischen Prinzessinnen verführen lassen hat, bricht auch noch eine Katastrophe in dem Vergnügungspark aus. Im Trailer heißt es:

"People come here because they want to feel safe - Bad things happen everywhere. Especially here."

Filmemacher Randy Moore hat einen Großteil des Films direkt in Disneyland gedreht – ohne den Konzern um Erlaubnis zu bitten (die er wahrscheinlich auch nicht bekommen hätte). Und so sehen wir in „Escape from Tomorrow“ die zauberhaften Orte in einem ganz neuen, grauen und verstörenden Licht. Randy Moore hat es geschafft, der quitschbunten und freundlichen Kulisse durch Farbentzug eine ganz neue, beunruhigende Message zu verpassen. Aber nicht nur, dass Moore in Disneyland gedreht hat: Auch beim Film-Plakat und Schriftzug bedient er sich großzügig am unverkennbaren Disney-Stil und Motiven. So tropft Blut von Mickey-Mouse weißen Handschuhen.

Disney schweigt beharrlich zu Horrostreifen "Escape from Tomorrow"

Nach der Premiere von „Escape from Tomorrow“ kam es zu einer hitzigen Debatte, wie Disney „Escape from tomorrow“ unterbinden wird. Denn der machtvolle Konzern ist bekannt für seine strenge Patentpolitik. The Hollywoodreporter schreibt, man habe erwartet, dass Disney schneller seine Anwälte auf Randy Moore hetzt, als die Herzkönigin sagen kann: „Ab mit ihren Köpfen“. Doch nichts geschah. Dabei haben sich More und sein Team wirklich allergrößte Mühe bei der Provokation gegeben: Erst kürzlich tauchte ein Trailer für „Escape from Tomorrow“ auf, wieder gespickt mit allerlei charakteristischen Disney-Attritbuten. Im Vorspann wird zwar darauf hingewiesen, dass dies kein offizieller Disney-Film ist, jedoch sind die Parallelen der Aufmachung von „Escape from Tomorrow“ und offiziellen Disney-Produktionen enorm. Natürlich ist der Inhalt um ein vielfaches grauenvoller (obwohl „Schneewittchen“ dem Indipendent-Horror in nichts nach steht), jedoch wäre dies doch noch ein weiterer Grund für Disney, gegen „Escape from Tomorrow“ ihre Armee der Anwälte auszusenden, oder nicht?

Stattdessen Schweigen im Hundert-Morgen-Walde. Einige Quellen, wie Huffington Post oder The Hollywood Reporter,  vermuten genau dahinter die Strategie von Disney: Mit ihrem Schweigen verhindern sie vielleicht ein Medienspektakel und damit noch mehr Aufmerksamkeit für „Escape from Tomorrow“. Und Aufmerksamkeit ist unbestreitbar das Letzte, was sich Disney in dieser Angelegenheit wünscht. Bisher lehnte Disney alle Kommentar-Anfragen ab. Lediglich gegenüber CNN ließ man verlauten, man sei sich über die Existenz des Filmes „bewusst“.

"(We) are aware of the film" but "are not commenting at this time."

Sollte der Guerilla- Film tatsächlich bei uns in den Kinos landen, dürfte zu erwarten sein, dass Disney doch seine Drachen freilässt. Schließlich würden „Escape from Tomorrow“, der immerhin 650.000 Dollar Produktionskosten verschlungen hat, dann finanzielle Einnahmen und Gewinne winken. Und wenn es ums Geld geht, versteht Disney keinen Spaß.

Randy More hofft jedenfalls, dass er die Chance erhält, sein Projekt der breiten Öffentlichkeit zu zeigen. Dann sollte er aber auch in Zukunft aufpassen, in welchen Apfel er beißt.