Katja Riemann und die RAF: „Das Wochenende“

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 11. April 2013

Seit heute läuft in den deutschen Kinos das Kammerspiel-artige Drama „Das Wochenende“ mit Sebastian Koch und Katja Riemann in den Hauptrollen. Darin trifft der nach 18 Jahren aus der Haft entlassene RAF-Terrorist Sebastian Koch auf seine früheren Mitstreiter, die es sich inzwischen in der oberen Mittelschicht bequem gemacht haben. Darunter ist auch seine Jugendliebe, gespielt von Katja Riemann, die zwischen ihrem momentanen Leben und der noch immer schwelenden Anziehung zu dem keineswegs geläuterten Terroristen hin und hergerissen wird. Und dann taucht plötzlich auch noch ihr gemeinsamer Sohn auf.

Katja Riemann und die RAF: „Das Wochenende“

An „Das Wochenende“ scheiden sich die Geister. Im Raum steht nicht die Frage, ob die ohnehin schon eher langatmige Romanvorlage von Bernhard Schlink gut inszeniert wurde (wurde sie nicht), sondern ob Katja Riemann eine gute Schauspielerin ist. Zur Auswahl stehen folgende Standpunkte: Einmal behauptet der Spiegel:

Katja Riemann spielt diese Frau wie eine unruhige Katze, die alle Unannehmlichkeiten zu umschleichen versucht und trotzdem immer bereit zum Angriff ist. Es ist, als ob etwas in ihr brodelt, und man weiß nie, ob sie das Ventil zu öffnen oder für immer zu verschließen versucht. [...] Vergessen wurde in der ganzen Zicken-Debatte danach ein bisschen, was für eine gute Schauspielerin sie ist. Eine, die einen Film retten kann, wenn man sie lässt.

Und auf der anderen Seite stehen jene, die Katja Riemann jedes (oder zumindest das meiste) schauspielerische Talent absprechen. Etwa der Tagesspiegel:

Unbarmherzig filmt die Kamera bei jeder Einstellung noch Sekunden weiter, nachdem bereits alles gesagt ist. Genug Zeit für die Zuschauer, in die ausdruckslosen Gesichter von Koch und Riemann zu blicken, die offenbar angehalten waren, ihre Rollen ohne jede Gefühlsregung zu spielen.

Es bleibt eine Streitfrage. Katja Riemann, die eigentlich gar nicht für den Film vorgesehen war, weil sie zu jung war, musste drei Castings besuchen, bevor Regisseurin Nina Grosse sie doch besetzte. Mit ihrer braunen Perücke und der gehörigen Portion Schminke erkennt man Riemann kaum wieder. Im Roman kommt ihre Figur gar nicht mehr vor, jedenfalls nicht lebendig - Inga hat sich eigentlich umgebracht. Aber Nina Grosse erkannte, dass sie die eigentlich interessanteste Figur von allen war, die da im Roman lehrstückhaft debattieren - über links und rechts, Zweck und Mittel, Vergeben und Vergessen. Insofern rettet nicht eigentlich Katja Riemann den Film, sondern die Figur, die sie wiederbelebte. Die meisten anderen Figuren verharren ohnehin in ihrer inzwischen eingenommenen Haltung - sie haben sich integriert in jene sich selbst ausbeutende Gesellschaft, die sie einst per Revolution umstürzen wollten. Und als sie mit ihren früheren Vorstellungen konfrontiert werden, können sie nur betreten schweigen und den Kopf schütteln. Bewegen tut sich da nicht viel. Nur die Figur von Riemann, die rotiert, stellt in Frage - und als dann der gemeinsame Sohn der beiden auftaucht, das Verbindungsstück zwischen einst und jetzt und den nie vorher gesehenen Vater mit Vorwürfen belegt, die sonst keiner in der Position ist auszusprechen (außer Ingas versnobter Gatte, den aber niemand so recht ernst nimmt), prallen nicht nur Ideologien aufeinander. Bis dahin aber ist „Das Wochenende“ schleppend.