Web-Brutalism – Kann Design brutal sein?
Veröffentlicht am 2. Juni 2016
In der Mode kommt es recht häufig vor, dass alte Trends wieder aufgegriffen und neu interpretiert werden. Im Webdesign ist dies zwar immer noch ungewöhnlich, doch eine kleine Gruppe von Designern versucht inzwischen, den Webstil der 1990er-Jahre zu modernisieren. Auf brutalistwebsites.com sammelt die Gruppe um Pascal Deville zahlreiche Beispiele für diesen Trend; die Ersteller werden zu ihrer Designphilosophie interviewt. Zu den Vertretern des Web-Brutalism gehören beispielsweise tilde.com oder isittimeforanap.com. Beide Beispiele verkörpern ein "brutales" und für heutige Verhältnisse untypisches Design. Für Pascal Deville bedeutet dieser Designtrend eine Gegenreaktion auf die vielen Regeln, die das gegenwärtige Webdesign einschränken und den Pioniergeist der frühen Jahre zerstören.
So ist es heute üblich
Modernes Webdesign setzt auf Einfachheit und Komfort und versucht, möglichst nicht anzuecken – ganz im Gegensatz zum klobigen, individuellen und skurrilen Design der 1990er-Jahre. Moderne Designphilosophien bevorzugen Websites mit einer deutlich erkennbaren, eher minimalistisch gehaltenen Struktur. Das Prinzip dieses Webdesigns lässt sich anhand von Homepage-Baukästen wie MyWebsite verdeutlichen: Die unterschiedlichen Vorlagen haben alle ein klares und übersichtliches Design. Komfort und leichte Bedienbarkeit stehen im Zentrum. Viele Designer verwenden deswegen heute ein Responsive Design, das Mobile und Desktop-Browser gleichermaßen unterstützt. Die typischen Merkmale solcher Websites sind: einheitliche Farbkomposition, optimierte Bilder und eine klare Struktur. Damit unterscheiden sie sich deutlich vom Web-Brutalism, der chaotisch und wenig durchdacht wirkt.
Alles Geschmackssache
Web-Brutalism trifft nicht den Massengeschmack und wird deswegen vermutlich auch in Zukunft ein Nischenphänomen bleiben. Es ignoriert einfach zu viele etablierte und beliebte Designkonzepte, da es auf eine einheitliche Gestaltung des Layouts, der Farben und Schriftarten verzichtet. Web-Brutalism ist meistens unübersichtlich und entspricht nicht den Anforderungen und Sehgewohnheiten der heutigen Internetnutzer.
Trotzdem können auch Websites mit "brutalem" Design kommerziell erfolgreich sein. Eines der bekanntesten Beispiele ist laut Pascal Deville das Kleinanzeigenportal craigslist. Mit monatlich 50 Milliarden Klicks gehört es zu den 100 meistbesuchten Sites im Netz. Zwar gehört craigslist nicht offiziell zu den Vertretern des Web-Brutalism, allerdings finden sich viele typische Designideen des Trends auf der Site wieder.