Leipziger Tatort „Schwarzer Afghane“ - Eine klischeehafte Farce oder anspruchsvolles Fernsehen?

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 18. März 2013

Nachdem Til Schweiger letzte Woche in den „Tatort“ einschlug und man zwischenzeitlich meinen könnte, sich in einen Michael-Bay-Streifen verirrt zu haben, ließ der „Tatort“ dieser Woche es ruhiger angehen. Obwohl vier Leichen, Bomben und brennende Terroristen auch nicht so ganz das sind, was man von einem dahergelaufenen „Tatort“ erwarten kann. „Schwarzer Afghane“ scheidet die Geister der Zuschauer. So schreibt etwa Süddeutsche:

Es geht um Drogenhandel, Kriegstraumata; das sind begriffliche Hüllen, die nicht mit etwas Fühlbarem gefüllt werden. Dafür wird jedes Klischee bedient. [...] Wie wäre es - zur Abwechslung - mal wieder mit einer Menschengeschichte?

Das Drehbuch hat in der Tat die eine oder andere Schwäche. Dass da ein Mobiltelefon in einem Fluss grade dann in der Sonne glitzert, wenn der nächste Hinweis gebraucht wird und man in der 600.000-Einwohner-Stadt Leipzig immer grade demjenigen in die Arme läuft, den man grade sucht, ist billige Erzählkunst. Aber trotzdem gibt es keinen Grund, kein gutes Haar an „Schwarzer Afghane“ zu lassen. Besonders nach Schweigers Debüt-Tatort, an dessen Ende die Welt wieder ein harmonisches Sahnebonbon war, ist es angenehm zu sehen gewesen, wie ein „Tatort“ eben nicht in mittelständischem Frieden endet, sondern in etwas, das der Realität nahe kommt und den Zuschauer zum Nachdenken, wenigstens aber zum Zweifeln anregt. Stern resümiert:

Ein hervorragender Kniff, der wirklich gute "Tatort"-Unterhaltung vom "Schweiger"-Tatort unterscheidet: Am Ende ist nicht immer alles gut.

Das gilt allerdings auch für anspruchsvolles Fernsehen an sich - und die deutsche Fernsehlandschaft, die sich, von jeher gegen Veränderungen sträubend, auf Formaten wie dem „Tatort“ ausruht und dabei trotzdem keineswegs alle erreicht. Zuschauerkommentare loben oder verachten regelmäßig die Krimi-Reihe. Fans freuen sich über jede neue Episode, während die Gegner sich jedes mal über die gleichen Dinge aufregen. Und irgendwie haben beide Seiten Recht. Ja, die schauspielerische Leistung ist meistens gut, aber andererseits versucht „Tatort“ nichts Neues. Ja, die Charaktere sind üblicherweise kantig und deshalb nahe an der Realität, aber andererseits ergeht sich ein „Tatort“-Drehbuch auch gern in Klischees und berührt kontroverse oder sonstwie wichtige Themen nur oberflächlich. Richtiger Mut geht dem deutschen Fernseh-Krimi ab, so schmutzig und unbequem er auch gern daherkommt. Wie jede Medaille hat auch der Sonntagabend bei ARD zwei Seiten. Eine eindeutige Antwort gibt es also, wie bei vielen Fällen im „Tatort“, nicht.