Leipziger Tatort: „Todesschütze“ war manchen zu viel

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 3. Dezember 2012

Geiselnahme, Körperverletzung, Erpressung, Vergewaltigung, Totschlag, Nötigung und Mord - das alles und noch viel mehr gab's am Wochenende im neuen „Tatort“ zu sehen. Doch das Leipziger Ermittlungsteam Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke) überforderte manche Zuschauer. Warum war die Episode „Todesschütze“ so vollgepackt?

Die Handlung: Die jugendlichen Vandalen Tobias (Jonas Nay), Marcel (Antonio Wannek) und Robin (Vincent Krüger) werden von Anne Winkler (Natascha Paulick) und ihrem Mann (Stefan Kurt) aufgefordert, Fahrgäste in der Straßenbahn nicht weiter zu belästigen. Das gefällt den Jugendlichen gar nicht - sie verfolgen das Paar, treten auf die beiden ein und fliehen dann. Anne verliert das Kind und stirbt an den Verletzungen, worüber ihr Mann verzweifelt und zur Selbstjustiz greift. Zeuge des Überfalls ist Polizist Phillip Rahn (Wotan Wilke Möhring), der die drei anfangs verfolgt, aber wieder ablässt, als er seinen Sohn unter den Schlägern erkennt. Rahn versucht, seinen Sohn zu decken - jedoch nicht aus Altruismus, sondern weil er von einem der anderen Schläger mit einem Video erpresst wird, das zeigt, wie Rahn auf einem Stadtfest eine Kellnerin vergewaltigt. Rahns Kollege Peter Maurer (Rainer Piwek) indes, weiß von alledem, deckt seinen Partner aber. Als er sich doch entscheidet zu reden, wird er plötzlich erschossen.

Starker Tobak für das gesittete Publikum der sonst tendenziell eher unspektakulären „Tatort“-Fälle. Bild fragte beim Autor nach, warum die Episode gleich so viel Gewalt zeigte:

Es geht eben gerade nicht um einen einzelnen Fall – und darum, wenn der gelöst ist, ist wieder alles gut – sondern darum, dass die Gesamtatmosphäre, das Milieu, die Art des Lebens in diesem Soziotop Gewalt begünstigt, hervorbringt und eskalieren lässt. [...] Wir alle fragen uns doch bei jedem solcher brutalen Überfälle in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf offener Straße: 'Wie ist so etwas möglich?'

Ja, gerächte Zivilcourage ist schon ein fesselndes Thema. 2009 starb Dominik Brunner auf eben die Weise, wie es in „Todesschütze“ dargestellt wurde - er griff in der Münchener U-Bahn in eine Nötigung Jugendlicher ein und wurde daraufhin von den 17- und 18-jährigen Tätern ermordet. Auch der Vorfall vom Berliner Alexanderplatz Mitte Oktober erinnert daran. Erklärungsversuche liefern mehrere psychologische Ansätze. Pluralistische Ignoranz lässt sich aber leicht erklären - je mehr Leute das Verbrechen beobachten, desto unwahrscheinlicher ist es, dass jemand hilft. Jeder hat Angst, sich lächerlich zu machen und die Situation falsch einzuschätzen.

Trotz des Erklärungsversuchs, den die Episode „Todesschütze“ unternimmt - den Zuschauer mit hollywood-mäßigen Handlungssträngen zu überfordern, ist keine Lösung. Weniger ist nicht immer mehr, aber zu viel ist gar nichts. Für den nächsten „Tatort“ wünschen wir uns: einen Handlungsstrang weniger.