Bei Günther Jauch: „Tatort: Gegen den Kopf“ rüttelt Debatte um Jugendgewalt auf

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 9. September 2013

Am Donnerstag ist es genau vier Jahre her, seit Dominik Brunner am Münchener S-Bahnhof Solln von zwei Jugendlichen attackiert wurde und kurz darauf an einem Herzfehler starb. Die zum Tatzeitpunkt 17- und 18-Jährigen Jugendlichen wurden zu sieben und knapp zehn Jahren Haft verurteilt. 2008, ein Jahr vor Brunners Tod, erreichte die Zahl der jugendlichen Gewalttaten in Deutschland ihren Höhepunkt mit über 91.000 registrierten Angriffen. Im letzten Jahr waren es nur noch 63.000 – und die Zahl sinkt weiter. Der im gestrigen „Tatort: Gegen den Kopf“ dargestellte Fall hatte deutliche Parallelen zum Fall Brunner und rückt die Debatte über Zivilcourage und Jugendkriminalität erneut in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Mit viel Quotenkalkül ausgewählt, debattierte Günther Jauch unmittelbar nach dem „Tatort“ mit fünf geladenen Gästen zum Thema „Tatort U-Bahnhof – machtlos gegen Jugendgewalt?“. Aber die Diskussion bleibt farblos, das Thema zu wenig greifbar. Und, wie immer, saßen in Jauchs Runde zu viele Leute, die zu wenig zu sagen hatten.

Ein Rede-Duell hätte besser funktioniert

Der Einzige, dem man gestern bei Jauch gern zugehört hat, war der Berliner Richter Andreas Müller, der „Richter Gnadenlos“ genannt wird. Er hat klare Vorschläge gemacht, wie man Jugendkriminalität und besonders Körperverletzungsdelikte besser bekämpfen und vorbeugen kann. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich dagegen ergreift, so scheint es, nur aus Höflichkeit zwei, dreimal das Wort, spricht sich in diplomatischen Wahlkampf-Worten gegen eine flächendeckende Kameraüberwachung aus und verfällt dann wieder in Schweigen. Auch fehlbesetzt war Andreas Responde, dessen Einladung zur Sendung mit dem Opfer-Argument gerechtfertigt wurde – er wurde in der Berliner U-Bahn zusammengeschlagen, als er Zivilcourage bewies. Eine Sozialarbeiterin und ein Ex-Polizist-jetzt-Konflikttrainer, die auch nur sehr wenig zur Runde beitragen konnten, vervollständigten das Bild, der wie immer überbesetzten Jauch-Debatte – zumal Jugendkriminalität und ihre vielfältigen Gründe ohnehin ein weites, kaum zu greifendes Feld sind, bei dem sich niemand einig werden kann.

Einschreiten, oder nicht?

Zivilcourage zu beweisen, bedeutet immer auch, seine eigene Gesundheit auf’s Spiel zu setzen. Und das für einen völlig Fremden. Es gibt es einen Grund, weshalb die meisten Leute nicht helfen würden – es ist irrational, wenn auch wünschenswert und moralisch wertvoll. Psychologische Aspekte wie Verantwortungsdiffusion, pluralistische Ignoranz und dem viel zitierten Kitty-Genovese-Syndrom machen das Wegsehen nur umso leichter. Der „Tatort“ mag diese uralte Debatte wieder ins Blickfeld rücken, aber hinreichend erörtert, geschweige denn „geklärt“ wird das Thema nie sein. Dessen scheint sich auch Günther Jauch bewusst zu sein, der den ehemaligen Polizisten der Runde noch einmal zu Wort kommen lässt: Damit drohen, die Polizei zu rufen ist nur dann sinnvoll, wenn man nicht allein gegen eine Überzahl gewaltbereiter Aggressoren steht. Und ein Foto mit dem Handy zu machen, um alles zu dokumentieren, ist auch eine schlechte Idee. Im Zweifelsfall lieber erst die Polizei rufen und dann helfend einschreiten.

Wer den „Tatort: Gegen den Kopf“ oder die Debatte bei Günther Jauch verpasst hat, kann sie sich in der ARD Mediathek ansehen.

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