Pseudo-Doku über Kleinwüchsige startet

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 20. August 2012

Sat.1 ist sich für keine Minderheit zu schade. Oder ist sich keine Minderheit für Sat.1 zu schade? Egal, wie man es nun betrachtet - Sat.1 kommt nach verzweifelten Singles und adipösen Liebeskranken nun auf Kleinwüchsige zu sprechen. Vier Teile wird die fragwürdige Doku-Soap „Die große Welt der kleinen Menschen“ haben. Am gestrigen Sonntag war die Premiere. Spiegel Online berichtet:

RTL II marschierte da mutig voraus und präsentierte im März mit "Kleine Leute, große Welt!" zwei kleinwüchsige junge Frauen auf Männersuche. Nach offenbar endlosen Sitzungen und Klausurtagungen nannte Sat.1 sein eigenes Format "Die große Welt der kleinen Menschen". 100.000 davon gibt es in Deutschland, und sie meistern ihren Alltag perfekt. Alles sitzt, passt, funktioniert und klappt wie am Schnürchen. Zumindest ist das der Eindruck, den die vierteilige Doku-Soap erweckt. mehr...

Schön zu sehen, dass das deutsches Fernsehen auch weiterhin eine Manege ist. Egal, was man da als Otto Durchschnittshartzer so bestaunen kann, auf Sat.1 und Co. findet man alles. Immerhin verzichtet die Show, die gestern Abend das erste Mal lief, auf lächerliche musikalische Untermalungen, bemerkt man bei Spiegel Online anerkennend. Ob man das wirklich lobend erwähnen sollte, bleibt fraglich, denn nur weil Kleinwüchsige nicht lächerlich gemacht werden, muss man Sat.1 noch lange nicht auf die Schulter klopfen - immerhin beginnt die Presseinformation zur Show mit dem Satz „Klein, aber oho!“. Was das Ziel des Formats ist, ist eher fragwürdig. Will der Zuschauer tatsächlich erfahren, wie man so als Zwerg (darf man das sagen?) zurecht kommt? Oder zielt die Show eher auf ein debiles Grinsen der Zuschauer ab, wenn das Paar Michel und Anna sich küssen? Nahe an der Realität ist „Die große Welt der kleinen Menschen“ jedenfalls. Gescripted scheint dort nichts zu sein. Und selbst wenn es sich um Schauspieler handeln würde - klein sind sie ja trotzdem.

Noch drei weitere Sonntage ist die Soap zu sehen. Und fest steht, dass schon am vierten Sonntag niemand mehr darüber reden wird. Zu konventionell ist die Sendung, zu abgestumpft der Zuschauer, besonders von den vorausgegangenen Formaten wie „Schwer verliebt“. Den Mut zu einer richtigen Dokumentation scheint bei den kommerziellen Sendern niemand zu haben - dabei hatte man das Material doch schon im Kasten! Stattdessen wird wieder eine Moderatorin ins Konzept geprügelt und alles ein bisschen auf heile Welt getrimmt, die ein bisschen anders ist, als die „normale“, damit auch ein paar voyeuristische Zuschauer einschalten. Trotz des Versuchs, so etwas ähnliches wie Niveau und Informationsgehalt zu imitieren - die Show ist ein Fehlschlag.