Warum noch eine Leinwandversion von „Les Misérables“ doch nötig war

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 21. Februar 2013

Aus seinem Heimatland vertreiben, schrieb Frankreichs Pendant zum deutschen Goethe, Victor Hugo, 15 Jahre lang an seinem Opus Magnum. Seit heute läuft eine weitere Verfilmung von „Les Misérables“ in den Kinos. Schon über 50 Mal ist die Geschichte um Verrat, Buße und die werte Liebe verfilmt worden - mal für's Fernsehen, mal für die große Leinwand, mal mit Laiendarstellern, mal mit stattlichem Cast, mal mit wenigen Minuten Laufzeit, mal als sechsstündige Mini-Serie. Und trotzdem ist die Verfilmung mit Hugh Jackman und Anne Hathaway bitter nötig gewesen.

Seit über 100 Jahren sind niemals mehr als sieben Jahre vergangen, in denen es keine neue Verfilmung des Romans „Die Elenden“ gegeben hätte. Allein 1967 waren es drei Stück. Charles Laughton, Liam Neeson, Uma Thurman, Gérard Depardieu - sie alle spielten schon mit. Und jetzt übernahm Hugh Jackman die Rolle des geläuterten Sträflings Jean Valjean, der das Kind einer aufopferungsvollen Prostituierten aufzieht. Allerdings gibt es gleich mehrere Dinge, die „Les Misérables“ von allen anderen bisherigen Verfilmungen unterschiedet: Allem voran, ist es gar keine Verfilmung von Hugos Roman. Stattdessen ist es die Verfilmung des Musicals, das wiederum auf dem Roman basiert. Das Musical feierte im September 1980 Premiere und schon kurz danach gab es die ersten Pläne, den Stoff in Musicalform auf die Leinwand zu bringen. Alan Parker („Die Asche meiner Mutter“) sollte damals Regie führen, aber die Pläne wurden immer wieder verworfen, aufgeschoben, überdacht und schließlich gingen über 30 Jahre ins Land, bevor die Musical-Version nun vorliegt. Es handelt sich also nicht um die 51. Verfilmung, sondern um die erste ihrer Art.

„Les Miserables“ hat aber noch eine zweite Existenzberechtigung: Üblicherweise werden bei Musicalfilmen die Gesangseinlagen schon Monate vor den Dreharbeiten im Studio aufgenommen. Regisseur Tom Hooper aber wollte etwas ganz Neues probieren und ging damit auch ein großes Risiko ein - er ließ die Schauspieler die Stücke live vor der Kamera einsingen. Bei einem über zweieinhalb Stunden langen Film mit 99 % Gesangsanteil kein leichtes Unterfangen. Am Set wurden die Darsteller von einem Pianisten begleitet.

Natürlich hat die Verfilmung von „Les Misérables“ einen weiteren Vorteil: Eine jüngere Generation wird an einen Literaturklassiker herangeführt, der in den Schulen nicht mehr gelehrt wird. Die lesefaul gewordene Generation bekommt so eine Form der Unterhaltung geliefert, die gleichzeitig einen Bildungsauftrag erfüllt. Es ist seit langem Mal wieder ein Film, der Schulausflüge ins Kino lockt. Die Deutsche Film- und Medienbewertung sagt: „Prädikat: Besonders wertvoll“.

Warum noch eine Leinwandversion von „Les Misérables“ doch nötig war