Sturm im Wasserglas um neue Merkel-Biografie „Das erste Leben der Angela M.“
Veröffentlicht am 13. Mai 2013
Angeblich ganz zufällig in einem Wahljahr erscheint morgen die Angela-Merkel-Biografie „Das erste Leben der Angela M.“. Die Autoren Ralf Georg Reuth und Günter Lachmann (beide Springer-Verlag) haben jahrelang im Dreck gewühlt und Zeugen gefunden, die bisher nicht sprechen wollten und dabei angeblich ganz neue Sachverhalte aufgedeckt. So heißt es in dem Buch etwa:
„Angela Merkel kam nicht, wie sie es heute darstellt, im Dezember 1989 als Quereinsteigerin in die Politik, sondern war schon viel früher im ,Demokratischen Aufbruch‘ aktiv. Damals trat sie nicht für die Wiedervereinigung ein, sondern für einen ,demokratischen Sozialismus‘ in einer eigenständigen DDR.
„Viel früher“ und „Politik“ klingt natürlich hochtrabend. Effektiv die Rede ist aber nur von drei Monaten: Merkel soll schon im Oktober 1989 bei der ganz neu gegründeten Oppositionspartei „Demokratischer Aufbruch“ (DA) dabei gewesen sein. Die Partei setzte sich damals für eine demokratische DDR ein, die aber unabhängig von der Bundesrepublik weiter bestehen sollte. Erst im November 1989, als die allgemeine Stimmung die Einheit verlangte, schwenkte die Partei um und setzte sich ebenfalls für die Einheit ein.
Genau um diesen Meinungswechsel geht es: Denn bisher dachte man, Merkel sei erst im Dezember 1989 zu der Partei gekommen, also von Anfang an für die Einheit gewesen. Die Autoren von „Das erste Leben der Angela M.“ wollen nun jedoch bewiesen haben, dass sie schon im Oktober für die Partei aktiv war - und keineswegs eine Verfechterin der Einheit. Im Gegenteil: Sie soll sich im Herbst 1989, ganz im damaligen Sinne der DA, für eine unabhängige DDR stark gemacht haben, die neben der Bundesrepublik existieren sollte. Nun ist das Geschrei groß. „Bild“ titelt reißerisch, dass Merkel dem Regime näher stand, als bislang bekannt und angeblich eine Feindin der Wiedervereinigung war.
Nur weil Merkel anfangs, ebenso wie die DA, lediglich eine Befreiung vom SED-Regime anstrebte und die DDR als eigenes Landes bestehen lassen wollte, steht sie der DDR kein Stück näher als vorher; geschweige denn dem Regime. Und auch zur Feindin der Wiedervereinigung wird sie dadurch nicht. Stattdessen wollte sie ein geknechtetes Land reformieren. Wo ist das Problem?
Merkel sieht's gelassen:
„Wenn herauskommt, dass ich schon im Oktober Mitglied war, ist es für meine Seele besser, dass ich nicht so lange brauchte, um endlich einmal zu irgend einer Oppositionsbewegung zu gehen.“
Das Bild der Kanzlerin nimmt dadurch jedenfalls beim reflektierenden Leser keinen Schaden. Ein Regime abschaffen zu wollen macht einen nicht zum schlechten Menschen. Und die eine oder andere FDJ-Freizeit macht keinen zum Kommunisten. Viel Lärm um nichts also. Ein Sturm im Wasserglas. Grade pünktlich zum Wahljahr. Immerhin: Das sonst CDU-treue Blatt „Bild“, das auch am Tag vor der Wahl im September wieder eine kostenlose Sonderausgabe in die deutschen Briefkästen spült, übt vermeintliche Kritik an der sonstigen Hof-Partei. Schon zum 60. Geburtstag der „Bild“ gab es für alle, die nicht wiedersprachen, eine kostenlose Sonderausgabe. Bisher gibt es jedoch noch keine Unterschriften-Aktion gegen die Zwangsbeglückung vor der Wahl.