- (c) https://www.youtube.com/watch?v=-3T4d0cTEOA © https://www.youtube.com/watch?v=-3T4d0cTEOA

„Du bist wunderschön“ – Hat Heidi Klum ein Abo auf das Außergewöhnliche?

von Portrait von Felicitas Bonk Felicitas Bonk
Veröffentlicht am 24. Februar 2015

Da stelzen sie wieder, die Models in spe. Vor der Schule, auf dem Marktplatz oder im Einkaufszentrum neben an. Wenn Heidi Klum vorbei kommt, kann jeder Ort zum Laufsteg, jedes Mädchen zum Mannequin werden. Träume scheinen wahr zu werden. Doch wie so oft, liegen Schein und Sein nur unmerklich voneinander entfernt. Denn die mittlerweile 10. Staffel der Model-Casting-Show „Germany’s next Topmodel“ beinhaltet mehr Widersprüche denn je.

Zunächst das Positive. Mit ihren Massencastings gibt Heidi Klum wirklich jedem die Möglichkeit, sich einmal vor der Kamera, vor einer prominenten Jury und auf dem Laufsteg zu präsentieren. Für manche unter ihnen ist das bereits ein wahrgewordener Traum, egal ob es für die nächste Runde reicht oder nicht. Allein die Möglichkeit zu haben, sich dünn, dick, homo- oder heterosexuell einer Öffentlichkeit von Millionen Zuschauern zu zeigen, vermittelt das Gefühl, es seien alle gleich. Zudem holt Klum die potentiellen Kandidatinnen in ihrem Alltag ab und nutzt Familie und Freunde der Bewerberinnen als Lockvögel. Damit hat sie den sozialen Background der Mädchen auf ihrer Seite. Denn wenn die ganze Familie hinter dem Wunsch des Kindes steht, was kann dann schon falsch sein?

https://www.youtube.com/watch?v=ny_d04eOXf8https://www.youtube.com/watch?v=ny_d04eOXf8

So einiges, wie sich schnell herausstellt. Denn die „Dicken“ und „Normalen“ dürfen leider nicht mit auf die Reise in ein womöglich neues Leben. „Es tut uns Leid, heute reicht es für dich leider nicht“ oder „Diesmal bist du leider nicht dabei“ heißt es dann. Statt eines einfachen „Nein, du passt nicht in Business“, bekommen alle Ausgesiebten mit der Betonung auf „diesmal“ die klitzekleine Chance eingeräumt, es doch noch einmal in die nächsten Runde zu schaffen. Im nächsten Jahr. Oder im übernächsten. Oder irgendein Mal.

Eine echte Chance haben eigentlich nur die, die der menschlichen Vernunft und den Gesetzen der Natur widersprechen. Die Außergewöhnlichen, Bewundernswerten. So zumindest definiert der Duden das „Wunder“. Und wie oft bedenken Klum und ihr Team die Mädchen als Adjektiven wie „wunderschön“ und „wunderhübsch“. Ein Wunder, wer da nicht die falschen Vorstellungen von Modelgeschäft bekommt.

An sich ist auch nichts Falsches an den inflationär überschwänglichen Beschreibungen der Jury. Doch wenn die spitzen Schulterknochen und das schmale Gesicht zum Wunder werden, dann läuft was falsch. Natürlich sollte ein Model schlank sein. Eine Presswurst in Haut Couture mag niemand sehen. Und hier liegt der Knackpunkt: Bei „Germany’s next Topmodel“ geht es nicht nur um Models, es geht um die vielen Zuschauerinnen zu Hause, die vielleicht mit zehn oder elf Jahren vor dem Bildschirm mitfiebern und schon jetzt ein falsches Körperbild vermittelt bekommen.

Und aktuell erlangt dieses Problem eine neue Ebene: Denn wie passen der nach wie vor währende Schlankheitswahn junger Frauen und die Hochachtung vor dem unretouchierten Bauch einer Cindy Crawford zusammen? Ist es ein Zwiespalt zwischen (vermeintlich) gesellschaftlichem Druck und dem Wunsch, einfach „normal“ zu sein? Sind es zwei gegensätzliche Fronten, die sich neu verhärten? Oder wissen wir einfach selbst nicht, was wir wollen? Wirklich wunderbare wäre, wer das beantworten könnte.