Wie Sido sich mit wenigen planlosen Worten die absolute Mehrheit sicherte

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 25. März 2013

Paul Würdig alias Sido hat in der dritten Ausgabe von „Absolute Mehrheit“ den Jackpot von 300.000 Euro gewonnen. Das war noch nie einem Teilnehmer der Polit-Talkshow gelungen. Sido schien den 14-49-Jährigen aus der Seele zu sprechen, als er sich für die Legalisierung von Cannabis aussprach. Allerdings sprachen sich auch die meisten der anwesenden Politiker dafür aus und konnten damit nicht punkten. Zwischenzeitlich konnte Sido sogar 61 % der „Wählerstimmen“ für sich verbuchen.

In „Absolute Mehrheit“ diskutieren Politiker, Prominente und Unbekannte verschiedene kontroverse Themen der Politik in insgesamt drei Runden; wer jeweils am wenigsten Anrufe erhält, scheidet aus, sofern er oder sie weniger als 5 % der Anrufe bekommt. Kann am Ende einer der drei verbleibenden Teilnehmer die absolute Mehrheit, also 50 % der Anrufer-Stimmen für sich gewinnen, erhält er den Jackpot von mindestens 100.000 Euro. Kann niemand die absolute Mehrheit erzielen, bleibt der Jackpot bestehen und wird mit der nächsten Sendung um weitere 100.000 Euro erweitert.

Sido hielt sich erstaunlich zurück - bei der Frage ob Cannabis legalisiert werden sollte, stritten vor allem das junge Gesicht der CDU, Jens Spahn, und die Linke-Politikerin Caren Lay miteinander. Sido schaltete sich nur mit wenigen knappen Sätzen zu Beginn und am Ende der Diskussion ein - und konnte auch nur das gängige Legalisierungs-Argument herunterbeten, Cannabis sei auch nicht gefährlicher als Alkohol. Binnen zehn Minuten verlor Sido acht Prozent der Stimmen - von anfangs 61 % blieben ihm nur 53 % als die Debatte um die Legalisierung endete. Seine verlorenen Prozente verteilten sich besonders auf Jens Spahn, der als gesundheitspolitischer Sprecher fundierte Kenntnisse hatte und auf den SPD-Mann Heinz Buschkowsky, der als Neuköllner Bezirksbürgermeister sozusagen an der Quelle des Problems sitzt und die Folgen von Drogenkonsum in seinem Bezirk genau beobachten kann.

Beim zweiten Thema - Sollte das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden? - gab Sido erneut nicht viel zum Besten, sondern provozierte lediglich mit der Frage, warum es überhaupt ein Mindestalter für das Wahlrecht geben müsse, denn, so seine These, wer wählen gehen wolle, hätte sich doch vorher ohnehin mit den Wahlprogrammen auseinandergesetzt. Deshalb sollten nach Meinung des 32-Jährigen auch Kinder wählen können, wenn sie sich für Politik interessierten. Der These wurde - natürlich - keine weitere Beachtung geschenkt. Später gab Sido auch ohne Umschweife zu, dass er die These von Spahn, es solle ein besonderes Wahlrecht für Familien geben, nicht „mitbekommen“ hat. Er hörte also nicht zu und redete weltfremden Unsinn. Trotzdem stiegen Sidos Umfragewerte auf 56,9 %.

Auch beim dritten Thema, der Frage, ob Managergehälter gesetzlich begrenzt werden sollten, konnte Sido, wo er denn überhaupt mal ein Wort von sich gab, ausschließlich mit Allgemeinplätzen aufwarten - und am Ende eingestehen, dass er von der Bedeutung des Wortes Neo-Liberalismus keine Ahnung hat - was allerdings auch auf den größten Teil der Zuschauer zutreffen dürfte, denn von den Zuschauern waren laut Informationen von DWDL „überdurchschnittlich viele“ jung. Am Schluss erreichte Sido 56,5 % der Zuschauer.

Das ist die Erklärung, wie Sido trotz Ahnungslosigkeit und frei von innovativen Gedanken die absolute Mehrheit der Zuschauer gewinnen konnte, wie es auch Bände spricht bezüglich der geistigen Reife der Zuschauer. Denn klar ist, dass Sido nicht mit Eloquenz, Engagement, Kompetenz oder irgendeinem anderen positiven Aspekt glänzen konnte, sondern nur durch seine Fans unter 25 punkten konnte. Der eigentliche Sieger des Abends hätte jedoch Jens Spahn heißen müssen - der junge CDU-Politiker konnte mit neuen Ideen und kompetenten Argumenten Eindruck machen und den Konservativen ein neues Gesicht geben. Bei dem Endergebnis kam Spahn auf 25,2 %. Dritte wurde Linke-Politikerin Caren Lay mit 18,3 %.