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Wärmebild-Drohnen: Technologie für den Tierschutz in der Stadt

von Portrait von Christine Pittermann Christine Pittermann
Veröffentlicht am 7. August 2020

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Normalerweise macht der Unternehmer Paul Gauselmann eher mit seinen geschäftlichen Projekten Schlagzeilen. Immerhin ist er der Inhaber eines milliardenschweren Glücksspielimperiums. Hin und wieder erregt der Merkur-Gründer aber auch mit seinem Engagement für den Umweltschutz Aufsehen. So spendete er kürzlich der Umweltaktivistin Karin Ortgies eine Drohne mit Wärmebildkamera, um Wildtiere auf Landwirtschaftsflächen zu orten. Auf diese Weise sollen junge Rehe und Hasen vor dem Mähdrescher gerettet werden. Einsatzgebiet des neuen Gerätes ist in und um Espelkamp, dem Unternehmenssitz der Gauselmann-Gruppe. Erste Tests mit der Drohne sollen schon erfolgreich verlaufen sein. Damit ist wieder einmal ein neues Anwendungsgebiet für die Drohnentechnologie im Tierschutz entstanden. Denn die kleinen Fluggeräte taugen nicht nur als Spielzeug für Tüftler und Hobbyfotografen. Mit den richtigen Anpassungen können sie für eine Vielzahl von Einsatzzwecken konfiguriert werden und so Tierschützer bei ihrer Arbeit unterstützen.

Gauselmann macht sich für Umweltschutz stark

Die Finanzierung des Drohnenprojekts in Espelkamp stellt nicht das erste Mal dar, dass Paul Gauselmann sich für den Umweltschutz stark macht. Bereits in der Vergangenheit hat er sich medienwirksam für den Naturschutz eingesetzt. Zu seinem 85. Geburtstag im August 2019 rief er eine Aktion ins Leben, bei der insgesamt 85.000 Bäume im Kreis Minden-Lübbecke gepflanzt werden sollen. Dort haben auch mehrere Unternehmen der Gauselmann-Gruppe ihren Sitz. Die Anzahl der Bäume wurde symbolisch gewählt: Für jedes Lebensjahr des Unternehmers sollen 1.000 Bäume gepflanzt werden. Damit möchte er dazu beitragen, für zukünftige Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen, so Gauselmann. Unter anderem sollen die Bäume die Trinkwasserversorgung in der Region verbessern und Kohlendioxid aus der Luft binden. Kritische Beobachter könnten sich durchaus fragen, wie viel Kalkül hinter solchen Aktionen steckt. Denn der Unternehmer, der die Gauselmann Gruppe und Merkur gegründet hat, dürfte seine Stellung unter anderem auch einer strategischen Denkweise zu verdanken haben. Und sicherlich ist es für ihn kein unerwünschter Nebeneffekt, wenn die Lokalzeitungen immer wieder positiv über sein wohltätiges Engagement berichten. Allerdings ist Gauselmann auch dafür bekannt, gerne neue Projekte anzustoßen und an vielen Fronten gleichzeitig tätig zu sein. In diesem Sinne dürfte es ihm also durchaus auch gefallen, abseits seines Hauptgeschäftes tätig zu werden.

Wärmebild-Drohnen im städtischen Raum

Wärmebild-Drohnen können nicht nur auf dem Land eingesetzt werden, um Tiere zu orten. Auch in Großstädten wie Köln könnte diese Technologie in der Zukunft angewendet werden, um Haustiere oder eingewanderte Wildtiere zu schützen. Erste Projekte dieser Art sind unter anderem in den USA gestartet worden. So können beispielsweise streunende Hunde und Katzen mithilfe von Drohnen geortet und zahlenmäßig erfasst werden. Darüber hinaus kann ihr Verhalten beobachtet und überwacht werden. Eine Reihe von Dokumentarfilmen zeigt unter dem Titel „Operation Houston: Stray Dog City“ eindrucksvoll, wie in der texanischen Stadt Houston Drohnen und GPS-Technologie eingesetzt wurden, um streunende Hunde zu finden und ihnen zu helfen. Während in manchen Städten in den USA oder Osteuropa unzählige herrenlose Hunde unterwegs sind, haben deutsche Städte dieses Problem gut im Griff. Herrenlose Hunde werden in der Regel nach kurzer Zeit eingefangen und in ein Tierheim verbracht. Drohnen könnten aber auch hierzulande dazu beitragen, diesen Prozess schneller und effizienter zu gestalten.

Auch entlaufene Haustiere könnten in Zukunft möglicherweise mit Hilfe von Drohnen einfacher gefunden werden. Denn in jeder Stadt gibt es auch Gebiete, die für Menschen schwer zugänglich sind. Gebüsche in Parks oder verlassene Industriegelände könnten mithilfe von Drohnen abgesucht werden. Da in Deutschland Jahr für Jahr hunderttausende von Tieren weglaufen oder vermisst werden, dürfte die Nachfrage für eine solche Technologie durchaus gegeben sein. Schließlich ist es für die Halter von Hunden und Katzen meist ein herber Schlag, wenn ihre tierischen Begleiter auf einmal verschwunden sind. Dann scheuen sie weder Zeit noch Mühe, um ihre Gefährten wiederzufinden. Und noch ein kurioses Anwendungsgebiet für Drohnen gibt es, das Haustieren zugutekommen könnte: Ein Hundehalter aus Zypern führte dieses Jahr während des Lockdowns seinen Hund per Drohne spazieren.

Drohnen schützen bedrohte Arten

Anderweitig werden Drohnen schon erfolgreich eingesetzt, um bedrohte Arten zu schützen. In Afrika helfen sie beispielsweise im Kampf gegen die Wilderei. Auch hier sind Wärmebild-Drohnen von besonderem Wert, da sie Tiere auch nachts orten können. Moderne Drohnen sind aber nicht nur mit Bildtechnologie ausgestattet, sondern verfügen auch über ausgefeilte Software. Sie können beispielsweise verschiedene Tierarten unterschieden. Und anhand der Körpertemperatur können sie sogar feststellen, wenn Tiere krank oder verletzt sind. Aber nicht nur Tiere, sondern auch Wilderer können mit solchen Wärmbildkameras geortet werden. Das ist besonders wichtig, weil diese oft nachts unterwegs sind. Von der Ortung bis zu erfolgreichen Maßnahmen im Kampf gegen die Wilderei kann es aber ein weiter Weg sein. Trotzdem könnten Wärmebild-Drohnen die Grundlage für neue Strategien auf diesem Gebiet schaffen.

Aber nicht nur im Kampf gegen die Wilderei ist es wichtig, Tiere in unzugänglichen Naturgebieten zu orten. Auch für die Forschung und für die Tierschutzpolitik ist es wichtig, sich einen Überblick über Populationen und über den Aufenthaltsort einzelner Tiere zu verschaffen. Bislang kamen hierfür oft Hubschrauber zum Einsatz, die nicht nur äußerst teuer sind. Sie verursachen auch jede Menge Lärm und werden so zu einer Belastung für die Tierwelt. Drohnen können Hubschrauber bei zahlreichen Aktivitäten problemlos ersetzen. Auch ganz besondere Forschungsprojekte können mithilfe von Drohnen realisiert werden. So ist es Forschern gelungen, Drohnen mitten in riesige Fledermausschwärme zu manövrieren und so neue Aussagen über das Flugverhalten der Tiere zu gewinnen.

Andernorts setzen Tierschützer Drohnen dazu ein, um Jägern etwas genauer auf die Finger zu schauen. In beliebten Jagdgebieten in den USA oder Australien suchen sie damit aus der Luft nach Jägern, die gegen Jagdregeln und Gesetze verstoßen. Mögliche Verstöße werden bei den Behörden angezeigt, das entsprechende Beweismaterial wird gleich mitgeliefert. Dabei geht es nicht immer nur um die Jagd selbst. Tierschützer haben auch schon Anzeigen wegen Drogenkonsums oder wegen Verstößen gegen die Abstandsregeln unter Jägern aufgegeben.  Das sorgt für Spannungen zwischen Jägern und ihren Überwachern. Immer wieder kommt es zu Schüssen auf die Drohnen und teilweise zu erheblichen Schäden.

Grenzen der Drohnentechnologie

Die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen für den Tierschutz sind also vielfältig – sowohl in der Stadt als auch auf dem Land und in der Wildnis. Trotzdem haben die Geräte auch ihre Grenzen. In Städten ist es nicht immer möglich, Tiere mithilfe der Wärmebildtechnologie aufzuspüren. Denn die Wärmesignatur von Gebäuden, Autos und Menschen kann in dicht besiedelten Gebieten ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Auch rechtliche Vorgaben können der Nutzung von Drohnen im Weg stehen. Drohnen mit einem Gewicht unter zwei Kilogramm können zwar grundsätzlich von jedem bedient werden. Allerdings gibt es bislang zahlreiche empfindliche Einschränkungen. So sind Nachtflüge in Deutschland nur mit einer vorherigen Sondergenehmigung erlaubt. Außerdem ist das Überfliegen von Wohngrundstücken verboten, sofern Eigentümer und Mieter nicht ihre ausdrückliche Zustimmung erteilt haben. Allein das ist genug, um vielen Einsatzmöglichkeiten für Drohnen einen Riegel vorzuschieben. Auch Flüge, bei denen die Drohne außer Sichtweite gerät, können problematisch sein und bedürfen unter Umständen einer besonderen Genehmigung. Zumindest in der Bundesrepublik gibt es daher noch viele Hürden zu überwinden, bis Drohnen im Stadtgebiet für den Tierschutz eingesetzt werden können.

Auf dem Land oder in der freien Natur gibt es deutlich weniger Einschränkungen. Allerdings gilt es auch dort, die Privatsphäre anderer Menschen zu achten. Außerdem sind in Deutschland Flüge über Naturschutzgebieten verboten. Denn die Lärmbelästigung durch Drohnen kann für viele Tierarten zum Problem werden. Gerade Jungtiere können durch die ungewohnten Flugobjekte verängstigt werden. So nützlich Drohnen also für den Tier- und Umweltschutz sind, sollte ihr Einsatz immer unter sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiken erfolgen. Dann können sie dazu beitragen, nicht nur das Leben der Menschen, sondern auch das der Tiere etwas einfacher zu machen.