Profi-Fußball und Gesellschaft: Wir brauchen schwule Vorbilder!
Veröffentlicht am 11. Juli 2014
Bis die sexuelle Orientierung eines Menschen für unseren Umgang mit ihm unerheblich wird, ist es noch ein langer Weg. Dabei brauchen wir schwule Vorbilder, auch und gerade im Profi-Fußball.
Es ist erst zwanzig Jahre her, dass der Paragraph 175 ersatzlos gestrichen wurde. Seitdem hat sich in der gesellschaftlichen Sichtweise auf Homosexuelle einiges getan. Selbst höchste staatliche Positionen stehen Homosexuellen heute offen. Das mutige Coming Out von Klaus Wowereit 2001 war ein Meilenstein dieser Entwicklung. Auch Guido Westerwelle setzte als Außenminister wichtige und selbstbewusste Zeichen, gerade gegenüber jenen Staaten, die Homosexuelle noch heute systematisch diskriminieren und verfolgen.
Doch auch in Deutschland gibt es jenseits aller Political Correctness weite Teile der Gesellschaft, in denen Schwule noch immer aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen Neigung Nachteile erfahren. Sei es im Adoptionsrecht, auf der Karriereleiter oder im Schützenverein. Besonders heikel aber ist die Lage auf dem Platz. Wie selten sonst ist gerade im Fußball Homosexualität noch immer vollkommen tabu. Warum hat – fast 15 Jahre nach Wowereits „Ich bin schwul, und das ist auch gut so!“ – noch kein einziger schwuler aktiver Bundesliga-Profi seine Homosexualität öffentlich gemacht? Im Stadion dominieren bis heute die althergebrachten streng heterosexuellen Männlichkeitsinszenierungen, in der Umkleide genau wie auf den Rängen.
Der DFB hat gerade unter seinem früheren Präsidenten Theo Zwanziger wichtige Schritte in die richtige Richtung unternommen, doch offizielle Kampagnen sind das Eine. Was wir im Profi-Sport dringend brauchen, sind authentische Vorbilder wie Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, die zeigen, wie normal, wie unerheblich es ist, schwul zu sein. Bis zu seinem Coming Out Anfang des Jahres hat seine Sexualität niemanden interessiert. Denn entscheidend ist auf‘m Platz.
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Dass wir uns als liberale Gesellschaft weiterentwickeln, liegt aber nicht nur an schwulen Fußballspielern. Jeder einzelne von uns kann dazu beitragen und ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem es möglich ist, seine Sexualität zu bekennen, so man dies möchte, und öffentlich für seine Gefühle und für seine Rechte einzustehen, ohne negative Folgen zu fürchten. Wir müssen bei uns selbst anfangen.
Keine Sorge, kein Mann, der auf Frauen steht, muss schwul werden. Aber es sind unsere Beleidigungen in der Umkleide, auf der Tribüne und am Stammtisch, es sind die kleinen Blicke, die unbedachten Sprüche im Büro, die Schwulen-Witze in der Teeküche, mit denen wir es Menschen wie Thomas Hitzlsperger und manchem seiner Kollegen schwermachen, ihren Mann zu stehen – in unserer Gesellschaft und auf’m Platz.