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Energieversorgung: Wie Bauherren von fossilen Brennstoffen unabhängig werden

von Portrait von Christine Pittermann Christine Pittermann
Veröffentlicht am 25. April 2022

Immer höhere CO2-Abgaben, steigende Förderkosten und verhängte Sanktionen: Seit 2020 wird Energie zusehends teurer. Für die jährliche Versorgung eines deutschen Musterhaushalts fallen laut Check24 mittlerweile über 7.200 Euro an. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind die Jahreskosten allein im März 2022 um etwa 80 Prozent gestiegen. Angesichts dieser Entwicklungen können deutsche Endverbraucher noch so viel Strom sparen: Entspannung ist trotzdem nicht in Sicht. Wie sollen Immobilieneigentümer da noch die finanzielle Kontrolle bewahren? Indem sie sich von fossilen Energieträgern unabhängig machen, raten Experten.

Steigende Energiepreise, Wärmewende und Sanierungspflicht: Deshalb lohnt Energieautarkie

Im Hinblick auf die Stromkosten gilt die Bundesrepublik aufgrund der erhobenen Verbrauchsteuer schon lange als teuerstes Land der Welt. Mittlerweile geht nicht nur die Energie aus der Steckdose ins Geld. Seit dem Ukraine-Krieg und den damit einhergegangenen Sanktionen gegen Russland ist Wärmeenergie eine noch wesentlichere Belastung. Zur Wärmewende drängt die Bundesregierung schon seit Jahren. Bis spätestens 2050 will Deutschland im Einklang mit den Zielen der EU-Kommission annähernde Klimaneutralität innerhalb des Wohnsektors erreichen. Dies ist ein ambitioniertes Vorhaben, denn ein nicht zu unterschätzender Anteil des deutschen Gebäudebestandes zählt noch immer zu den niedrigsten Energieeffizienzklassen F, G und H. Wegen fehlender Dämmmaßnahmen und ineffizienter Heizsysteme geht gerade in bundeseigenen Altbauten bei hohem CO2-Ausstoß vergleichsweise viel Wärme verloren. Zur Wärmewende bleibt der Umstieg auf umweltfreundliche Heiztechnologien wie Wärmepumpen unabdinglich. Faktoren wie die Dämmeigenschaften beeinflussen wiederum, wie wirtschaftlich diese Heizsysteme Umgebungswärme nutzen können. Daher liegt ein Fokus der Bundesrepublik weiterhin auf energetischer Sanierung. Sogar eine Sanierungspflicht für bestimmte Altbauten ist nach dahingehenden Vorstößen der EU-Kommission im Gespräch. Nicht nur durch die steigenden Energiepreise, sondern auch vor Hintergründen wie diesem wird Energieautarkie für Bauherren immer interessanter.

Experten-Tipp zu energieautarken Immobilien

Bei Maßnahmen mit dem Ziel der Energieautarkie geht es sowohl um Energieerzeugung als auch Energieverbrauch. Schon Wasser- und Stromsparen reduzieren zum Beispiel das Ausmaß der energetischen Abhängigkeit. Beste Ausgangsbedingungen für Energieautarkie schaffen Kombination damit:

- eine angemessene Dämmung

- der Austausch alter Heizpumpen

- ein hydraulischer Abgleich

- Rahmenbedingungen: Was für energieautarke Bauten wichtig ist

Energieautarke Häuser verbrauchen jährlich rund sieben Kilowattstunden Primärenergie pro Quadratmeter. Dadurch bewegen sie sich weit unter dem in der Energieeinsparverordnung (EnEV) definierten Einfamilienhaus-Standard. Das gesamte Jahr lang versorgen sie sich bei diesem geringen Energiebedarf selbst, wobei sie ausschließlich grüne Energie – in der Regel Solarenergie – nutzen. Damit Bauvorhaben einen möglichst hohen Grad an Energieautarkie erreichen, müssen Bauherren bei der Wahl des Grundstücks und der Bauplanung auf bestimmte Rahmenbedingungen achten. Beachtenswert sind in dieser Hinsicht vor allem

- eine Grundstücksgröße von mindestens 500 Quadratmetern.

- ein verschattungsfreier Baugrund bzw. verschattungsfreies Dach.

- die richtige Bodenbeschaffenheit und kommunale Bewilligung (bei geothermischen Erdbohrungen).

- das Erfordernis einer unbebauten, eingeschränkt bepflanzten Freifläche mit der mindestens doppelten Größe der zu beheizenden Wohnfläche (bei Erdwärmekollektoren).

- die optimale Abstimmung Dachfläche der auf die Klimazone, Lage und Sonneneinstrahlung (Solarenergie).

- der Platzbedarf von Langzeitwärmespeichern und Akkus.

- eine Dreifachverglasung der Fenster.

- die Dämmung des Fassaden- und Dachbereichs.

- eine 30-prozentige Abweichung der Firstlinie (Ost-West-Richtung).

- intelligente Lichtkonzepte für die Räume.

Auch abgesehen vom Grundstück und der Bauplanung müssen die Bedingungen stimmen. Ein großzügiger finanzieller Rahmen erleichtert Energieautarkie. Wer vor hohen Anfangsinvestitionen zurückschreckt, muss von dem Plan eventuell ablassen. Nahezu eine halbe Million Euro kostet der Bau eines rund 90 Prozent autarken Eigenheims. Angesichts der künftig eingesparten Energiekosten rechnen sich energieautarke Bauten trotz des zunächst herausfordernden Investitionsbedarfs aus finanzieller Sicht.

Alternativen: Statt Energieautarkie kostengünstigere Energiesparhäuser

Vollständige Energieautarkie ist wegen der hohen Anfangskosten und des Bauaufwands für die Mehrheit aller Bundesbürger nicht realistisch. Viele entscheiden sich stattdessen für Energiesparhäuser wie beispielsweise

- das Energieeffizienzhaus, das sich durch geringen Verbrauch extern bezogener Energie auszeichnet und neben Dreifachverglasung sowie speziellen Dämmstoffen meist eine Photovoltaik-Anlage beinhaltet.

- das Passivhaus, dessen Energieverbrauchswert nahezu null beträgt und den Energieeffizienzhaus-Standard mit intelligenter Lüftungs- und Heizungstechnik ergänzt, wodurch darin bis zu 80 Prozent weniger geheizt werden muss.

- das Nullenergiehaus, dessen externer Energiebezug und eigene Energieproduktion einander im Jahresdurchschnitt rechnerisch ausgleichen.

- das Plusenergiehaus, das mehr Energie produziert als verbraucht und den Überschuss ins gegen Vergütung öffentliche Netz einspeist.

Neubauten innerhalb der Europäischen Union bewegen sich seit einiger Zeit grundsätzlich nahe der Nullenergiehaus-Grenze. Wirklich energieautarke Häuser gibt es bundesweit dagegen noch immer nur wenige hundert.