Doping-Lebenslüge: Jan Ullrich beichtet zum ersten Mal und viel zu spät

von Portrait von Marlon Kumar Marlon Kumar
Veröffentlicht am 24. Juni 2013

Der deutsche Tour-De-France Sieger und frühere Radsportheld Jan Ullrich, der bereits seit 16 Monaten des Dopings verurteilt ist, gibt zum ersten Mal ein öffentliches (Teil-)Geständnis ab. Ullrich bestätigt, sich beim spanischen Arzt Eufemiano Fuentes Blutdoping-Behandlungen unterzogen zu haben. Damit verlässt Ullrich den üppigen Radler-Flohmarkt, der schon längst überfälligen, aber noch ohne Geständnis verweilenden Scharlatane und betritt offiziell die zwielichtige Halle der absurden Radsport-Geschichte, in der unter anderem groteske Karrieren wie die von Radler-Legenden Erik Zabel und Lance Armstrong, sowie eigentlich dem ganzen Rest der Profiradsportler dokumentiert sind.

Sein Eingeständnis: "Ja, ich habe Fuentes-Behandlungen in Anspruch genommen" kommt ungefähr so unverhofft wie die Überraschung aus diesen ulkigen Schokoladen-Eiern. Aber spielt ja letztendlich sowieso keine Rolle. Auch Ullrich scheint unbekümmert und betont, er selbst hätte doch nur für Chancengleichheit sorgen wollen. Wozu also die ganze Aufregung? Selbst Mittelchen wie Epo sind doch heutzutage alltäglich. Dann geht das selbstverständlich in Ordnung. Wäre schließlich auch unfair, wenn er der einzige, rechtschaffende Teilnehmer der Tour-De-France gewesen wäre. Man will den anderen ja keine Schuld in die Schuhe schieben und nachher als Aushängeschild des legalen Radsports dienen und im Rampenlicht stehen. Dem kann Lance Armstrong nur zustimmen und verkündet per Twitter: "Jan Ullrich? Ein warmherziger Mann. Ein erstaunlicher Athlet. Ein großer Wettkämpfer. Ich habe es geliebt, mit Dir den Ton anzugeben, mein Freund." Ich kann mich dem Beifall nur anschließen. Ullrich hat heldenhaft mit seinem sehr frühen Geständnis und dem jetzt bekannt gewordenen Ideal eines egalitären Wettkampfs gehandelt. Zwei Pioniere im Museum der Doping-Skandale geben sich freundschaftlich die Hand. Ich meine wäre ihre Laufbahn als Radprofis nicht so unglücklich verlaufen, könnten mir bei Lance Armstrongs netten Worten beinahe Tränen der Rührung kommen.

Dann ist da noch diese Sache mit den staatlichen Ermittlern und Dopingfahndern, die wissenschaftlich Ullrichs Eklat bewiesen. Jan Ullrich darf seinen Ruf als Radsport-Held nicht wegen einer lächerlichen Doping-Eskapade verunglimpfen. Nein, viele Jahre muss starrsinnig geleugnet werden, dass er Fuentes gar nicht erst kenne. Anwälte werden eingeschaltet und versuchen sich in einem aussichtlosen Prozess. Ullrich nimmt nicht die ganze Schuld auf sich und versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist: Er habe lediglich mit Eigenblut gedopt – mehr war nicht im Spiel. Wer soll ihm das abkaufen? Vor allem, wenn der ehemalige Betreuer des Telekom-Teams Jef d' Hont vor drei Jahren felsenfest behauptete: "Jan hat Epo genommen und Wachstumshormone, hundert Prozent sicher".

Ullrichs Geständnis ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die ruhmreichen Zeiten des Radsports sind vor vielen Jahren gestorben. Laut Ullrich wurde Lance Armstrong jahrelang von korrupten Radsport-Verbänden beschützt. Was wäre es für eine Schande für den Radsport, wenn ausgerechnet Koryphäe Armstrong, der so viele Menschen inspirierte, ein Betrüger wäre. Niemand würde den Sport mehr ernst nehmen. Und so stieg Armstrong unter dem Deckmantel offizieller Institutionen zur Ikone auf. Dabei sollten genau diese Taten das Ende des Radsports bedeuten: Wer kann die Tour-De-France heute überhaupt noch ernst nehmen, wenn die größten Idole nichts weiter als Betrüger sind?