„I'm OK“: Yu Jinyoung macht unsichtbare Menschen

von Portrait von Stefanie Raupach Stefanie Raupach
Veröffentlicht am 2. September 2013

Im Halbdunkel flankiert von geisterhaften Erscheinungen, eröffnet der Durchgang im oberen Geschoss der Choi & Lager Gallery dem Besucher die Begegnung mit der neuen Skulpturenserie „I'm OK“ der in Seoul (Süd-Korea) lebenden Künstlerin Jinyoung Yu. Ihre erste Ausstellung in Deutschland zeigt begleitend zu den transparenten Figuren, ihren 'unsichtbaren Menschen', Konstruktionszeichnungen und einnehmende Fotografien.

Im kleinen Raum über dem Galerieeingang stellt sich dem Betrachter eine sechsköpfige Figurengruppe entgegen. Unterstützt durch Spotlights auf die kindlichen Gesichter, funkeln einen hier die tränenschwimmenden Augen von jungen Mädchen unnachgiebig an.

Tiefe Traurigkeit hat die perfekten Gesichtszüge der Asiatinnen zerstört: Hier ist eine Lippe aufgeplatzt und dort ziehen sich Schwellungen über die Stirn. Wie sie vor einem stehen, mit schüchtern nach innen gedrehten Knien und schmollenden Mündern, wecken die Skulpturen sofort Mitleid und den Wunsch zu helfen.

Yu Jinyoung: Porzellan und Plastik

Doch sobald die erste Empathiewelle verebbt, macht sich auch Verwirrung breit, denn die Mimik der Mädchen hat durch ihre Intensität etwas Theatralisches und lässt sie wie Masken erscheinen. Wie die Hände und bestrumpften Beine sind die Gesichter sichtbare Fragmente eines Körpers, der sich im Raum kaum materialisiert. Obwohl vollkommen durchsichtig, verbirgt ihr PVC-Körper in Verbindung mit den naturalistischen Mimiken so mehr von den Figuren, als er offenlegt. Denn er gibt nur so viel preis, wie er zeigen will: Die blauen Flecken und Risse sind an vielen Stellen als Sonnenblumen und bunte Schatten von Blüten getarnt und kaschieren so die Verletzungen. Eine im transparenten Brustkorb eingeschlossene Hand mit festumklammerter Blüte zeigt sich dem Betrachter als Symbol für die Sehnsucht nach Trost.

Auf verschiedene Weise wehren sich die Plastiken so mit dem Zeigen und Verbergen ihres Inneren, bewaffnet mit einem Repertoire an plakativ lächelnden Masken und grinsenden Puppen, gegen jede Festlegung. Das Mitleid des Betrachters trifft auf Widerstand und läuft ins Leere.

Ähnlich der Kunst der japanischen Künstlerstars Takashi Murakami oder Yoshitomo Nara, reibt sich die blümchengespickte asiatische Popkultur so an einem irritierenden Moment. Hier jedoch verwandelt sich kein Mangamäuschen in ein zähnefletschendes Monster. Der Bruch in Yus Kunst tut sich vielmehr auf in der Verbindung zwischen knalliger Pop-Ästhetik und tiefer Traurigkeit, zwischen virtuoser Handarbeit, mit der die Künstlerin die Porzellangesichter und– blumen angefertigt hat, und dem Plastik der Körper. Vorgeschützte Fröhlichkeit und innere Verletzlichkeit zeigen sich so als zwei Pole von vielen Manifestationsformen.

In ihrer Kunst setzt sich Yu mit ihrer eigenen Schüchternheit auseinander. Indem sie allerdings auch die Projektionsfläche bekannter Klischees zur Diskussion stellt, verweist die Serie darüber hinaus auf weitere gesellschaftspolitische Zusammenhänge.

Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 07.09.2013 in der Choi & Lager Gallery, Wormserstrasse 23, Köln 50677. Geöffnet ist Mittwoch bis Freitag 11–13 Uhr, 14–18 Uhr und Samstag 12–16 Uhr.