Genozid oder Heldenmut - Wofür Buchenwald im Gedächtnis bleiben sollte
Veröffentlicht am 4. September 2012
Goethe besuchte gern den Ettersberg bei Weimar. Aber etliche Juden fürchteten ihn. In den knapp acht Jahren in denen dort das Konzentrationslager Buchenwald betrieben wurde, kamen etwa 56.000 Menschen dort ums Leben. Und noch einmal 7.000 nachdem die Sowjets das Lager nach Kriegsende übernommen hatten. Zu DDR-Zeiten wurde das Lager zu der Gedenkstätte umfunktioniert, die es noch heute ist. Nun soll die Gedenkstätte als Weltkulturerbe auf die UNESCO-Liste gesetzt werden. Aber es regt sich heftiger Widerspruch - darf ein Ort des Grauens wie das ehemalige Konzentrationslager als wertvoll für die Nachwelt eingestuft werden? Die Geister scheiden sich. Einerseits ist grade Weimar als kulturelle Stadt zwiegespalten, weil so viel deutsche Kultur und Geschichte sich dort überhaupt erst entwickelte und mit Buchenwald ein beeindruckender Kontrast entsteht, der zeigt, dass auch in einer Kulturhochburg wie Weimar nicht nur Gutes geschehen ist. Andererseits würde man einen Ort der Folter und des Massenmordes als kulturell wichtig einstufen. Die „Welt“ berichtet:
Das Motiv der Initiatoren ist verständlich, sie wollen deutlich machen, dass die Moderne auch die Barbarei hervorgebracht hat und dass Buchenwald kein Zufall war, sondern den Bruch von Zivilisation in einem zivilisierten Land darstellte. Aber Buchenwald gehört einfach nicht in die Reihe Dom zu Speyer, Völklinger Hütte, Museumsinsel Berlin, Schloss Versailles, Canal du Midi, Zentrum von Siena, Castel del Monte, Hadriansvilla und Val d’Orcia. mehr...
Ein verständlicher Einwand. Die Befürworter hingegen werden sich auf den vierten der insgesamt sechs Punkte berufen, die eine Ernennung zum Weltkulturerbe rechtfertigen. In diesem Punkt heißt es: „Die Güter stellen ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften dar, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen“. In der Tat ist Buchenwald ein Beispiel für einen bestimmten Gebäudetypus dar, der einen wichtigen Abschnitt deutscher Geschichte versinnbildlicht. „Welt“ meint allerdings:
Damit sind allerdings positive Errungenschaften und nicht Großtaten der Barbarei gemeint. Gelänge der Coup, wäre er ein Beispiel für das Erschleichen einer Auszeichnung.
Tatsächlich? Erschlichen wird hier eigentlich nichts und auch ist nicht ganz korrekt, dass ausschließlich positive Errungenschaften gewürdigt werden - eine unmittelbar positive Errungenschaft ist keine Voraussetzung für eine Aufnahme in die Liste. Immerhin gehört auch das KZ Auschwitz zum Weltkulturerbe - und zwar schon seit 1979. Und auch der obergermanisch-raetische Limes ist eher ein Sinnbild für kriegerische Aktivitäten und das alles verschlingende römische Reich, als für positive Errungenschaften.
Ja, zuweilen verdrehen wir unsere Aufarbeitung der Nazi-Zeit etwas und machen Gedenkstätten wie Buchenwald zu einem Ort, an dem wir als Volk gewachsen sind, an dem wir aus Fehlern lernen und Sühne leisten. Aber ist diese Möglichkeit der Aufarbeitung zwingend auch ein Weltkulturerbe, das es zu erhalten gilt? Was ist ein KZ? - Ein schrecklicher Ort, an dem furchtbare Dinge geschehen sind, die man als rundweg schlecht bezeichnen und deswegen nicht als Weltkulturerbe bezeichnen darf? Oder ein Ort, der nicht in Vergessenheit geraten darf, grade wegen der Dinge, die dort geschehen sind? Es ist keine Frage der Moral, des Anstandes oder des Blickwinkels. Es ist allein eine Frage der Definition. Wie die UNESCO sich entscheidet wird sich 2017 zeigen - ab dann könnte die Gedenkstätte Buchenwald mit zum Weltkulturerbe gehören.