In den Zeiten der Krise...
Veröffentlicht am 7. Dezember 2011
Seine erste Filmrolle hatte Ben Affleck als Neunjähriger in einem Drama namens „The Dark End Of The Road“. Der Film war so schlecht, dass er nicht einmal auf Video erschien. Das war 1981. 30 Jahre später hat er einen Oscar und einen Golden Globe gewonnen und ist Träger 19 weiterer Filmpreise. Sein Regiedebüt „Gone Baby Gone“ von 2007 war einer der besten Filme des Jahres und bekam sogar eine Oscar-Nominierung für die beste weibliche Nebenrolle. Wobei - „Gone Baby Gone“ ist nicht wirklich das Regiedebüt von Ben Affleck gewesen. 1993 hatte er einen Kurzfilm gedreht, der den famosen Titel trug: „I Killed My Lesbian Wife, Hung Her On A Meat Hook, And Now I Have A Three-Picture Deal At Disney“. Aber Filme, die man mit 20 Jahren dreht, gelten nicht.
Für „Company Men“ nahm Ben Affleck nicht im Regiestuhl Platz, sondern überließ diesen Job John Wells, der bisher nur eine handvoll Serienepisoden gedreht hat und sich sonst als ausführender Produzent von kleineren Filmen wie „One Hour Photo“ und „I'm Not There“ betätigt. „Company Men“ wurde auch nicht unbedingt vom Publikum gefeiert, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass der Film seinen Charakteren zu viel aufbürdet.
Bobby Walker (Ben Affleck) ist gut dran: Er fährt einen schicken Porsche, wohnt in einem schicken Haus mit zwei Garagen und hat eine Frau und zwei Kinder. Jahresgehalt: 160.000 Dollar. Doch dann kommt der Herbst. 15. September 2008: Die Finanzkrise erreicht ihren Höhepunkt, als Lehman Brothers Insolvenz beantragt. Eine landes- und schließlich weltweite Rezession ist die Folge. 18. September 2008: Der Kurs der Firmenaktie eines großen Multikonzerns soll gepusht werden. Einsparungen sind die Folge und schon muss Bobby seinen Schreibtisch räumen. Seinem älteren Kollegen Phil (Chris Cooper) ergeht es nicht anders. Und auch Gene (Tommy Lee Jones) muss seinen Hut nehmen. Wie geht man mit so einem Tiefschlag um? Was, wenn man plötzlich den Porsche verkaufen und die Raten für den Golfclub aussetzen muss? Und was, wenn es nicht besser wird? Was, wenn man mit der Hypothek in Verzug gerät und die Studiengebühren seiner Kinder nicht mehr bezahlen kann? Jeden Tag sitzt Bobby bei Bewerbungsgesprächen zwischen Dutzenden ehemaliger Kollegen und hofft, sie ausstechen zu können, während sich sein ehemaliger Boss einen neuen Wolkenkratzer baut und 600 Millionen Dollar durch den Anstieg der Aktie verdient. Die Wirtschaftskrise fordert einen hohen Tribut von jenen, die nicht in den Chefsesseln sitzen. Jeder geht das Problem anders an. Aber eines ist klar: Etwas muss sich ändern – im Land und in den Köpfen der Männer.
John Wells hatte das Drehbuch für „Company Men“ schon in den 90ern geschrieben, als die letzte große Rezession die USA erfasst hatte. Er spielte mit dem Gedanken, es verfilmen zu lassen, legte es dann aber doch in die Schublade und produzierte stattdessen einige Serien, darunter „Emergency Room“, die mit 23 Emmys und einem Golden Globe zu den erfolgreichsten Serien aller Zeiten zählte. Inzwischen reifte das Projekt „Company Men“ langsam. Schlussendlich wurde es ein Cast, der sich sehen lassen kann – vier Oscar-Gewinner konnte Wells ins Boot holen: Kevin Costner, Tommy Lee Jones, Ben Affleck und Chris Cooper („Adaption“, „American Beauty“) . Außerdem sind auch Maria Bello („A History Of Violence“, „The Cooler“) und Craig T. Nelson („Poltergeist“, „Im Auftrag des Teufels“) mit dabei.
Trotz großem Cast konnte „Company Men“ sein Budget von 15 Millionen Dollar in den USA nicht einmal annähernd wieder einspielen. Vielleicht liegt das an der scheinbar überzeichneten Story. Dass Bobby Walker seinen Job verliert ist plausibel, dass er seinen Porsche verkaufen muss auch. Seine Frau fängt wieder an zu arbeiten und auch die Mitgliedschaft im Golfclub wird gekündigt. Dass die beiden aber ihr Haus verkaufen müssen (in einer Wirtschaftskrise, die ihren Ursprung in der Immobilienbranche hatte) und Bobby als Tischler arbeiten muss, erscheint doch arg überzeichnet. Zumindest für jene 90 %, die von der Finanzkrise nicht betroffen waren. In der Tat gab es Schicksale wie das von Bobby Walker, aber sie waren eher die Seltenheit. Trotzdem ist es sinnvoll, grade ein so extremes Beispiel für das Drehbuch heranzuziehen.
„Lieber Gott, bitte mach' das mein Dad einen Job kriegt, damit er nicht immer so traurig ist.“
In einer eindrucksvollen aber leider herausgeschnittenen Szene versucht Phil (Chris Cooper) einen Job als Pizzafahrer zu bekommen – und wird abgelehnt, weil der Manager einen Schüler für den Job haben möchte und keinen 50jährigen Anzugträger mit Aktentasche. In einer anderen Szene erklärt Phil, dass er nicht vor sechs Uhr nach Hause kommen darf und seine Frau ihn zwingt, seine Aktentasche mitzunehmen, damit die Nachbarn nicht bemerken, dass er arbeitslos ist. Und hier zeigt sich auch die Crux von „Company Men“: Die Hauptcharaktere sind zu durchschnittliche Typen, die in ein zu überforderndes Dilemma geworfen werden. Natürlich würde es jeden Großverdiener überfordern, plötzlich gefeuert zu werden, aber unser Hauptheld Bobby Walker wirkt schnell passiv, weil er so wenig Einfluss auf das hat, was mit ihm geschieht. Gene (Tommy Lee Jones) kämpft natürlich auch mit der neuen Lebenssituation, aber an ihm wird die Tragweite der Entlassungen nicht deutlich, weil er keine finanziellen Konsequenzen zu tragen hat. Für ihn ist es ein reiner Machtverlust – eine Herabstufung in der Hierarchie und sonst nichts. Aber auch nach der Entlassung wird er in verschiedene Vorstände berufen und hat letztlich kaum Konsequenzen zu tragen.
Kevin Costner, der Bobbys Schwager spielt, ist ein einfacher Handwerker, der angesichts nach Asien verlagerter Jobs und Fehlkalkulationen nur den Kopf schütteln kann. Er hat täglich zu kämpfen und muss auch am Wochenende arbeiten, damit er in der Rezession keinen Verlust einfährt. Und an seinem Beispiel, an seiner einfachen, im Ergebnis sichtbaren Arbeit, zeigt er sich dann - der moralische Vorschlaghammer, den Regisseur John Wells plakativ inszeniert hat: einfache Arbeit ist gut, Zahlen hin und her schieben ist schlecht. Zeit mit Familie verbringen ist gut, karriere-geil zu sein ist schlecht.
Sich durch eine Kündigung notgedrungen auf echte, menschliche Werte zu besinnen und sich mit seinen Mitmenschen zu befassen, statt dem noch größeren Deal hinterherzueifern ist zwar eine lobenswerte Prämisse und sie trifft zweifellos auch zu, aber John Wells machte aus seiner kleinen Geschichte über große Schicksale eine Art abendfüllenden Werbespot für Menschlichkeit und Nächstenliebe, in dem gut und böse zu klar voneinander getrennt sind, als dass es real wirken könnte. Erschwerend kommt hinzu, dass nach Bobby Walkers Entlassung eine Stunde lang gar nichts mit ihm passiert – er ist dann eben einfach gefeuert und versucht, wieder einen Job zu finden. Bevor er aber wirklich aktiv wird und Konsequenzen aus seiner Kündigung zieht, vergeht zu viel Zeit.
Der eigentliche Star des Films, auch in schauspielerischer Hinsicht, ist Chris Cooper. Nachdem er mit „American Beauty“ 1999 seinen großen Durchbruch hatte, bekam er für „Adaption“ einen Oscar als beste männliche Nebenrolle. Für „Company Men“ übernahm er die Rolle des Phil Woodward, der seine Karriere als Schweißer in einer Werft begann und sich von da aus nach oben arbeitete. Als er entlassen wird, ist er ein gebrochener Mann, der ebenso wie Bobby Walker zu Bewerbungsgesprächen geht und hofft, sein Leben irgendwie fortsetzen zu können, doch er hat keinen Rückhalt wie Bobby. So ist der Verfall des einst erfolgreichen Geschäftsmannes das Eindrucksvollste an „Company Men“ - ein nett gemeinter Film mit großen Schauspielern, der schlechte Zeiten stilvoll einfängt, aber seine Botschaft zu plump hochwürgt. Lieber noch einmal "Top Dogs" lesen. Wer dasselbe Thema lustig sehen möchte: "Dick & Jane" mit Jim Carrey und Alec Baldwin ansehen!
Ab 9. Dezember 2011 gibt es die DVD und die Blu-ray im Handel. Die DVD bietet an Bonusmaterial ein Making Of, ein deutsch untertiteltes Regiekommentar von Autor, Produzent und Regisseur John Wells, ein alternatives Ende und geschnittene Szenen sowie ein paar Trailer.
„Company Men“ mutet seinen Figuren viel zu