"Wetten, dass..?": "Ballermann Edition" - Unterhaltung auf niedrigem Niveau

von Portrait von Marlon Kumar Marlon Kumar
Veröffentlicht am 10. Juni 2013

Die unter Frank Elstner und Thomas Gottschalk einst so ruhmreiche deutsche Live-Show "Wetten, dass..?" verkommt zum banalisierten Mittagsfernsehen und verliert deutlich an Zuschauern. Dabei hätte alles so schön werden können. Mit Prunk und Protz in Hülle und Fülle inszenierte der ZDF sein einstiges Kleinod der Fernsehlandschaft "Wetten, dass..?" in Palma de Mallorca. Martialischer Dreh- und Angelpunkt der Sendung war der Veranstaltungsort: Eine Stierkampfarena. Gern wurde sich in die totale Kameraperspektive geflüchtet, wenn die Damen und Herren dort unten auf der Couch zum Fremdschämen einluden. Nein, diese Austragungsstätte sollte zeigen: Wir Deutschen wissen wie Unterhaltung im Fernsehen aussehen muss. Pustekuchen!

Beim Einfahren spielte Moderator Markus Lanz Gladiator, jedoch ohne eine Spur von Epik. Betrachtet man den Inhalt der Show, hätte man keine bessere Kulisse wählen können: Das Ganze erinnerte an einen schnell zusammengeschusterten Hollywood Streifen, der gezielt kommerzielle Erfolge sucht und in dem bombastische Effekte die fehlende Essenz zumeist nicht kompensieren können. Wen kümmert's, hauptsache Einspielergebnisse in utopischen Höhen. Aber vorher noch schnell vehement mit einer Spendenaktion auf die Tränendrüse drücken und somit von der Sinnlosigkeit dieser Sendung ablenken, sowie die eigene Reputation ankurbeln. Was wiederum an ausbeutende "Global Player" erinnert, auf deren Produkte plötzlich Fair Trade Zeichen zu finden sind. Schade nur, dass der aufmerksame Zuschauer Lanz' Fürsorge nach all der spitzbübischen Blödelei nicht abkaufen kann. Alles nur Schein oder doch eine Spur Authentizität?

Markus Lanz war stellenweise mit inhaltlichen Diskrepanzen seiner Sendung überfordert, was verwunderlich ist, denn besagte Substanz gab es nicht. Wer zu diesem Zeitpunkt schon befürchtete, dass die neue Rundfunksteuer nur verwendet werde, um uns Deutsche weiter zu verblöden, der hätte jetzt am besten den Fernseher ausgeschaltet. Seine Unsicherheit versuchte Lanz mit pikanten Sprüchen zu kaschieren, sein groteskes Verhalten kulminierte dann in der pubertären Aufforderung, "Hollywoodstar" Gerard Butler (u.a. bekannt durch "300") solle sich doch bitte mehrere Eiswürfel in den Genitalbereich stecken und dabei Göthes Erlkönig rezitieren. Ein Gerard Butler, der sich neben einem gackernden Markus Lanz zum Affen macht, stellt dann doch einen intellektuellen Höhepunkt der deutschen Fernsehkultur dar. Das wurde dann selbst Stefan Raab und Michelle Hunziker zu bunt. Mit linguistischem Eifer erinnerte Butler an nationalsozialistische Redner unserer Vergangenheit, womit er den Spieß umdrehte und uns Deutsche auf die Schippe nahm. Clever. Womöglich sogar mit Tom Hanks, der sich unzählige Male über "Wetten, dass..?" mokierte, abgesprochen.

Lanz fehlte Witz, Charme und das Talent der Improvisation, um sich aus der Affäre zu ziehen. Während er den Unmut der angereisten Zuschauer auf sich nahm, riss Stefan Raab kurzerhand das Moderatorenzepter an sich und benutzte "Wetten, dass..?" als Marketing Plattform seiner neuen Erfindung "Doosh", einem Duschkopf für Frauen, bei dem die Haare trocken bleiben. Dabei zeigte Raab seine Qualitäten als Comedian und ließ den ZDF-Moderator alt aussehen: "Das war keine Schleichwerbung, das war Werbung", "Ich wollte kurz sagen: Ich bin nur Gast in dieser Sendung!" und an die schwangere Michelle Hunziker gewandt: "Berlusconi kann's nicht lassen, was?". Und um all dem noch die Krone aufzusetzen, nahm Deutschlands Aushängeschild der medialen Primitivität, die neureichen Geissens, auf der Couch Platz. Zwischendurch sorgten Musicacts wie Passenger für kurzzeitiges Aufatmen, konnten den angerichteten Schaden jedoch nicht mehr beheben. Kein Wunder, dass die Wetten alle physischer Natur waren und niemand sein Hirn anstrengen musste.

Die Live-Show aus Mallorca verfolgten nur noch 6,74 Millionen Zuschauer, damit rutschte sie erstmals unter die 7-Millionen-Marke. Im März waren es noch 7,43 Millionen Zuschauer. Bei der ersten Show mit Markus Lanz waren es immerhin noch 13,62 Millionen Schaulustige. So ist das einzig Positive, das wir aus dieser Sendung mitnehmen, die halbe Millionen Euro für die Hochwasseropfer.

Weitere Gäste: Paul Panzer, Jürgen Drews, Tim Toupet und Mickie Krause.