Laura Jansen Album-Kritik: "Elba" ist poetisch, romantisch und symbolträchtig

von Portrait von Marlon Kumar Marlon Kumar
Veröffentlicht am 16. Juli 2013

Poetisch, sanft, verträumt und melancholisch - mit lyrischer Wucht präsentiert die US-amerikanisch-niederländische Sängerin und Songschreiberin Laura Jansen ihr neues Album "Elba", benannt nach der Insel, auf dem Napoleon sein Exil verbrachte - und erinnert an eine sinnlich musizierende Elfe, die mit der Kraft ihres Gesangs und den geschwind klimpernden Piano-Patterns betört. Schon das herrlich verwunschene Design des Covers deutet auf märchenhafte Inhalte hin und könnte der Abdruck eines anmutigen, von hoher Weisheit und Intelligenz gesegneten Geschöpfs aus einem Fantasy–Roman sein. "Elba" ist ein Konglomerat versunkener Symbolik und Metaphorik und erfrischt die klischeebesudelte Epoche der Romantik mit modernen Sounds. Es ist ein herzerwärmendes Ornament einer jungen Frau, die ihre Wünsche und Illusionen aus einer kindlich naiven Perspektive in bedeutungsschwangeren Worten reflektiert. Kein Femme Fatale!

Das Album von Laura Jansen ist ruhig, langsam, bedächtig, wie ein König, dessen Behutsamkeit sich aus vielfältigem Wissen speist. Es ist nicht die klassische, catchige Pop-Produktion voller Ohrwürmer, die ständig durch den Replay-Button gefüttert werden will. Nein, keine Ohrwürmer, aber stattdessen sinniere ich über tiefe Wälder voll uralter Zedern und Kiefern, die untergehende, karmesinrote Sonne am Horizont, eine sternenreiche Düsternis am Firmament und kleine vom Wasser getragene Papierboote. Es ist ein mutiges Album, denn es finden sich übermäßig gemächliche Balladen, die nicht zum Bewegen animieren, sondern zum Träumen. Daher muss man gewarnt werden: Nicht kaufen, wenn man das Tanzbein schwingen möchte oder gerade gestresst von der Arbeit nach Hause kommt. Für dieses Release muss man meines Erachtens in der richtigen Stimmung sein. Vor allem, weil die schrillen, wehklagenden Lieder wie "Light Hits the Boom" und "Around the Sun" anstrengend sein können. Man muss sich Zeit und Muße nehmen, manche Songs vielleicht drei bis viermal hören, um endlich von ihrem Zauber umfangen zu werden.

Das schafft sie durch ihre poetischen Lyrics: Die beeindruckenden, dramatischen Geschichten mit denen ihre Songs verwoben sind, befördern uns in ein episches Feenreich und bieten teilweise sogar Spielraum für Interpretationen:

"[...]Burn down the prison within, It's not enough now to keep me in [...] crown me the queen of elba. I'm never coming home, hand me my sword and armor, I'm never coming home",

heißt es in der erfolgreichen Single "The Queen of Elba. Wie wir alle wissen verbrachte Napoleon sein Exil auf Elba. Wenn wir im Deutsch- oder Geschichtsunterricht säßen und diesen Song analysieren müssten, so könnte man meinen, dass Laura Jansen sich essentiell von ihrer eigenen Vergangenheit und alles was ihr Elend gebracht hat, verbannen bzw. trennen möchte, so dass sie die Kontrolle übernehmen und ihre Zukunft selbst entscheiden kann: Dadurch wäre sie die Königin ihres Neuanfangs auf "Elba". Einem historischen Ort.

Das Lied „Golden“ besticht durch zarte Metaphorik: „In the middle of your heart is a place that's never dark“, singt Laura Jansen verbittert. „Little things" ist ein herzergreifendes Gedicht eines verliebten, jungen Mädchens. Beim von Fans gefeierten Song "Same heart" gibt Tom Chaplin mit geölter stimmlicher Nostalgie ein herrliches Feature ab.

Laura Jansen Album-Kritik: "Elba" ist poetisch, romantisch und symbolträchtig

"Pretty me" ist ein tragischer innerer Monolog, der unsere Empathie einnehmen will. Erzählt wird der traurige Werdegang eines naiven Mädchens, das ihre Traumata verharmlost und ironisch hinterlegt. Sie erzählt, wie sie von anderen wahrgenommen wird und wie sie das selbst beeinflusst:

"[...] seventh grade, my boyfriend made a joke about the way i looked in the pool. So  I never ate, man I looked great, but I was spinning. Spinning and no one ever knew."

"Light hits the room" ist ein sehr skurriler Song und unterscheidet sich von den anderen Liedern am stärksten: "Distant motion, leading me out, tangled, confusion, losing my ground". Hier wurden für meine Geschmack zu viele mysteriöse synthetische Töne verwendet. Das Schwächste Glied in der Kette ist "Around the Sun", allerdings nur klanglich. Der Song ist mir persönlich einen Hauch zu elegisch, aber wenn ich nörgele, dann niemals an den Lyrics, sondern an den Tönen und der Stimmlage. Die gewählten Worte sind wie immer formidabel:

"[...]as the sky rains fire, as the curtain falls, put your arms around me, you know i never meant to let you down."

Die Lieder ähneln sich in Klang und Beschaffenheit stark. Laura Jansens Stimme steht im Fokus. Ich persönlich bin zwiegespalten, mal ist sie glasklar und angenehm, mal schrill und schmerzt im Ohr. An einem sonnigen Mittag kann das Gejammer auch nervötend und einschläfernd wirken, nimmt man sich aber in der Dämmerung bei Kerzenschein oder Lagerfeuer Zeit, den melancholischen Tönen zu lauschen, wird man die Kraft hinter Laura Jansens Stimme und Lyrics mehr wertschätzen.

Talent hat sie ohne Zweifel, aber ich vermisse bei ihr den im Musiker-Business so wichtigen Wiedererkennungswert. Ich bin mir nicht sicher, ob ich im Radio eine neue Single von ihr erkennen würde. Das mag jeder halten, wie er möchte. Fakt bleibt, "Elba" ist ein poetisch angehauchtes, märchenhaftes Album mit lyrischem Tiefgang, das an manchen Stellen besser gemixed sein könnte und eine Spur zu wehklagend ist. Die tragische Melancholie, die in ihrer Stimme schwingt, vermag es nicht immer zu überzeugen, manchmal ist es für meinen Geschmack sogar zu gellend. Das Release wäre meiner Meinung nach in einer dunkleren Jahreszeit besser aufgehoben gewesen. Nichtsdestrotrotz schmälert das nicht die künstlerischen Ambitionen der Sängerin. Außerdem gibt es immernoch meine Favoriten "Queen of Elba", "Little Things", "Golden" und "Same Heart", die ich jedem wärmstens ans Ohr lege. In der richtigen Stimmung absolut hörenswert!