Die Sau wälzt sich nicht mehr: Otto Muehl ist tot

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 28. Mai 2013

Er überschüttete nackte Frauen mit Schweinegedärmen, bewarf Menschen zum Zwecke der Kunst mit Kot und Erbrochenem, kreuzigte und zerriss ein totes Lamm und machte keinen Hehl aus seinem Bedürfnis, sich manchmal „wie eine Sau im Schlamm zu wälzen". Später gründete er eine Kommune und wurde wegen „Unzucht mit Unmündigen“ für sieben Jahre eingesperrt.  Otto Muehl war umstritten wie kaum ein anderer deutschsprachiger Künstler. Am Sonntag starb er im Alter von 87 Jahren in einer Kommune in Portugal. Die Süddeutsche erinnert sich an Otto Muehls „Besudelungsaktion“:

Bei einer "Kreuzigung" fesselte er eine Frau an einen Holzbalken, begoss sie mit Bier und schlug ein gutes Dutzend Eier auf ihr aus. Die Besudelungsaktion war nicht vollendet, ehe nicht noch drei Kilo Semmelbrösel, fünf Kilo Asche, fünf Liter Milch und noch allerlei Dreck auf dem Objekt (der befreiten Frau) ausgebracht waren. Das sollte dann die "Hexe" sein, aus der in einer neuen Alchimie die neue Ur-Mutter hervorgehen würde.

Schon während seiner Zeit als Kommunenführer - von Anfang der 70er bis Mitte der 80er - wurde Kritik an ihm laut, die mit Kunst nichts zu tun hatte. Muehl führte die „Muehl-Kommune oder AAO“ mit diktatorischer Hand. Sein Ziel, die „Entpanzerung des Ichs“ und die Befreiung der Menschen durch Sexualität und Kunst, ging oft über die Grenzen der Moral und teilweise auch des Gesetzes hinaus. So mussten sich bei der „Watschenanalyse“ seine Kommunenbrüder auf ihre Hände setzen und Ohrfeigen erdulden.

1988 dann wurde ein Strafverfahren gegen Muehl eröffnet, in dem ehemalige Mitglieder seiner Kommune aussagte, dass das in der Gemeinschaft übliche „gemeinsame Aufziehen des Nachwuchses“ für Muehl auch mit Missbrauch und Vergewaltigung von Kindern einherging. Nach Aussage Muehls sollten die Kinder und Jugendlichen in der Kommune frühzeitig mit ihrer Sexualitität konfrontiert werden und lernen, sie als natürlichen Teil ihrer Selbst anzunehmen. Kurz vor Weihnachten 1997, nach fast sieben Jahren Gefängnis, wurde er entlassen. Durch einige Ausstellungen wurde Muehl als Künstler rehabilitiert. Bei seinen Opfern entschuldigt hat sich Muehl erst an seinem 85 Geburtstag - bis dahin hatte er immer wieder ausgesagt, dass er sich keiner Schuld bewusst sei und alles nur im Sinne von und mit dem Einverständnis der Sexualpartner geschah. Aber später gab er zu, dass er sich schon während der Zeugenaussagen klar wurde, was seine Befreiungsaktion mit den Menschen anrichtete:

Ich wollte sie befreien und habe sie mit sexueller Überschreitung stattdessen überrumpelt und gekränkt. Es war auf keinen Fall meine Absicht. Ich hoffe, dass sie mir verzeihen...