Alter Trick: Besetzt den Guten für eine böse Rolle!
Veröffentlicht am 27. Juli 2012
Orlando Bloom ist gefangen im Dorf der Gutmenschen - als Legolas war er ein Moralapostel, als Will Turner hat er die Jungfrau aus großer Not errettet und als Paris in „Troja“ war er der romantische Feigling vom Dienst. Keine guten Karten also für den 1977 in Canterbury geborenen Schauspieler. Wenn man zu oft solche Rollen annimmt, wird man in die Good Guy-Schublade geworfen und kommt dann nur schwer wieder raus. Nachdem er schon in „Die drei Musketiere“ den Quasi-Fiesling gespielt hat und darin gar nicht so übel war, traute sich Bloom jetzt an eine Hauptrolle als Bösewicht. Dumm nur, dass er als durchtriebener Arzt nicht wirklich der Bösewicht ist. Oder doch?
Dr. Martin Blake (Orlando Bloom) hat ein Ticket nach oben gelöst: er ist ein aufstrebender Arzt, der von seinen Vorgesetzten nur Lob hört. Schade nur, dass der Brite seine Zeit als Assistenzarzt in den USA verbringt und dort von seinen Kollegen praktisch nicht beachtet wird. Nur der zweifelhafte Pfleger Jimmy (Michael Peña) hält hin und wieder ein bischen Small Talk mit ihm. Als die junge Patientin Diane Nixon (Riley Keough) mit einer Nierenentzündung ins Krankenhaus gebracht wird, entwickelt Martin sofort Gefühle für sie. Diane gibt ihm die Anerkennung, nach der er sich sehnt. Aber nach ein paar Tagen wird Diane wieder entlassen. Um sie an sich zu binden, ersetzt Martin ihre Tabletten durch Placebos. Diane geht es wieder schlechter und schnell ist sie wieder im Krankenhaus. Doch Jimmy kommt hinter das perfide Treiben und erpresst Martin. Die Situation eskaliert, als es Diane plötzlich immer schlechter geht.
Chefarzt: „Sie kennen das Geheimnis, wie man ein guter Arzt wird? - Sie handeln einfach wie einer!“
Martin: „Das tu' ich. Denke ich.“
Wenn man sich „The Good Doctor“ so ansieht, wird man schnell an einen Film erinnert, der einen ganz ähnlichen Look hatte und auch einen guten Kerl für die böse Rolle besetzt hat: „One Hour Photo“. Wie auch in diesem Film, sind die Settings hell und steril mit graden Linien gehalten (Krankenhaus eben), die Hauptfigur lebt zurückgezogen in einer minimalistisch eingerichteten Wohnung, ist introvertiert und will eigentlich nur geliebt werden. Und ebenso wie bei Robin Williams damals, reicht entweder das Talent oder der Mut von Orlando Bloom nicht aus, um die Figur wirklich eindringlich zu machen. Ja, der Konflikt ist da, er ist greifbar, er ist schwerwiegend und auch fesselnd, aber permanent sieht man nur Orlando Bloom, der hofft, dass die Besetzung gegen den Strich über die Unzulänglichkeiten von „The Good Doctor“ hinwegtäuscht. Ist er gut besetzt? Ja, ist er. Aber das liegt nur daran, dass die Rolle perfekt für ihn ist. Viel schauspielern musste Bloom nicht und eben daher kommt der fade Nachgeschmack des an und für sich gar nicht üblen Films. Das Ende ist auch gut gemeint und sogar J. K. Simmons konnte für eine kleine Rolle gewonnen werden, die aber leider zu klein ist, als dass er dafür Preise gewinnen könnte (obwohl er es verdient hätte). Auch sehr überzeugend: Elvis-Enkelin Riley Keough, die mit ihrer erst zweiten Filmrolle schon eine Nominierung für einen kleinen Preis erhielt.
Orlando Bloom hofft auf Imagewechsel: The Good Doctor
Die eigentliche Leistung von „The Good Doctor“ steht zwischen den Zeilen: Der Film wirft die moralische Frage auf, ob jemand zum Zweck der Liebe über Leichen gehen darf. Die Figur des Martin Blake ist definitiv der Sympathieträger des Films. Und das obwohl Martin Dianes Blutkulturen vertauscht (und so das Leben eines anderen Patienten gefährdet), ihre Tabletten durch Zuckerpillen ersetzt und später (ohne zu viel verraten zu wollen) noch drastischere Wege beschreitet. Dabei ist er kein Psychopath im herkömmlichen Sinne. Martin sucht nur Zuwendung. Zugegeben, Norman Bates hat auch nichts anderes gesucht, aber Martin ist wenn man genau hinsieht völlig normal - er kümmert sich rührend um Diane, ist ein guter Arzt und fährt einen Prius. Ist er tatsächlich ein Bösewicht? Oder nur ein Antiheld mit fatalen Neigungen? Diese Frage beantwortet der Film natürlich nicht - der Zuschauer wird mit diesem unsteten Gefühl zurückgelassen, nicht zu wissen, ob er Martin in der Realität des Films nun anzeigen oder zum Bier einladen würde. Damit schafft „The Good Doctor“ etwas, das viele andere Filme versuchen, aber nie erreichen: die Zerrissenheit der Figur wird unmittelbar auf den Zuschauer übertragen und beschäftigt ihn noch über den Abspann hinaus. Somit wird „The Good Doctor“ trotz einiger Makel zu einem durchaus empfehlenswerten Film.
„The Good Doctor“ ist seit heute im Handel erhältlich. Die DVD bietet ein Wendecover, ein Making Of von knapp 10 Minuten Laufzeit und den deutschen und englischen Trailer zum Film.