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The Big Friendly Giant – Kinorezension zum neuen Spielberg-Disney-Film

von Portrait von Julia Grimm Julia Grimm
Veröffentlicht am 8. Juli 2016

„Verlasse nie dein Bett. Gehe nie ans Fenster. Schau nie hinter den Vorhang!“

Mit diesen Worten startet der neue Disney- Animationsfilm unter der Regie von Oscar- Preisträger Steven Spielberg. Er verfilmt das gleichnamige Kinderbuch von Roal Dahl und erzählt damit die Geschichte vom eigenwilligen, zehnjährigen Waisenkind Sophie (Ruby Barnhill), die eines Nachts doch hinter den Vorhang blickt – und dabei einen Riesen entdeckt! Da der Riese das Risiko nicht eingehen kann, von dem aufgeweckten Mädchen verraten zu werden, nimmt er es kurzerhand mit. Damit beginnt die Reise der beiden.

Der Riese mit den großen Ohren entführt Sophie ins Riesenland, wo er sie festhalten muss, da er befürchtet, dass Sophie anderen von seiner Existenz erzählt. Denn der Riese hat einen wichtigen Job: er flößt mit einer Trompete den Menschen Träume ein, deswegen war er auch in der Menschenwelt unterwegs.

Doch bald merken die beiden, dass sie sich sehr gut verstehen, da sie beide sonst von der Welt missverstanden werden, und bauen eine gute Freundschaft auf. Sophie tauft den Riesen kurzerhand „BFG“, Big Friendly Giant (großer, freundlicher Riese). Zusammen kämpfen sie gegen BFG’s Brüder, denn die sind lange nicht so nett wie Sophies großer Freund. Sie essen sogar Menschen und sind immer auf der Suche nach leckerem Menschenfleisch. Nur mithilfe der Queen können Sophie und BFG den anderen Riesen das Handwerk legen…

+++ Spoiler Alert +++ Der nachfolgende Teil könnte Spoiler enthalten.

Die Geschichte von „The Big Friendly Giant“ erinnert stark an Spielbergs Meisterwerk ET, kann mit dem jedoch nur bedingt mithalten. Die Aufmachung des Filmes ist sehr schön, die Bilder sind gut animiert, jedoch offenbaren sie  in halbnahen Aufnahmen Schwächen – das haben wir im Jahre 2016 schon besser gesehen.

Positiv

Ruby Barnhill führt uns durch die Geschichte und macht ihre Sache sehr gut. Ihre großen, braunen Augen erinnern an Matilda, auch ein Werk von Roal Dahl. Ihre freche, schlaue Art kommt gut rüber, das Mädchen ist einem direkt sympathisch.

Was der Film wirklich gut macht, ist, dass er mit unseren Wünschen, Ängsten, Sehnsüchten und Phantasien spielt. So versteckt sich der Riese innerhalb der Menschenwelt zum Beispiel dadurch, dass er die Form eines Baumes annimmt oder in einer Gasse sich hinter seinen schwarzen Umhang versteckt – wer hat von uns noch nicht mal gedacht, dass Silhouetten in der Nacht aussehen wie menschenähnliche Riesen oder wer von uns hat noch nicht mal in eine dunkle Gasse geblickt und nicht sehen können, was sich dort verbirgt. Außerdem achtet der Film auf viele Details, wie beispielsweise die großen Ohren von BFG, die bei freudiger Erwartung aufgestellt werden. Das sieht einfach nur putzig aus. Generell ist die Animierung von BFG sehr gelungen und sieht fast schon natürlich aus.

Auch die Geschichte mit den Träumen ist sehr schön. BFG nimmt Sophie auf seine „Arbeit“ ins Traumland mit, wo er Träume, kleine Lichtlein, die umherfliegen und die er mit einem Kescher einfangen muss, einsammelt, um sie den Menschen in die Träume zu blasen. Die beiden gelangen in die Traumwelt, indem sie in einen See springen, wo sich ein Baum darin spiegelt. Sie erreichen so die Spiegelwelt hinter dem See und sind in der Traumwelt angelangt. Auch diese Idee ist sehr gut umgesetzt.

Negativ

Das große Problem mit dem Film ist jedoch, dass er sich für einige Szenen nicht genügend Zeit nimmt. Der Film ist so schon 135 Minuten lang, was wohl das Absolutem ist, was Kinder einem Film an Aufmerksamkeit entgegenbringen können. Gerade das Finale ist jedoch dadurch sehr enttäuschend und in gefühlten 30 Sekunden abgespeist. Der Film vertieft sich sehr in die Beziehung von Sophie und BFG, bleibt aber sonst sehr oberflächlich. Die Brüder von BFG sind einfach nur hohle Platzhalter, die am Ende ziemlich schnell auf eine Insel verfrachtet werden, ein bisschen mehr Tiefsinn in die Charaktere der Brüder hätte dem Film gut getan. Eben zu sehen, warum Wesen so sind wie sie sind. Aber vielleicht war das auch die Intention der Macher und dem Autor des Buches, die Brüder nur als hohle, verfressene Objekte darzustellen.

Jedoch vermisst man im Film auch an anderer Stelle die Tiefe: so nehmen Sophie und BFG sich irgendwann vor, mithilfe der Queen die Riesen zu besiegen, indem sie der Queen einen Traum einflößen, der der Realität entspricht. Dadurch können sie die Queen überzeugen. Die Assistentin der Queen ist da dabei und adoptiert am Ende des  Films Sophie. Diese neue Beziehung wird durch Schnitte und Details kenntlich gemacht, jedoch hätte ich mir ein wenig – oder überhaupt irgendeine – Konversation zwischen den Beiden gewünscht. Dies nimmt der Zuschauer zwar durchaus wahr, doch wirkte es auf mich so, als wolle man den Film am Ende so noch schnell einem wahren Happy Ending führen, indem das Waisenkind natürlich eine neue Mutter findet…

Problematisch fand ich auch die Szene beim Frühstück der Queen, wo BFG auch teilnimmt. Hier versucht man anscheinend, den britischen Humor einzubauen, indem die Probleme mit BFGs Größe bis aufs groteske aufgezeigt werden und am Ende sowohl die Generäle der Queen, die Hunde der Queen und die Queen selbst von BFGs grünem Lieblingsgetränk   anfangen zu pupsen und in die Luft zu gehen. Bei den Hunden musste ich bisschen schmunzeln, ansonsten wirkte es auf mich ein wenig fremdschämend. Britischen Humor können da doch nur die Briten…

Fazit

An sich ist der Film sehr schön anzuschauen und definitiv für einen Familienabend gut geeignet. Die Animationen sehen gut aus, auch wenn sie in einzelnen Aufnahmen Schwächen zeigen. Der Film verdient einfach den Titel süß, denn er spielt mit unseren Phantasien und enthält sehr viele, kleine Details, die den Film echt liebenswert machen. Jedoch kommt es einem so vor, als würde er zeitlich an seine Grenzen stoßen und man hätte ihn in einigen Teilen gekürzt. Das ist natürlich aus Produktionshaltung verständlich, nimmt dem Film jedoch an Tiefgang, um sich in Disneys Meisterwerke der letzten Jahre wie die Eiskönigin, Rapunzel oder Alles steht Kopf einreihen zu können. Der Film ist trotz einer inhaltlichen Verbindung (Kind trifft übernatürliches Wesen) zu E.T. nicht mit Spielbergs Oscar-prämierten Film von 1982 gleichzusetzen, was an sich sehr schade ist. Ich würde mir den Film irgendwann Abends mit meinen Kindern auf DVD anschauen wollen, ein Kinobesuch lohnt sich jedoch wenn dann der Bilder wegen. Daher auch die klare Empfehlung, den Film in 3D zu schauen.