Was tun gegen Deutschlands Gotteskrieger? Jauch-Talk scheitert gnadenlos.

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 18. März 2013

Wie gefährlich sind gewaltbereite Islamisten? Und warum übt diese Szene auch auf Deutsche einen manchmal so großen Reiz aus, dass sie zu islamischen Extremisten werden? Das sind sie, die Fragen, die Günther Jauch zu Beginn seiner Talkrunde gestern Abend gestellt hat. Allerdings hatte Günther Jauch einige Mühe, die Diskussion zwischen einem CDU-Politiker, einem vom Islamismus abgefallenen Jetzt-Christen, zwei Journalisten und einem zum Islam konvertierten Vorbeter einer Berliner Moschee zu retten, denn Verfechter einer Religion sind manchmal nicht minder fanatisch, als jene, die Gegner einer Religion sind - besonders, wenn es um den Islam geht.

Das Wort hatte Ferid Heider, Imam in Berlin; einst Christ konvertierte er zum Islam und lehrt den Koran der nächsten Generation. Er predigt, so behauptet er, eine friedliche Religion, die mit Terrorismus nichts gemein hat und deren Paralleljustiz, die Scharia, sich ohne weiteres mit dem Grundgesetz vereinbaren lasse. Sein erbittertster Gegner: Ein junger Mann, Barino Barsoum, der christliche Eltern hat, sich mit 18 dem Islam zuwandte, fanatische Ansichten entwickelte und sich nach einem Schlüsselereignis - ein Koran-Schüler erzählte, dass sein Lehrer ihm befahl, ein Küken zu töten, weil er so auch bald Juden töten würde - wieder aus der islamistischen Szene entfernte. Die Erklärungen der beiden, gern auch gleichzeitig angeführt, was zu einigem Chaos während der Debatte führte, drifteten immer wieder in eine Frage ab, die nicht binnen einer Stunde geklärt werden konnte - wie unterschiedlich kann man den Koran auslegen und wie unterschiedlich kann man den Islam leben? Heider betonte immer wieder, wie viele Freiheiten bspw. Frauen in der Religion haben und dass er Fortschritt predige. Barsoum dagegen betonte immer wieder, dass der Islam, den er kennengelernt hat, keineswegs fortschrittlich sei und keinesfalls mit Gleichberechtigung, Demokratie und dem Grundgesetz vereinbart werden könne. Heiders Antwort: Barsoum hätte einen ganz anderen Islam kennengelernt, als er. Und das ist sie letztlich, die Antwort auf die Frage, warum Günther Jauch, der sich seiner Talk-Runde eher aussetzte, als sie zu moderieren, scheiterte. Denn man kann nur dann erörtern, was man gegen Deutschlands Gotteskrieger tun kann, wenn man weiß, wie gefährlich sie sind - und das wiederum weiß man erst, wenn man sich darauf geeinigt hat, wie gefährlich der Islam an sich ist. Und das ist offensichtlich Auslegungssache.

Immerhin konnte ein anderer Gast, der ZEIT-Journalist Yassin Musharbash, eine der Ausgangsfragen beantworten: Pro Jahr konvertieren 1000 Menschen zum Islam. Warum? Seine Antwort: Der Islam bietet Antworten auf die komplexen Fragen des Lebens - und ist dabei eine sehr einfache Religion.

Aber was für ein Licht wirft das auf uns als Deutsche? Immer, das erklärten mehrere Gäste der Runde, ginge dem Übertritt zum Islam eine Selbstfindungsphase und ein Bruch voraus. Ist der Islam also die Antwort für alle Schwachen, die ihre Existenz als winziges Licht im großen Universum sehen? Einfache Fragen auf komplexe Antworten will doch schließlich jeder! Allerdings ist die Erkenntnis nicht grade schwerwiegend - denn wann immer jemand behauptet, DIE Antwort zu haben, ist er ein Magnet für jene, die mit sich und der Welt hadern. Das gilt für Scientology, den Islam und Gottgläubigkeit im Allgemeinen.

Aber die Talkrunde von Günther Jauch lieferte dann doch, trotz allem verbalen Durcheinanders doch noch eine Antwort: Von den 4,2 Millionen Muslimen, die es derzeit in Deutschland gibt, sind nur 5000 Salafisten und nur ein kleiner Bruchteil von ihnen, ist gewaltbereit (was immer das bedeuten mag), oder erwägt terroristische Akte. Die vermeintlich große Gefahr, geht also von einigen wenigen versprengten Schäfchen aus und wird dann medial aufgebauscht. Das war vor wenigen Monaten mit rechtsradikalen Untergrundzellen so - und das ist jetzt mit den Salafisten so. Während andauernd vermeintliche Krisenherde der Demokratie unter uns brodeln, fragt man sich, was die wirkliche Gefahr der Demokratie ist - religiöse Fanatiker die uns vermeintlich alle in die Luft jagen wollen, oder jene Schreihälse, die die Demokratie permanent in Gefahr sehen und alles ausweisen und verbieten wollen, was ihnen grade nicht passt.