„The Raven“ - Wie Poe sich opferte
Veröffentlicht am 13. Dezember 2012
John Cusack ist kein überragender Schauspieler, aber trotzdem ist er gut genug, um immer wieder passable Hauptrollen abzugreifen. Mit „The Raven“ wagt sich der 46-Jährige jedoch auf relativ neues Gebiet. Zwar hatte er schon in „Zimmer 1408“ in einem düsteren Horrorthriller mitgewirkt, jedoch musste er dort keine so umstrittene historische Figur darstellen, wie in „The Raven“. Wie auch der Film selbst, entblößt sich Cusack im Laufe der 106 Minuten schnell als uninspiriert. Dabei ist die Geschichte gar nicht übel - nur leider kommt die Idee 20 Jahre zu spät.
Baltimore, 1849 - Detective Fields (Luke Evans) erkennt in einem Mordfall die Szenerie einer Geschichte des noch recht unbekannten Autors Edgar Allan Poe (John Cusack) wieder. Als weitere Morde nach dem Vorbild seiner Geschichten passieren und rätselhafte Hinweise an den Tatorten hinterlassen werde, konsultiert Fields die umstrittene Persönlichkeit und bittet ihn, bei den Ermittlungen behilflich zu sein. Als aber Poes große Liebe Emily in die Hände des Killers fällt, muss Poe alles riskieren.
Die Handlung klingt, wie schon mal gesehen? Ist sie auch - „Sieben“, „Der Knochenjäger“, „Mindhunters“, „Ripper“, „Das Schweigen der Lämmer“ - Filme jeglicher Qualität bedienten sich genau dieses Schemas: Fieser Mörder hinterlässt Spuren, die ein Außenseiter richtig interpretiert und so die Jungfrau retten kann. Neue Ideen sehen anders aus. Obwohl das Drehbuch arg uninspiriert ist und Cusack auch nur mit demselben begrenzten Minenspiel aufwarten kann, das er seit Beginn seiner Karriere verwendet, ist „The Raven“ kein schlechter Film. Die Story ist spannend, die Atmosphäre beklemmend und die Auflösung düster. Wäre er in den 80ern oder frühen 90ern erschienen, wäre „The Raven“ wahrscheinlich als wegweisend in den Kino-Almanach eingegangen. Aber 2012 ist es einfach nur ein weiterer Mörderjagd-Thriller, bei dem man sich die ganze Zeit fragt, warum John Cusack aus einer so mystischen, düster-umwobenen Figur wie Poe nicht mehr gemacht hat, als einen Durchschnittstypen, der zufällig Autor ist.
„The Raven“ - Wie Poe sich opferte
Um Edgar Allan Poe ranken sich viele Gerüchte. Er sei ein Alkoholiker und Opiumsüchtiger gewesen, der nach einer durchzechten Nacht mit nur 40 Jahren starb. Wirklich belegt ist jedoch sehr wenig. Und besonders mysteriös ist sein Tod - Poe brach am 27. September 1849 von Richmond aus zu einer Reise ins knapp 500 Kilometer entfernte New York auf, um seine zweite Hochzeit vorzubereiten. Unterwegs wollte er Abonnenten für eine Zeitschrift gewinnen, die er demnächst herausgeben wollte. Allerdings kam Poe nie in New York an; er versackte bei einem Zwischenstopp in Baltimore, wo er am 3. Oktober wirres Zeug redend vor einem Lokal gefunden wurde - in abgewrackter Kleidung, die nicht ihm gehörte. Er wurde ins Krankenhaus gebracht und starb kurz darauf, nachdem er mehrfach nach einer Person namens Reynolds verlangt hatte. Allerdings wusste niemand, wer Reynolds war. Es gibt dutzende Theorien, wo Poe während dieser sieben Tage war und woran er letztlich starb. Die Krankenhausunterlagen sind nicht erhalten und widersprachen sich schon damals. „The Raven“ stellt seine eigene Theorie an und macht Poe zu einem selbstlosen Helden, der nicht als egozentrischer Quartalssäufer stirbt, sondern als einen Mann, der bereit ist, für die Liebe alles zu geben.
Poes Werke tatsächlich gelesen haben muss man nicht, um der Handlung folgen zu können. Einzig die Kenntnis, um die Auflösung von „Das verräterische Herz“ ist von Vorteil. Wer auf Elemente aus dem titelgebenden Gedicht „Der Rabe“ hofft, ist allerdings auf der falschen Fährte: abgesehen von immer wieder überflüssig in die Handlung gepressten schwarzen Vögeln, gibt es im Film keinen Bezug auf das Gedicht.
Wer „From Hell“ und „Sleepy Hollow“ mochte, der wird auch an „The Raven“ Geschmack finden. Mehr als einen gut gemeinten Durchschnittsstreifen sollte aber niemand erwarten. „The Raven“ ist jetzt auf DVD und Blu-ray erhältlich. Als Bonusmaterial gibt es vier Features zwischen zwei und dreizehn Minuten, von denen aber nur eine zehnminütige Poe-Dokumentation interessant ist. Außerdem gibt es Trailer, geschnittene Szenen und ein Wendecover.