Die Retter des deutschen Fernsehens? Warum Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheid wirklich die letzte Hoffnung sind

von Portrait von Felicitas Bonk Felicitas Bonk
Veröffentlicht am 12. Januar 2015

Sie kniffeln mit Kannibalen, klettern in tiefste Höhlen oder spielen Hupenmusik auf einem Heißluftballon – in tausend Metern Höhe. Keine Frage, es sind Extreme, die Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheid austesten. Sie überschreiten Grenzen, eigene sowie von Zuschauer und Gesellschaft, sie kratzen am Rande des Wahnsinns. Warum haben sie damit so einen riesigen Erfolg?

Ihre Shows wie „Circus Halli Galli“, „Das Duell um die Welt“ oder seit kurzem auch „Mein bester Feind“ ziehen Millionen vor den Fernseher und füllen die Abendunterhaltung. Herumblödeln und Witze auf Kosten des jeweils anderen machen – reicht das, um ein Publikum zu halten? Die Antwort lautet „nein“. Denn Joko und Klaas leisten viel mehr, als nur ein paar Witze zu reißen. Sie spielen mit der Normalität auf eine vorher nicht dagewesen Art und Weise.

Wenn Klaas Joko die Aufgabe stellt, trotzt Höhenangst an Fels herunterzuklettern, mehrere hundert Meter Tiefe unter sich, geht es ihm nicht in erster Linie darum, diesen bloßzustellen. Wenn Joko vor Millionen Zuschauern in die Kamera weint: „Zieh mich hoch, zieh mich hoch!“, geht es nicht darum, ihn als Weichei lächerlich zu machen. Wenn Joko und Klaas nur in Unterhose mit aufgemalten Anzügen ein Dinner im Eis abhalten, ist nicht das Ziel, einfach nur länger auszuhalten als der andere. Es geht um viel mehr. Es geht um das Brechen von Tabus, um das Abweichen von der Normalität.

Die beiden Entertainer überschreiten den Bereich dessen, was in der Gesellschaft als normal angesehen wird, und führen dieser damit vor, wie gut sie es doch zu Hause vor ihrem Bildschirm hat. Sie denormalisieren sich gegenseitig und führen so an einem einzigen Individuum vor, wie schnell das Leben in eine Anormalität rutschen kann. Während dabei der das Individuum leidet, erfreut sich der Zuschauer zu Hause an seiner eigenen Sicherheit – bestärkt durch den jeweils anderen des Duos, der sich diebisch freut. Von dieser Freude geleitet, profitiert auch der Zuschauer, denn so weiß er, dass auch der momentan unglücklichere Teil des Duos keinen dauerhaften Schaden davontragen wird. Und dessen Rache steigert die Lach-Lust des Zuschauers zudem.

Doch es ist nicht nur das Spiel mit Grenzen und ihren Überschreitungen, was den Erfolg der Formate ausmacht. Denn es steckt noch mehr dahinter. So greift „Circus Halli Galli“ unser gesamtes gesellschaftliches und mediales Leben auf und unterzieht es einer Kritik vom Allerfeinsten. Die Sendung führt uns vor Augen, wie wir leben und wie sehr wir uns von den Medien beeinflussen lassen, welchen Quatsch wir Tag für Tag rezipieren – und krönt es mit „dem wichtigsten Medienpreis Deutschland“, dem Goldenen Umberto. Zusammen mit den richtigen Stargästen und Musik-Acts wird die Show an sich zur Show über die Realität, über unser das Leben, das Leben des Zuschauers. Denn: „ Sind wir die Verrückten, sie so etwas machen? Oder sind Sie es, weil Sie es sich anschauen?“

Selten zuvor gab es eine Medien- und Gesellschaftskritik, die so charmant verpackt war und ein ernstes Thema hinter einer so amüsanten Fassade verstecken konnte. Hierhinter steckt ein ausgeklügeltes System, mit dem Joko und Klaas wirklich eine neue Ära des Fernsehens einläuten und sich wohlverdient als wahre Retter des Fernsehens sehen können.