Neue Zeugen - Fall Kampusch wird neu aufgerollt

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 25. September 2012

Am 2. März 1998 wurde die damals 10-jährige Natascha Kampusch auf dem Weg zur Schule entführt und danach die meiste Zeit in einem Kellerverlies gefangen gehalten. Im August 2006 entkam sie ihrem Peiniger, dem Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil, der nach ihrer Flucht Selbstmord beging. Das sind sie, die klaren Sachverhalte im Fall Natascha Kampusch. Alles andere versinkt in einer Grauzone. Wer wusste davon, dass Natascha in dem Verlies festgehalten wurde? Warum hat der Geschäftspartner von Priklopil, Ernst H., ihm kurz nach der Entführung 36.300 Euro überwiesen? Was meint Kampusch, wenn sie auf die Frage nach Mittätern antwortet: „Ich kann keine Namen nennen.“ und „Ich habe immer nur einen Täter gesehen“? Wen schützt Natascha Kampusch? Und warum? Fragen, die ihr Vater Ludwig Koch nun geklärt haben will. Er klagt den potenziellen Mittäter, in jedem Fall aber Mitwisser Ernst H. an, berichtet der „Stern“:

In der Klage, die stern.de vorliegt, heißt es: [...] "Der Beklagte (gemeint ist Ernst H. - die Red.) hatte spätestens seit Ende März 1998 Kenntnis davon, dass Frau Natascha Kampusch am 02.03.1998 von Wolfgang Priklopil entführt und von diesem in dessen Haus (…) gefangen gehalten wurde." Der Beschuldigte habe keinen einzigen Versuch gemacht, die Entführung zu beenden und habe "es somit schuldhaft und rechtswidrig unterlassen, das Entführungsmartyrium von Natascha Kampusch bereits unmittelbar nach der Entführung zu beenden". mehr...

Auch neue Zeugen will Ludwig Koch vorladen. So wurden bei den Ermittlungen 2006 mehrere ehemalige Nachbarn von Wolfgang Priklopil nicht befragt, die Koch nun hat ausfindig machen lassen. Er sei zu 100 Prozent davon überzeugt, dass Ernst H. etwas mit der Entführung zu tun hatte, sagte Koch dem „Stern“. Ob er nur Mitwisser, oder tatsächlich Mittäter, oder vielleicht doch gar nichts davon war, wird aber auch dieser Prozess wahrscheinlich nicht beweisen, erklärt Ludwig Adamovic, dessen Kommission nach der Entführung alle Indizien noch einmal untersuchte:

Heute wie damals zählt Adamovic zu den Verfechtern der Zwei-Täter-Theorie. "Wenn man sich den ganzen Fall anschaut, dann gibt es einiges, was für die Vermutung spricht, dass noch jemand anderes neben Priklopil beteiligt war", sagte er stern.de. Adamovic ist dennoch eher skeptisch, ob der Zivilprozess Neues ans Tageslicht bringen wird. "Wahrscheinlich werden die Beteiligten altbekanntes vortragen."

Dass Ludwig Koch mit dem neuen Prozess nur finanzielle Absichten hat (er verlangt von Ernst H. 30.000 Euro Schmerzensgeld), bleibt zu bezweifeln. Wer sich nur die Taschen füllen will, würde die Summe wohl deutlich höher ansetzen. Auch Koch selbst streitet diese Vorwürfe ab: „Das, was ich als Vater in der Zeit der Entführung durchlitten habe, kann man nicht mit Geld aufwiegen. Es geht mir nicht um Geld. Es ist die letzte Chance, meine Tochter vor möglichen Mittätern zu schützen und alle Zweifel an dem Tatablauf auszuräumen.“