Simon Borowiak liefert die schwärzeste Satire des Jahres

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 21. September 2012

Als Simon Borowiak noch für „Titanic“ schrieb, wurde er mal als einer der besten lebenden Satiriker Deutschlands bezeichnet. Sein Roman „Frau Rettich, die Czerni und ich“ wurde überaus populär und schließlich sogar mit Iris Berben verfilmt. Sein neuester Streich, „Du sollst eventuell nicht töten“ wird hoffentlich auch verfilmt. Es wäre die pessimistischste Komödie seit langem und noch dazu verdammt unterhaltsam, denn mit so viel lethargischer Unmoral wie in Borowiaks elftem Werk wurde selten über das Phänomen „Mensch“ hergezogen.

Schlomo ist in seinen Vierzigern, hat einen schriftstellerischen Beruf, den er gern leugnet, weil er nicht weiß, was genau er macht und geht statt shoppen einfach containern. Sein Kumpel Mendelssohn ist „blind wie eine Kolonie Maulwürfe“ und seit Kurzem Besitzer eines schicken „Kleinods“ in Hamburg-Blankenese. Irgendwo zwischen den Plänen, eine Detektei für Lauschangriffe zu gründen und dem akustisch aufdringlichen Begatter der Nachbarin das Cabrio mittels Suppe zu ruinieren, lernen die beiden die Nachbarn von der anderen Seite kennen. Und ganz spontan verknallt sich Schlomo in den Spross der WG, Marvie. Dummerweise hat Marvie einen festen Freund, seines Zeichens Theaterarschloch und von wurstähnlichem Habitus. Eines steht schnell fest: Die Wurst muss weg! Alle Versuche, das liebende Paar zu trennen, sind bisher gescheitert. Mit tatkräftiger Unterstützung der übrigen WG-Bewohner wird ein neuer Plan geschmiedet - und dieses Mal geht's um...na, Sie wissen schon. Die Wurst.

„Selbstverständlich konnte ich ihn nicht leiden. Schließlich war er mein natürlicher Feind Nummero eins. Aber nicht nur das: Er schien mir auch ansonsten ein unsympathischer Gesell zu sein. Ein generell krummer Hund. Ein Generalarsch. Einer jener Typen, die - völlig zurecht - noch nicht mal von ihrer eigenen Mutter geliebt werden. Marvie und er hatten wohl gerade der Aufführung eines seiner Stücke beigewohnt. «Inkognito», wie der Wurstmann drei Mal betonte, «um mal die Reaktionen der Zuschauer ungefiltert aufnehmen zu können.» Hin und wieder müsse das sein, wegen der Basis.“

Ja, wenn man den Wurstmann so seiern hört, kommt man kaum umhin, ihn zu hassen. Borowiak drückte seinen Antagonisten so geschickt in die Pelle, das bei aller Verwerflichkeit, die der Anti-Held Schlomo im Laufe der 224 Seiten über sich kommen lässt, doch selbst die haarsträubendsten Ereignisse ebenso gleichmütig vom Leser aufgenommen werden, wie Schlomo und Mendelssohn sie aufnehmen. Immer wieder blitzt zwar während der Lektüre die Frage auf, ob das alles so gut ist, was dort passiert, aber was soll einem denn schon passieren? Also lässt man sich von dem gegensätzlichen Protagonisten der Geschichte entführen, in eine Welt, die wie unsere aussieht, aber letztlich unter den gepflegten Gärten schwarz köchelt und in der Poe-eske Pläne zur Leichenbeseitigung mit einer Selbstverständlichkeit geschmiedet werden, als würde man den Einkauf für einen Wochenendtrip planen. Lacht man über die schrägen Figuren in „Du sollst eventuell nicht töten“? Oder versucht man sich vor sich selbst mit dem ein oder anderen nervösen Lachen zu rechtfertigen, das einen daran erinnern soll, dass man ja sehr wohl noch reflektiert und das alles doch irgendwo nicht gut heißt, obwohl man grade schallend darüber gelacht hat, wie der unsympathische Dichter rot auf den Teppich eines Hinterzimmers tropft? Borowiak verwischt die Grenze schamlos. Eine grandiose Formulierung jagt die nächste und bis zum letzten Satz kommt man aus dem Schmunzeln nicht heraus.

Das einzige, was die Freude an der Lektüre ein wenig schmälert, ist das plötzliche Ende. Wo sich Romanfiguren normalerweise weiterentwickeln, versumpfen Schlomo und Mendelssohn und sind am Ende genau dieselben, wie vor den absurden Ereignissen. Seine heimliche Liebe zur Nachbarstochter, über Seiten hinweg mit Leidenschaft und Verzehr aufgebauscht, verpufft (nahezu) grundlos und der Leser bleibt enttäuscht zurück. Zum Glück, so verriet Borowiak uns im Interview, schreibt er an einer Fortsetzung. Und wir sind zuversichtlich, dass es dann wieder richtig - auch wenn er das Wort nicht mag - derb wird.

Der Roman ist jetzt im Handel erhältlich und mit einigen vom Autor gezeichneten Karikaturen versehen.

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Simon Borowiak wollte eigentlich gar nicht Autor werden, sondern in einer anderen Richtung kreativ sein. Was war sein ursprünglicher Berufswunsch?


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