Stephen Sackur

Journalist und Moderator von HARDtalk

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 8. Januar 2013

Die BBC zieht demnächst in ein neues Gebäude, wo alle Journalisten gemeinsam unter einem Dach arbeiten können. RTL hat das in Deutschland auch versucht, aber es hat nicht so gut funktioniert, wie erhofft. Was erhoffen Sie sich von dem Umzug?

Ich denke, das wird eine viel ganzheitlichere und auch bessere Zusammenarbeit ermöglichen. Wir sind bei der BBC als Journalisten Teil eines gewaltigen Informations-Sammel-Apparates und je effektiver wir unsere Erkenntnisse teilen können, umso besser. Zum Beispiel ist mein neues HARDtalk-Büro gleich um die Ecke vom Büro der Dolmetscher, wo die Nachrichten aus bspw. Kenia oder dem Iran ankommen. So bin ich viel näher dran an den Kollegen, die rund um den Globus ganz dicht an den aktuellen Ereignissen dran sind.

Am 14. Januar geht's in den neuen Studios los. Die BBC-Studios sind brandeu mit aktuellster Technologie. Wie wichtig ist es für den heutigen Journalismus, die allerneueste Technik zu verwenden?

Natürlich brauchen wir die aktuellste Technik - etwa um die Sendung auf dem Bildschirm so gut wie möglich aussehen zu lassen und um unsere Dienstleistung benutzerfreundlicher zu machen, egal ob im Fernsehen, im Radio oder online. Das besorgt mich in der Tat ein bisschen – diese neuen HD-Sendungen sind so verdammt hochauflösend! Vielleicht sollte ich meine hässliche Nase zurück zum Radio verfrachten. (lacht)

Sie arbeiten schon seit 1986 für den Sender. Welche großen Veränderungen gab es seit dem, wie hat sich BBC gewandelt?

Wandel betrifft ja nicht nur die BBC – die ganze Medienlandschaft hat sich verändert. Die Verbindung zwischen uns und dem Empfänger der Information, also dem Hörer oder Zuschauer ist jetzt interaktiv und viel komplexer. Das Zeitalter, in dem man eine Nachricht erstellte und nie erfuhr, was der Konsument davon hielt, ist zum Glück vorbei. Das zeigt auch der Wandel der BBC: Nachrichtensendungen rund um die Uhr, großer Fokus auf soziale Medien und Online-Präsenz - die Wege, auf denen wir heute kommunizieren, sind ungleich vielfältiger geworden, aber unsere Verpflichtungen sind dieselben geblieben: gründlicher, objektiver Journalismus.

Wenn man harmoniebedürftig ist und von allen gemocht werden will, ist HARDtalk definitive der falsche Job.

Heute sind Sie ein Profi, aber auch Sie waren mal ein Neuling auf dem Gebiet „Interview“. Können Sie sich an schwierige Situationen erinnern, in denen Sie einem Interview-Partner auf den Leim gegangen sind, oder die Regie Sie retten musste?

Nicht alle Interviews verlaufen so, wie ich es gern hätte. Bisher hatte ich nur einen Gast, der während des Interviews gegangen ist, aber ein paar mehr waren dicht dran. Manchmal wird die Atmosphäre eben sehr angespannt, aber ich versuche, nie emotional zu werden. Wenn ich einem Gast Fragen zu brenzligen Themen stelle, dann hat das immer einen professionellen und keinen persönlichen Hintergrund – und es darf auch nicht so wirken. Vielleicht habe ich das ein oder andere Mal vergessen, mich an diesen Grundsatz zu halten.

Interviews verlaufen sicherlich nicht immer wie bei Nixon und Frost. Wie oft haben Sie es geschafft, Ihrem Partner Informationen zu entlocken, die er oder sie eigentlich nicht preisgeben wollte?

Das kommt schon vor – und es kann für meine Gäste harte Konsequenzen haben. Ein Beispiel: Samantha Power, Barack Obamas Beraterin für Außenpolitik, als er 2008 im Wahlkampf steckte, hat bei mir enthüllt, dass Obamas Wahlversprechen, die Truppen aus dem Irak zurückzuziehen, aus militärischer Sicht noch einmal geprüft wird – aber erst NACH der Wahl! Sie wurde sofort entlassen und das Zitat danach von Obamas Gegnerin, Hillary Clinton benutzt, um Obamas Unerfahrenheit in Sachen Außenpolitik klarzustellen.

Stephen Sackur

Ein Interviewer wird sicherlich schnell zum Menschenkenner. Woran erkennen Sie, dass Ihr Gegenüber lügt, oder einem Thema ausweichen will?

Körpersprache, Stimmlage, das Verhalten, wenn die Kamera grade aus ist – das spielt alles mit in die Dynamik eines Interviews hinein und kann sehr viel verraten. Das ist einer der Gründe, weshalb es so viel besser ist, ein Interview von Angesicht zu Angesicht zu führen, als über eine Satellitenverbindung.

Ein Interviewer muss schnell und logisch denken können. Was sonst noch? Welche Fähigkeiten brauche ich, wenn ich der nächste Stephen Sackur werden will?

Man muss hart arbeiten und schnell lernen – weil ganz viel von dem Erfolg eines HARDtalk-Interviews von der Recherche kommt. Zu wissen, wo die Gäste verwundbar sind und wie man Argumente und Beweise am effektivsten einsetzt, ist ausschlaggebend. Eine andere wichtige Fähigkeit ist es, sehr unangenehme Fragen mit großer Entschlossenheit zu stellen und dabei trotzdem höflich zu sein. Wenn man harmoniebedürftig ist und von allen gemocht werden will, ist HARDtalk definitive der falsche Job.

Wenn du eine Frage hast, stelle sie – so lange, bis du eine befriedigende Antwort hast.

Sie haben über den Lewinski-Skandal berichtet, über die Massengräber im Irak und noch eine Reihe anderer guter wie schlechter Storys. Abgesehen von Kategorien wie „gut“ oder „schlecht“, welches Thema  hat Sie am meisten bewegt?

Keine Frage: Es war eine der erschütterndsten Erfahrungen meines Lebens, von der Freilegung von Massengräbern im Irak zu berichten. In den Gräbern waren die Leichen tausender Opfer von Saddam Husseins Herrschaft. Ich war der Erste, der von dort berichtet hatte. Ein anderer sehr bewegender Moment war der 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Ich habe eine alte Dame mit ihrem Enkel dorthin begleitet, die als junges Mädchen mit ihrer Mutter nach Auschwitz deportiert worden war. Sie überlebte; ihre Mutter nicht. 60 Jahre später habe ich sie zurück begleitet. Sie und auch ihr Enkel haben an diesem Tag viele Tränen vergossen. Und ich auch.

Haben Sie einen Ratschlag für mich, einen universellen, weisen Spruch?

Sei immer neugierig. Wenn du eine Frage hast, stelle sie – so lange, bis du eine befriedigende Antwort hast.

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Ab 14. Januar sendet BBC World News als erster Fernsehsender aus dem neuen Gebäude. HARDtalk läuft dann viermal täglich - um 04.30 Uhr, 10.30 Uhr 14.30 Uhr und 22.30 Uhr deutscher Zeit.