Adam Shaw

Moderator und Journalist

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 2. August 2012

Mr. Shaw, für Ihre BBC-Sendung „Horizons“ reisen Sie um die Welt und sprechen mit Leuten, die das Angesicht der Erde und ihre Zukunft verändern wollen. Erzählen Sie uns doch bitte von ein paar dieser Ideen, die die Welt von morgen zu einem besseren Ort machen sollen.

Wir haben gesehen wie sie die Basis für ein menschliches Ohr gedruckt haben und in ein paar Jahren wird man dort in der Lage sein, transplantierfähige Organe zu produzieren.

Ich war wirklich erstaunt, wie viele tolle Ideen „da draußen“ sind. Wenn ich mir die Welt von heute ansehe, mit all ihren Problemen, besonders was die Umwelt angeht, macht mir das Sorgen. Unsere Gesellschaft dürstet nach Entwicklungen – immer mehr Wachstum, mehr Geld, mehr Konsum. Aber die Ressourcen auf diesem Planeten sind eben begrenzt! Wir haben bei den Recherchen für „Horizons“ tolle Ideen gesehen, was das Recycling betrifft, aber auch im medizinischen Bereich – eine Universität in den USA hat einen einfachen 3D-Drucker bei Ebay gekauft, ihn umgebaut und nun können sie darauf menschliche Organe „ausdrucken“. Wir haben gesehen wie sie die Basis für ein menschliches Ohr gedruckt haben und in ein paar Jahren wird man dort in der Lage sein, transplantierfähige Organe zu produzieren. Eine andere Idee war, wie man Viren und Bakterien sozusagen per Knopfdruck unschädlich machen kann, was natürlich ein enormer Fortschritt wäre, etwa um in den ärmeren Regionen der Welt sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen.

Adam Shaw

Sie sind Moderator und Journalist, aber Sie sind auch ein Vater. Welche Probleme müssen unsere Kinder und Enkel in 50 Jahren bewältigen? Können wir es überhaupt noch verantworten, Kinder in diese Welt zu setzen?

Das ist aber eine pessimistische Frage. (lacht) Ich denke, das Hauptproblem, das wir unseren Kindern hinterlassen werden, ist die Umweltverschmutzung – steigende Meeresspiegel, stärkere Verschmutzung, und auch den Lebensstil aufrecht zu erhalten, an den wir uns inzwischen gewöhnt haben, wird nicht einfach sein. Grade deshalb müssen wir anfangen, nachhaltiger zu produzieren. Ich denke, in diesem Bereich werden die nächsten großen Entwicklungen passieren.

Umweltverschmutzung, Ozonlöcher, Vogelgrippe – die Welt scheint heutzutage ein sehr gefährlicher Ort zu sein. Was glauben Sie, wie viel von diesen Gefahren durch die Medien „gemacht“ werden?

Wenn wir so weiter machen wie bisher, werden unsere Urenkel sehr große Probleme bekommen.

Naja...hm. Ich denke, letztlich ist davon nichts durch die Medien initiiert – das sind echte Gefahren. Und ich glaube, dass wir uns gar nicht darüber bewusst sind, was da noch so alles geschieht. Dabei sollten wir uns aber im Klaren sein, dass wir durch unsere hohe Konsumrate die Umwelt schädigen. Darüber aufzuklären ist nicht nur ein Job der Medien, sondern das sollten wir alle tun! Wir müssen uns endlich klar machen, dass sich die Erde nicht so schnell erholt, wie wir sie schädigen. Wenn wir so weiter machen wie bisher, werden unsere Urenkel sehr große Probleme bekommen.

Was ist das Ziel von „Horizons“? Wollen Sie diejenigen Zuschauer beruhigen, die Angst vor der Zukunft haben, oder wollen Sie primär die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein für die Welt von heute stärken?

Wir wollen natürlich beides! Es gibt keinen Grund in Panik zu verfallen – denn es gibt ja Lösungen! Bei der Stromerzeugung zum Beispiel gibt es Ideen für neue Techniken zur Windenergie und auch innovative Ideen für Kernenergie. Wir können Kernenergie viel sicherer machen. Das, was solche tollen Entwicklungen oft verhindert, ist nicht die Technik, sondern der wirtschaftliche Faktor – wir könnten das zwar alles schon bauen und entwickeln, aber es wäre unwirtschaftlich, wen wir es einsetzen würden. Die Sache dabei ist die: Wenn eine Krise kommt, betrachtet man danach vieles anders. Als die Ölkrise anfing und der Preis für den Barrel nach oben schoss, war Windenergie auf einmal eine sinnvolle Alternative, weil sie verglichen mit dem hohen Ölpreis relativ günstig war. Die Technik und die Möglichkeiten waren aber schon lange vorher da. Es musste erst die eine Möglichkeit zur Energiegewinnung knapp, also teuer werden, bevor sich etwas geändert hat. Und darum geht es in „Horizons“ - ja, die Welt verändert sich, aber man muss davor keine Angst haben. Wenn wir die Probleme anpacken, kommen die Lösungen von selbst.

Wird es eine dritte Staffel von „Horizons“ geben?

Ich hoffe es doch! Es gibt noch so viele Themen, die wir nicht angesprochen haben und ich würde natürlich gern mit der Serie weitermachen. Aber das letzte Wort hat die BBC.

Techniken und Maschinen zu entwickeln, die uns in Zukunft helfen sollen, die Probleme der Erde leichter zu bekämpfen, ist zwar eine tolle Idee, aber ist das nicht Symptombekämpfung? Wäre es nicht viel sinnvoller, die Art und Weise zu ändern, wie wir leben, konsumieren und denken?

Definitiv! In China zum Beispiel haben wir gesehen, dass dort Bürogebäude direkt neben Wohnhäuser gebaut werden, sodass die Arbeiter zum Büro laufen können. Das hat nichts mit neuen Errungenschaften zu tun, sondern damit, wie wir denken und leben. In einem der neuen Gebäude der BBC in London ist die Treppe zum Beispiel in der Mitte des Gebäudes. Normalerweise sind die Treppen in Bürogebäuden irgendwo weiter hinten gelegen und nicht sonderlich ansprechend, deswegen nimmt man den Aufzug. Aber immer wenn ich in dieses Gebäude gehe, nehme ich die Treppe, weil ich die zuerst sehe – und es ist eine hübsche Treppe! Das ist kein technischer Durchbruch, sondern eine Veränderung in unserer Art zu Denken und zu Handeln – ein Schubser, wenn Sie so wollen, ein Schubser in die richtige Richtung. Und ich glaube, dass solche kleinen Änderungen der Denkweise genauso wichtig sind, wie die großen Errungenschaften in Technik und Wissenschaft. Wenn es eine dritte Staffel von „Horizons“ geben sollte, würde ich mich genau darauf konzentrieren.

Die Frage ist jetzt also: wie können wir es schaffen, alle diesen Luxus zu genießen, ohne der Umwelt noch weiteren Schaden zuzufügen, oder unseren Planeten sogar zu zerstören?

Was ist in diesem Moment das größte Problem der Erde?

Unsere Welt hat sicherlich viele Probleme und eine ganze Menge davon spielen sich außerhalb des Spektrums ab, das „Horizons“ bedient. Aber das sicherlich größte, auf das ich auch immer wieder zu sprechen komme, ist, dass wir die Schäden, die wir der Umwelt antun, minimieren müssen. Dem entgegen steht der starke Anstieg von Wohlstand und...Optimismus - besonders in den Schwellenländern wie Russland, Brasilien, Indien, China und sogar in einigen afrikanischen Ländern. Die Menschen in diesen Ländern stehen zum ersten Mal in ihrem Leben, ja zum ersten Mal seit Generationen vor der Aussicht, bald ein Leben führen zu können, das dem Standard der westlichen Welt entspricht – Autos, Urlaub im Ausland, Einfamilienhäuser, Zentralheizung und Klimaanlagen. Das sind alles Dinge, die wir diesen Menschen natürlich nicht versagen können. Die Frage ist jetzt also: wie können wir es schaffen, alle diesen Luxus zu genießen, ohne der Umwelt noch weiteren Schaden zuzufügen, oder unseren Planeten sogar zu zerstören?

Was kommt nach „Horizons“, was machen Sie als nächstes?

Ich arbeite grade an verschiedenen Sachen. Eine davon ist eine Serie namens „Dealers“, eine Andere ist „Drive To Buy“; dabei geht es um Immobilieninvestitionen. Und ich mache für die BBC ein paar Folgen für die, nach allem was ich weiß, am längsten laufende Doku-Reihe der Welt; es geht darum, wie die Umwelt heute im Vergleich zu den 70er Jahren aussieht – was haben wir gelernt, was hätten wir lernen sollen? Und außerdem will ich zu Hause mehr kochen.