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Hurricane Festival - Ein Festival, was seinem Namen gerecht wird

von Portrait von Julia Grimm Julia Grimm
Veröffentlicht am 27. Juni 2016

Ich war dieses Jahr auf dem Hurricane Festival in Scheeßel bei Bremen. Wobei es das eigentlich nicht so ganz trifft, denn wirklich viel mitbekommen habe ich nicht, denn das Hurricane machte seinem Namen alle Ehre. Aber dafür habe ich ein kleines Abenteuer erlebt.  Hurricane 2016 – Ein Bericht über eine chaotische Reise.

Das Hurricane Festival ist eines der größten Festivals in Deutschland. Mit rund 70.000 Besuchern ein wirkliches Megaevent. Das Hurrciane hat eigentlich das identische Line-Up wie das Southside Festival in Baden-Württemberg, die Bands die Samstag im Norden spielen, spielen Sonntag im Süden und umgekehrt.

Nun hatte ich die Karte schon seit Weihnachten. Es sollte mein erstes Festival dieser Art werden (sonst findet man mich eher auf Theaterfestivals dieser Republik) und das Line-Up war für mich wie geschaffen. Besonders gefreut habe ich mich auf eine meiner absoluten Lieblingsbands Jennifer Rostock, die ich bisher noch nie live sehen konnte, weil es nie richtig gepasst hat.

Mit mir unterwegs waren Anne*, Alina*, Daniel* und Rinda* (*Namen geändert), allesamt Schulfreunde von mir, die ich schon seit Jahren kenne. Wir fünf Freunde haben uns mit Zelt, Gepäck und Stühlen (weil wir uns unbedingt auf Stühle setzen wollten auf dem Campinggelände) in einen Audi A3 gequetscht. Ich hatte das große Glück Fahrerin zu sein und hatte daher genug Bewegungsfreiheit, auf der Hinterbank hätte jedoch kaum ein Blatt Papier mehr reingepasst. Zusammengequetscht zwischen Zelt und Stühlen fuhren wir dann los.

Ein kleiner Spoiler vorab: Wir haben uns kein einziges Mal auf unsere Campingstühle gesetzt.

Voller Vorfreude starteten wir unsere Journey und fuhren los. Es war superheiß, 35° zeigte mir mein Auto an und das Wetter sollte so das ganze Wochenende bleiben. Natürlich kamen wir auf der A46 direkt in den Stau, aber ansonsten kamen wir recht gut durch. Wir sind 15 Uhr los gefahren, gegen 18 Uhr befanden wir uns bei Kilometer 20 vor dem Ziel.  Ich bin auf der Landstraße einem Trucker hinterher, der plötzlich links blinkte und einen PKW überholte. Ich tat es ihm gleich, überholte ungeniert das stehende Auto. Erst beim Passieren merkte ich, das die Ampel an der das Auto stand, an war und ich gerade voll über Rot gefahren bin. Man hatte es nicht erkennen können, da die Sonne so krass hell schien. Dann war aber bei Kilometer 17 vor dem Ziel Schluss, denn das begann der Stau vor dem Festival.

Ich sah auf dem Navi nach und entschied mich, an einer Seitenstraße den Stau zu umfahren. Und wir haben uns kaputt gelacht, als wir parallel zum Stau die Dorfstraßen lang tuckerten. „Wir sind ja eigentlich sozial“, sagte Alina, „denn da wir ja den Stau umfahren, wird der Stau ja auch kürzer.“ So haben wir uns zumindest vor unserem Gewissen gerechtfertigt.

Irgendwann fuhren wir jedoch in einen Wald rein, wo auch ein „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ stand, was ich jedoch gekonnt nach der Roten-Ampel-Aktion übersah (wenn schon, denn schon). Also fuhren wir irgendwann eine absolute Waldstraße lang und ich hatte echt Sorge, da nicht mehr raus zu kommen.

Kamen wir aber glücklicherweise trotzdem und als wir uns wieder in die Schlange einfädelten, waren es nur noch 8 km zum Ziel. Wir standen dann trotzdem noch 2 ½ Stunden im Stau, aber mit guter Laune und guten Freunden war das kaum der Rede wert. Letztendlich kamen wir 22:00 am Parkplatz bei leichten Nieselregen an und machten uns auf zum Campingplatz, wo wir auch recht schnell einen guten Platz erwischten. Jetzt hatte es aber schon bisschen mehr angefangen zu regnen, also wollten wir schnell unser Zelt aufschlagen. Ich hatte ein sehr altes Zelt mit, was zur Not auch kaputt gehen konnte. Da wir uns anscheinend mitten in eine Zeltgruppe reingestellt hatten, mussten wir es jedoch wieder abbauen, aber dabei halfen uns zum Glück zwei Jungs (an dieser Stellen vielen Dank, ohne euch hätten wir das nicht geschafft).

Denn mein Zelt war nicht eines dieser Schiebezelte, das selbst ein Fisch aufstellen kann, konnte uns selbst die Anleitung nicht weiterhelfen. Gegen 24 Uhr stand es jedoch mehr schlecht als recht, aber es stand. Wenn auch mit ein paar Schönheitsfehlern. Also legten wir uns völlig fertig rein und da wir für eigentliche 2 ½ h Fahrt nicht viel Proviant mit hatten, teilten Anne, Rinda und ich uns einen Apfel. Anorexie 2.0 sozusagen, da kann die Bikinifigur ja kommen!

Und dann begann das Unheil.

Gegen 1:30 Uhr wurde ich von der Kälte geweckt und schlüpfte in den Schlafsack. Ich dachte mir da schon, das gibt gleich Gewitter. Aber was dann kam, habe ich so auch noch nie erlebt, obwohl ich recht oft campen gehe (zu meiner Verteidigung aber immer mit einem anderen Zelt). Innerhalb von Minuten fing es richtig an zu stürmen, das Außenzelt wurde gegen das Innenzelt gedrückt, sodass es sofort undicht wurde. Im Zelt befanden sich zwei Eisenstangen und ich werde nie das Bild vergessen, wie Anne sich mit beiden Händen gegen das Zelt stemmte und wir versuchten, es nicht zum Einsturz zu bringen. Der Wind heulte uns um die Ohren, der Donner war nicht mal eine Sekunde nach dem Blitz zu hören. Und wir mit unseren Eisenstangen, super Voraussetzungen, falls irgendwo der Blitz einschlagen sollte.

Wir drei Mädels hatten dermaßen Schiss (der Ausdruck Angst trifft es hier nicht ganz), dass wir uns beschlossen, die Nacht im Auto zu verbringen. Zu dem Zeitpunkt war unser Zelt schon kaputt, der Vorraum ist komplett eingestürzt, meine Tasche, die dort lag, war komplett durchnässt. Also sind wir dann mit dem notdürftigsten zum Auto gestiefelt, ich hatte natürlich meine Gummistiefel ganz praktisch um Auto, so dass ich mit Sneakers durch die Gülle musste.

Draußen bot sich uns ein Bild wie im Krieg. Kein Pavillon stand mehr, Zelte waren aufgerissen, alles, wirklich alles stand unter Wasser. Und dabei haben wir beim Betreten des Geländes noch gewitzelt, wie cool es wäre, wenn es einen Pool auf dem Platz gäbe. Als wir dann zum Auto sind, das nächste Unheil: Alina hatte vergessen, ihr Fenster hoch zu kurbeln – der gesamte hintere Fußraum war mit Wasser gefüllt, was ich dann notdürftig mit einem Plastikbecher ausschöpfte. Irgendwann gegen halb vier schliefen wir dann im Tetris-Style im Kofferraum.

Das ganze wäre ja nicht so wild gewesen, wenn es am nächsten Tag wieder besseres Wetter gewesen wäre. Aber bis 10 Uhr hat es durchgehend geregnet, alles war nass und dreckig. Daniel und Alina, die im zweiten Zelt die Nacht verbracht hatten, kamen dann hinzu  und wir beschlossen, die Konzerte Freitag noch mit zu nehmen und dann nach Hause zu fahren.

Nächstes Projekt also, Auto vom überfluteten Parkplatz, was nur ein Acker war, wegkriegen. Natürlich bin ich stecken geblieben. Ich bin 23 und habe schon bisschen Fahrerfahrung, aber stecken geblieben bin ich noch nicht. Und es war das Auto meines Großvaters und noch recht neu, vor meinem inneren Auge spielte sich schon ein Horrorszenario ab, dass ich hier nie wieder raus komme, für den Rest meines Lebens auf dem Acker verbringen muss, mein Opa mich enterbt, zwischen der Kommune und dem Bauern ein Streit ausbricht, der die Rechtspopulisten auf den Plan ruft, die immer mehr Aufwind kriegen und wir in paar Jahren uns im dritten Weltkrieg wiederfinden. Und ich immer noch auf dem Acker. Alina ist dann los zu zwei Jungs, die auch die Nacht im Auto verbracht haben, um sie um Hilfe zu bitten. Da gab es dann den absoluten Festival Moment: „Ja, ja. Haben gesehen, dass ihr feststeckt. Ich habe hier schon paar Leute zusammengetrommelt.“ Sehr nett Jungs!

Mit vereinten Kräften konnten wir uns dann befreien, auch wenn ich so nervös war, dass mein linker Fuß an der Kupplung stand nur am Zittern war. Aber wir haben es geschafft uns sind dann erstmal (verdient) eine Pizza essen gegangen.

Zurück auf dem Festivalgelände hatte sich das Wetter wieder aufgeklärt, allerdings war überall Matsch. An einem Weg stand ein Kerl, der kostenlose Wattwanderungen anbot. Man nahm es mit Humor. Wir hatten aber leider schon Urlaube abgesagt etc., so dass für uns klar war, wir fahren heute. Das Hurricane selber startete den Hashtag #HurricaneSwimTeam. Solltest Du Dir auf jeden Fall anschauen!

Wir genossen noch Zebrahead und Royal Republic . Danach der große Moment, Jennifer Rostock sollte spielen. 10 Minuten bevor die Band auf die Bühne gehen sollte, dann die Durchsage: „Wir müssen das Festivalgelände wegen einer Gewitterwarnung evakuieren. Bitte verlassen sie die Bühnen und begeben sie sich zum Auto“. Ich war so dermaßen enttäuscht, dass Rinda mir versprach, mich auf das nächste Jennifer Rostock Konzert einzuladen.

Im Auto angekommen (nachdem wir uns verloren und wiedergefunden hatten) beschlossen wir dann, schon zu fahren. Denn der Wetterbericht sagte nur noch Unwetter an und wir waren echt fertig und es war noch nicht mal klar, ob es Freitag weiter gehen sollte. Außerdem wurde da schon das Southside-Festival abgesagt. Also fuhren wir gegen 20 Uhr los und waren um 23 Uhr in unserer Heimatstadt, wo uns von der Dorfkirmes noch nett ein Feuerwerk begrüßte. Wenigstens das.

So fiel ich dann kurz vor 0 Uhr nach nicht mal 24 h Festival halbtot ins Bett und hatte das Gefühl, das ganze Festival in meinen Knochen zu haben. Den Campingstuhl ans Bett gelehnt, den ich ganze Zeit hin und her geschleppt habe, aber mich kein einziges Mal drauf setzen konnte.