Amtliche Qualen...

von Portrait von Nicole Klein Nicole Klein
Veröffentlicht am 8. April 2014

Wenn's Wetter draussen mies ist, denke ich immer an was Schönes. Das tut nämlich gut. So auch heute, als mir unser Urlaub in den Sinn kommt, den wir vor einigen Sommern gutgelaunt überm grossen Teich verbracht haben. Und wie ich da so vor mich hinreminisziere, fällt mir diese Anekdote ein, die mich während der reisetechnischen Vorbereitungen auf dem Amt echt Nerven gekostet hat. Denn wo immer amtliche Qualen mit gesundem Menschenverstand kollidieren, wie in dem Fall, den ich gleich schildern will, ist für Spass (für den Leser) und Ärger (für mich), Kurzweil (für den Leser)und zähes Verhandeln (für mich) gesorgt, während dessen immer einer verliert.

In der Regel ist es nicht das Amt.

Der Ärger und die Verhandlungen blieben erst einmal an mir kleben und lösten sich erst in der Rückschau, also jetzt, auch für mich in Spass und Kurzweil auf.

Folgende Story in der Höhle des Löwen hat sich exakt so abgespielt wie von mir beschrieben:

Ich brauchte nur mal kurz einen neuen Reisepass für meinen Sohn. Denn wir wollten in den Sommerferien in die USA. Und um überhaupt in die USA einreisen zu können, brauchte er eins von diesen neuen Hi Tech-Dingern.

Seit 9/11 stellen sie sich drüben ja ab und an ein bisschen viel quer, wenn anhand mangelnder biometrischer Daten im Pass nicht ausgeschlossen werden kann, das der Siebenjährige, der da gerade ins Gelobte Land einreisen möchte, nicht doch der gesuchte kleinwüchsige gebleachte Bombenleger ist, mit blondgefärbten bis fast an die Schultern reichender Haarpracht. By the way: Wurden in den 70ern nicht prinzipiell alle langhaarigen Wesen mit primär männlichen Geschlechtsteilen als Bombenleger bezeichnet, auch in der BRD? Dann hat sich 40 Jahre später diesbezüglich ja nicht viel getan.)
Bewaffnet mit dem alten Kinderreisepass meines Sohnes öffne ich also an einem unbestimmten Mittwoch vormittag im Spätfrühling 2011 gutgelaunt die Tür zu unserer Gemeindeverwaltung, bin sogleich an der Reihe und damit sogleich bedient...
Ich sage:
"Guten Morgen. Ich brauche einen neuen Reisepass für meinen Sohn".

Das Fräulein Nr. 1 vom Amt sagt:
"Oh ja, kein Problem. Wo ist Ihr Sohn denn?"

Ich sage:
"Der ist in der Schule"

Das Fräulein Nr. 1 vom Amt sagt:
"Sie müssen ihn schon mitbringen. Er muss nämlich auch unterschreiben".

Ich sage:
"OK, wir kommen dann morgen wieder".

Hätte mir ja denken können, dass das nicht glattläuft.

Der nächste Tag bricht an. Es ist der 1. Donnerstag im Monat, das Amt hat auch spätnachmittags geöffnet, was außer uns noch 10 andere Reiselustige spitzgekriegt haben. Wir stellen uns hinten an und vertreiben uns die Zeit mit Bildchen malen und INTOUCH lesen. Was anderes haben die dort nicht.

Jetzt sind wir dran.

Ich sage :
"Hallo, hier bin ich wieder, mein Sohn ist mit dabei".Das Fräulein Nr. 1 vom Amt sagt:
"Super, dann können wir loslegen. Ich brauche jetzt nur noch die Einwilligungserklärung des Kindsvaters (auch so ein tolles Wort!). Wissen Sie, ich muß sicher sein, daß Sie das Kind nicht ausser Landes schaffen wollen, gegen den Willen des Erzeugers".

Mir schwillt schon der Kamm.

Ich sage:
" Ach so, das wußte ich nicht. Dass ich entführen will. Und deshalb so eine Erklärung abgeben muss. Und es so auf legalem Weg tun könnte. Wenn ich wollte. Aber gerne beschaffe ich die gewünschte Erklärung."

Ich denke:
"Du blöde Kuh, warum lässt Du mich so auflaufen, das hättest Du mir doch auch gestern schon sagen können".

Aber ein Ass habe ich noch im Ärmel, an das Passbild habe ich unaufgefordert gedacht und lege es triumphierend auf den Tisch.

Ich sage:
"Hier ist das Passbild, dass Sie sicherlich brauchen. Wegen der Erklärung komme ich gerne morgen wieder und bringe sie mit".

Das Fräulein Nr. 1 vom Amt sagt:
"Das Bild lege ich schon mal zu den Unterlagen. Aber morgen bin ich nicht da, dann übernimmt meine Kollegin".

Das Fräulein Nr. 1 vom Amt hackt die Daten meines Sohnes in den Computer und druckt sie aus. Wir lesen gegen und mein Sohn unterschreibt. Und wir verabschieden uns. Ich sehe noch, wie sie das Passbild zu den restlichen Unterlagen steckt, die meinen Sohn als meinen Sohn ausweisen.

Der nächste Tag ist angebrochen und ich fahre wieder zum Amt.

Ich sage:
"Guten Morgen, heute bringe ich Ihnen die Einwilligungserklärung, unterschrieben von meinem Gatten, der bestätigt, dass ich mit der Ausstellung eines neuen Kinderreisepasses nur lautere Absichten habe".

Das Fräulein Nr. 2 vom Amt, das heute das Fräulein Nr. 1 vom Amt vertritt, sagt:
"Oh, danke. Dann suche ich mal die Unterlagen raus".

Einige Minuten verstreichen, sie durchwühlt den Schreibtisch vom Fräulein Nr. 1 vom Amt, die Unterlagen tauchen auf.

Das Fräulein Nr. 2 vom Amt sagt:
"Jetzt brauchen wir nur noch das Passfoto."

Ich sage:
"Das habe ich gestern zusammen mit der Unterschrift abgegeben. Ihre Kollegin hat es zu den Unterlagen gesteckt."

Ich denke:
"Jetzt mach' aber mal einen Punkt, Sweetheart, dann fang' halt an zu suchen und mach' Deine Äuglein ganz weit auf."

Das Fräulein Nr. 2 vom Amt sagt:
"Es ist aber nicht da."

Ich sage:
"Doch, muss es aber."

Ich denke:
"Dann beweg' doch Deinen Hintern und such' alles ab."

Das Fräulein Nr. 2 vom Amt sagt:
"Nein, ist es nicht."

Ich sage:
"Ich habe es Ihrer Kollegin doch gestern gegeben und sie hat es zu den Unterlagen gesteckt."

Ich denke:
"Jetzt such' endlich den verfickten Fußboden mal ab. Irgendwo muss es ja schliesslich sein."

Sie sagt:
"Es ist aber definitiv nicht da".

Ich habe keinen Bock mehr, balle die Fäuste.

Ich sage:
"Dann werde ich wohl ein Neues mitbringen müssen."

Ich denke:
"Du blöde Kuh, wie kann man nur so desorganisiert sein."

Sie sagt:
"Ja."

Ich sage:
"Bis Montag."

An besagtem Montag bringe ich also das Passfoto vorbei und muß jetzt erst einmal 3 Wochen nicht ins Amt, weil der Pass so lange braucht, bis er gar ist.

Drei Wochen und einen Anruf vom Amt später stehe ich wieder auf der Matte und will den Pass abholen. Den alten Ausweis habe ich mitgebracht, damit er entwertet werden kann (nicht, dass da draussen jemand denkt, ich würde nicht mitdenken).

Das Fräulein Nr. 2 vom Amt, das auch an diesem Tag Dienst machen muß, vergleicht die beiden Pässe und schnaubt:

"So, da haben wir den Salat. Beim neuen Pass fehlt der zweite Vorname des Kindes."

Ich sage:
"So ein Mist, wie konnte das denn passieren. Im ersten steht er doch auch drin."

Es riecht schon wieder verdammt übel nach Ärger...

Mein Blick auf den Ausdruck mit den Angaben zu meinem Sohn zeigt mir, daß das Fräulein Nr. 1 vom Amt seinerzeit schlicht vergessen hatte, den zweiten Vornamen mitaufzunehmen. Das sage ich dem Fräulein Nr. 2 vom Amt dann auch.

Das Fräulein Nr. 2 vom Amt sagt:
"Es ist egal, ob meine Kollegin vergessen hat, den zweiten Vornamen einzutragen oder nicht. Sie haben den Ausdruck nicht richtig gegengelesen. Das war Ihr Fehler. Dass das Ihnen nicht aufgefallen war."

Zack bumm. Jetzt weiss ich, dass ich eigentlich saublöd bin. Sie hat's mir brutal durch die Blume entgegengenölt.

Ich spüre die Blicke der restlichen Reisepassanwärter im Nacken und höre mich sagen, lauter als zuvor:

"Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Muss ich denn jetzt noch Lehrerin spielen? Gut, mir ist es nicht aufgefallen, aber Ihre Kollegin hat definitiv beim Übertragen des Namens vom Pass in den Computer einen Fehler begangen und daran bin nicht ICH schuld".

Anmerkung der Redaktion: Den zweiten Vornamen unseres Sohnes haben sowohl mein Mann als auch ich gänzlich aus unserem Gehirn gestrichen. Das war so eine beknackte gehirnentleerte Idee, einen Tag nach der Geburt, gänzlich unüberlegt. Er passt so gar nicht zu unserem Kind. Kaum jemand weiß, dass es diesen Zusatz überhaupt gibt. Fast niemand kennt ihn (noch nicht einmal die Grossmütter). Das soll auch so bleiben. Obwohl, nach diesem ganzen Hickhack werde ich eh zum Ortsgespräch und das Geheimnis wird wohl keins mehr bleiben.

Deswegen hat mein Hirn sich beim Lesen der Zeile "ZWEITER VORNAMEN" im Ausdruck bestimmt auf Autopilot gestellt und ihm ist gar nicht aufgefallen, dass er fehlt. Das konnte und wollte ich dem Fräulein Nr. 2 vom Amt aber nicht sagen. So gut verstehen wir uns nicht.

Das Fräulein Nr. 2 vom Amt sagt:
"Doch Sie SIND schuld. Macht 36 €. Sie müssen den jetzt bezahlen und wir müssen einen neuen beantragen. Der kostet dann nochmal 36 €."

Ich sage:
"Nein, die kriegen Sie nicht".

Ich denke:
"Du blöde Schlampe, jetzt gehst Du wirklich zu weit."

So geht das noch ca. 5 Minuten weiter. Wir versuchen, eine Lösung zu finden. Gefunden ist sie, als ich mich bereit erkläre, die Hälfte der Kosten zu übernehmen, da ich ja wohl Tomaten auf den Augen gehabt haben muß und ich das Fehlen des hoffentlich nicht identitätsstiftenden zweiten Vornamens übersehen habe.

Bis zum Urlaub sind es zu diesem Zeitpunkt noch genau 3 Wochen. Es ist fraglich, ob die ganze Aktion noch fristgericht und erfolgreich eingetütet werden kann. Ich bin mittlerweile reif für die Insel.

Um es abzukürzen: Der zweite Anlauf hat dann geklappt, wenige Tage vor Abflug hielten wir einen Luxus-Pass für insgesamt 54 € in den Händen und haben es damit sogar durch den amerikanischen Zoll und am knatschigen Einwandungsbehördler vorbei zur Mietwagenstation und in den Urlaub geschafft. Und hatten tolle 3 Wochen dort. Während das Fräulein Nr. 2 vom Amt sich täglich an seinen Schreibtisch quälen mußte. Und noch ca. 40 Jahre Gequältwerden aushalten muss. Wahrscheinlich war ihre Show die Rache dafür, dass sie so einen mistig langweiligen Job gewählt hat, aus dem sie für sich keinen Ausweg sieht.

Ich denke: DIE.MEISTEN.KLUGSCHEISSER.WERDEN.NIE.BEGREIFEN.DASS.MAN.RECHT.HABEN.KANN.UND.TROTZDEM.EIN. IDIOT.IST (Dieser tolle Spruch ist leider nicht von mir. Ich habe ihn irgendwo im Netz entdeckt und überaus passend gefunden. Als Untermalung für diesen Artikel.

Sie hatten Recht, die Fräuleins Nr. 1 und 2 vom Amt? Nie und nimmer. Nur ein Klugscheisser würde auf so eine idiotische Idee kommen...