Ab heute im Kino: Baz Luhrmanns nächste Orgie „Der große Gatsby“

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 16. Mai 2013

Baz Luhrmann hat bisher nur fünf Kinofilme gedreht, ist aber trotzdem bekannt für seine zelluloidären Ausschweifungen. Das deutete sich bei „Romeo und Julia“ an und erreichte seinen Höhepunkt 2001 in dem ekstatischen und umstrittenen Prunkstück „Moulin Rouge!“. Für „Der große Gatsby“ reist Luhrmann weiter durch die Zeit, verlässt die Pariser Bohème des ausgehenden 19. Jahrhunderts, überquert den Großen Teich und schließt sich dreißig, vierzig Jahre später der nächsten Hyper-Hedonisten-Parade an – im Long Island der 1920er Jahre, wo der Schampus verboten war und trotzdem in Strömen floss, wo von dem Börsencrash vier Jahre später noch niemand etwas ahnte und trotzdem eigentlich alle wussten, dass die Roaring Twenties nicht für immer röhren konnten. Inmitten dieser Kollision von hysterischer Aufbruchsstimmung und unheilvoll pulsierender Vanitas hatte F. Scott Fitzgerald, der selbst nur zu gern Gast jener berüchtigten Partys war, seine Hauptfigur in „Der große Gatsby“ gelegt. Er konnte ja nicht ahnen, dass er Baz Luhrmann den Stoff 90 Jahre später praktisch auf den Regisseuren-Leib geschrieben hatte.

Ab heute im Kino: Baz Luhrmanns nächste Orgie „Der große Gatsby“

Fitzgeralds Roman schrie spätestens seit „Moulin Rouge!“ danach, von Luhrmann gefunden zu werden. Diese Fusion hat nun stattgefunden. „Der große Gatsby“ war gestern Abend der Eröffnungsfilm bei den Filmfestspielen von Cannes und startet heute in den deutschen Kinos. Die Kritiken sind fast ausschließlich positiv, obwohl der Film gegenüber dem Literaturklassiker einige Veränderungen erfahren hat und Fitzgeralds nennen wir es mal „ökonomischen“ Stil durch opulentes Bildwerk so sehr erweitert, dass die Geschichte mitunter sehr weit in den Hintergrund rückt. Das musste auch der Held des Romans, die Figur Nick erfahren. Tobey Maguire ist als Nick Carraway zur Randfigur verkommen und musste dem im Buch fast schon schattenhaften Gatsby viel Zeit im Rampenlicht abtreten. Carey Mulligan ist als zerbrechliche Daisy perfekt besetzt. Gewöhnungsbedürftig ist dagegen die musikalische Untermalung, denn wozu 1925 ganz sicher nicht getanzt wurde, ist Hip Hop. Luhrmann versuchte den damals als schwindelerregend empfundenen Jazz durch etwas zu ersetzen, dass das Blut heutzutage in Wallung bringt. Sein Anachronismus mag nicht jedem gefallen, verlassen wird das Kino kaum jemand, denn die wilden Kamerafahrten und strudelnden Schnitte ziehen den geneigten Zuschauer schnell in den Bann.

In den ersten beiden Tagen spielte der Film in den USA über 50 Millionen Dollar ein - mehr als der eher konventionelle und wahrscheinlich deshalb auch eher moderat erfolgreiche „Australia“ in den USA insgesamt einspielte. Luhrmanns nächster großer Wurf scheint gekommen.