Ein Blick ins (virtuelle) Bücherregal: Bücher vs. Kindle - Eine ewige Kontroverse?

von Portrait von Lina Wemhöner Lina Wemhöner
Veröffentlicht am 11. August 2014

Wer kennt es nicht? Das Bücherregal ist gnadenlos überfüllt, aber dennoch schmerzt es in der Seele auch nur einen dieser liebgewonnenen Schätze abzugeben. Man könnte ja das ein oder andere Buch noch einmal lesen, prägende Erinnerungen haften an jedem einzelnen Werk und irgendwie sieht das Ganze ja auch sehr gemütlich aus. Ich bin ehrlich, ich schau mir liebend gerne meine Bücherwand an und überlege mir, wie ich sie noch erweitern könnte. Noch ein Regal? Bücher in zweiter Reihe? Doch dann nahmen meine Eltern mir diese tiefgreifende Entscheidung ab: Sie schenkten mir zum Geburtstag einen Amazon-Kindle.

Dies ist inzwischen zwei Jahre her und ich muss sagen, es hat sich in einigen Fällen wirklich gelohnt. Ich verzichte nicht gänzlich auf Neuanschaffungen in gedruckter Form. Ich liebe es, ein neuerworbenes Exemplar zu beginnen, den Geruch jeder einzelnen Buchseite aufzunehmen, mich mit einem Tee gemütlich hinzusetzen und einfach in die phantastische Welt meines Buches einzutauchen. Eines meine Lieblingsbücher, „Die Stadt der Träumenden Bücher“ von Walter Moers (bereits 2004 erschienen), verdeutlicht meine Affinität zu Büchern auf jeder einzelnen Seite. Nicht nur die Handlung des Werkes - auch die Beschreibungen könnten treffender nicht sein: Als der junge Protagonist Hildegunst von Mythenmetz die Stadt Buchhaim, die Stadt der Träumenden Bücher, betritt, erscheint sie ihm wie ein unendlicher Bücherladen. Er nimmt säuerliche Gerüche wahr, die ihn an den Duft der Zitronenbäume erinnern, er riecht das Aroma von altem Leder und zeitgleich das scharfe Parfüm der Druckerschwärze. Über der Literatur liegt ein gewisser Zauber, der jeden von uns mit in ein Abenteuer ziehen kann und das nicht nur durch eine ausgefeilte Handlung. Oftmals ist es einfach das Buch selbst, das auch mich zum Kaufen animiert.

Aber zurück zu meinem virtuellen Bücherregal: Sechs Zoll, 172 x 120 x 10,1 mm, 213 Gramm, Akku-Laufzeit bis zu zwei Monaten, Speicherkapazität bis zu 3.000 Bücher. Dieses schmucke Werk ist im Online-Shop Amazon erhältlich und ich verspreche euch, der Platzmangel ist besiegt. Preislich unterscheiden sich die E-Books in den seltensten Fällen von den gedruckten Ausgaben. Neuerscheinungen sind immer in der gleichen Preiskategorie zu finden. Dennoch gibt es zahlreiche Klassiker auch kostenfrei zu erwerben - von Jane Austens „Emma“ über Jules Vernes „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ bis hin zu Goethes „Faust“ ist alles zu finden. Somit werden auch die bisher königlich herrschenden – und vermutlich von den meisten Schülern verfluchten – Reclambücher von ihrem Thron gestoßen.

Aus „Bibliothek“ wird plötzlich „Bücher-Flatrate" 

Ein Blick ins (virtuelle) Bücherregal: Bücher vs. Kindle - Eine ewige Kontroverse?

Da der Kindle vermutlich bereits in vielen Haushalten Einzug erhalten hat, zögert Amazon nicht lange und lässt sich immer wieder Neuheiten einfallen, um die Leser ihrer virtuellen Bücher weiterhin an sich zu binden – so nun auch mit „Kindle Unlimited“. Womit haben wir es hier zu tun? Um es einfach auszudrücken: Eine Flatrate für Bücher. Seit Juli 2014 ist diese im US-Amazon-Shop aktiv und lässt Kunden zu einem Abopreis von 9,99 US-Dollar pro Monat unbegrenzt auf über 600.000 E-Books zugreifen. Hier wirbt Amazon mit bekannten Bestsellern wie etwa „Harry Potter“, „Hunger Games“ oder „Life of Pi“. Trotz des großen Sortiments stehen viele andere Bücher großer Verlage nicht zur Auswahl, so Spiegel Online; darunter unter anderem die US-Verlage Hachette, HarperCollins, Macmillan, Penguin Random House und Simon & Schuster.

Amazon präsentiert sich mit seinem neuen Dienst durchweg optimistisch:

„Ein gutes Buch zu finden ist richtig einfach, und es gibt keine Rückgabetermine.“

In Deutschland ist diese Leihbücherei bisher noch nicht fester Bestandteil der Amazon-Kindle-Angebote. Dennoch kann jeder, der eine Premium-Mitgliedschaft bei Amazon Prime besitzt, regelmäßig Bücher ausleihen. Jedoch ist das Angebot hier noch sehr mager und umfasst wenige Bestseller.

Ergo: Die virtuelle Welt wird größer, vielfältiger und macht es uns einfacher. Doch ist das auch gleich besser? Ich muss ja zugeben, ich war zunächst skeptisch. Ich wollte mein heißgeliebtes, gedrucktes Buch nicht ohne weiteres aus der Hand geben. Ganz schlimm war die Vorstellung, Bücher wie auf einem Computerbildschirm lesen zu müssen. Doch diese Ansichten wurden schon bald revidiert: Mit dem E-Ink-Display liest es sich tatsächlich wie auf dem Papier und auch Sonneneinstrahlung ist hier kein störender Faktor. Auch für den Urlaub erweist sich der Kindle immer wieder als ein treuer Begleiter – hat man vorher zweimal überlegt, ob man ein zweites oder gar ein drittes Buch mit in den Koffer packen sollte, erübrigt sich diese Frage nun und ich lade so viele Bücher wie ich möchte (… und natürlich wie das Geld reicht) auf meinen Kindle.

Dennoch will ich niemals meine Bücher missen, auch zurzeit liegt ein „echtes“ Buch auf meinem Nachtisch. So also noch ein kleiner Buchtipp zum Ende dieser Geschichte: „Die Toten, die niemand vermisst“ von Michael Hjorth und Hans Rosenfeld. Der dritte Band einer typisch schwedischen Krimi-Reihe handelt von Sebastian Bergman, einem herausragenden Kriminalpsychologen, der die Stockholmer Polizei bei der Untersuchung von Verbrechen unterstützt. Durch seinen unheimlich interessanten Charakter und seine zum Teil fragwürdigen Entscheidungen rückt seine Person oftmals in den Fokus der Erzählung. Aber nicht nur sein Privatleben wird neben der Kriminalhandlung ausgiebig beschrieben, auch die der anderen Ermittler sind wichtige Bestandteile des Buches. So wird diese Lektüre zu einem wirklich authentischen Werk, das selten an Spannung verliert.