Annett Louisan

Musikerin

von Portrait von Lisa Siewert Lisa Siewert
Veröffentlicht am 10. Februar 2014

Annett, am 14. Februar erscheint dein neues Album „Zu viel Information“ - schon zehn Jahre sind seit deinem Durchbruch mit „Ich will doch nur spielen“ vergangen. Wie würdest du persönlich deine musikalische Entwicklung einschätzen, was ist neu und hat sich in diesem Jahrzehnt verändert?

"Ich kann inzwischen auch mal Unperfektes stehen lassen..."

Am meisten habe ich wohl auf der Bühne gelernt. Das Live-Spielen das öffnet einen anderen Zugang zur Musik. Ich kann inzwischen auch mal Unperfektes stehen lassen, ich möchte, dass der Raum zu spüren und zu hören ist. Ich glaube, das hat sich im Gegensatz zu den ersten Alben schon verändert.

Dein Bedürfnis auf Tour zu gehen und mit deinen Fans zusammen Musik zu erleben, das teilst du auch gerne bei Facebook mit. Aber wenn es dann soweit ist, kurz vor dem Auftritt – Bist du da inzwischen ganz cool oder nach wie vor aufgeregt?

Unbedingt! Ich möchte das auch nie ganz verlieren. Die Angst ist eine Art sich ins Jetzt zu holen, sich auf die Bühne einzustellen, seine ganze Konzentration zu sammeln, dann da raus zu gehen und die Leute glücklich zu machen – und das ist ja das, was ich möchte. Ich glaube es gibt da zwei Arten wie das Künstler machen, das hab ich schon oft gehört, einmal durch schlechte Laune und einmal eben das Lampenfieber. Das ist einfach eine Taktik. Und schlechte Laune ist nicht mein Stil, dann muss ich die Angst in Kauf nehmen.

Du sprichst von Strategien, die du hast. Hast du also feste Rituale vor einem Auftritt?

Ja doch. Ich brauche vor meinem Auftritt eigentlich immer meine Ruhe oder wenn es möglich ist, auch meine eigene Garderobe, wo ich mich dann eine Stunde lang ganz in Ruhe fertig machen kann. Ich tigere dann ein bisschen herum, kann nicht mehr sitzen, sondern gehe auf und ab und lächele mir im Spiegel zu.

Jetzt haben wir schon interessante Informationen über dein Bühnenleben erfahren. Dein neues Album trägt ja den Titel „Zu viel Information“, warum dieser Titel? Gibt es da einen bestimmten Grund?

"Wir sind alle einer Flut von Informationen ausgesetzt und der Weg zur richtigen Information ist fast wichtiger als die Information als solche."

Ich glaube, dass es den Zeitgeist schon sehr gut trifft. Wir alle sind einer Flut von Informationen ausgesetzt und der Weg zur richtigen Information ist fast wichtiger als die Information als solche. Das ist für viele Menschen einfach überfordernd. Im digitalen Zeitalter, in dem man sich eigentlich immer wieder fragen muss „Ist das die Wahrheit, ist das eine Halbwahrheit?“, hat man nur noch die Chance ein Fachidiot werden zu müssen. Jeder baut sich irgendwie seinen eigenen kleinen Mikrokosmos. Es gibt irgendwie kein globales Wissen mehr, wie das noch in Zeiten von Goethe der Fall war. Da hat man es innerhalb eines Lebens als Mensch geschafft, sich alles Nötige anzulesen. Das ist heute eigentlich gar nicht mehr möglich. Ich hab aber versucht, dieses recht ernste Thema mit Banalitäten auszudrücken, ich mag´s wenn man diesen Gegenpol hat, leicht und schwer, schwer und leicht. Und wenn ich ganz in den Keller fahre in meinen Liedern, dann will ich die Leute auch wieder mit hoch nehmen.

Annett Louisan

Dich inspirieren also die Höhen und Tiefen im Leben – du bist aber auch viel auf Reisen, kannst du auf diesen auch Inspiration für deine Lieder und deine Kreativität schöpfen, oder wovon lässt du dich sonst noch beeinflussen?

Reisen sind gut um das Leben auf eine Art und Weise viel bewusster zu betrachten. Man geht in seiner eigenen Stadt nicht so bewusst entlang, wie in einer fremden. Was inspiriert mich noch? Ich bin ein sehr symbiotischer Mensch, und ich liebe es das Gefühl zu haben, einen gleichen gemeinsamen Nenner mit einem anderen Menschen zu finden. Das kann man nur leider nicht immer. Ich versuche in Zwischenmenschlichkeiten oder Gesprächen diese Symbiose zu finden. So viele zwischenmenschliche Delikatessen begegnen einem auf der Straße. Genau genommen, inspirieren mich also Menschen am meisten.

Wenn du sagst Menschen inspirieren dich, dann sicher auch solche aus deinem direkten Umfeld, Freunde und Familie. Spielst du denen eigentlich auch deine Lieder vor, bevor diese auf dem Album landen und fragst sie nach ihrer Meinung? Oder bist du da eher vorsichtig und zurückhaltend?

Nein, ich bin eher weniger zurückhaltend. Das tue ich schon. Man muss mich manchmal eher zügeln, dass ich nicht zu viele Meinungen und Ratgeber habe kurz vor der Veröffentlichung eines Albums, denn dann muss ich einfach auch Entscheidungen treffen. Das muss man dosieren. Jeder Mensch braucht Ratgeber, aber es ist ganz wichtig, sich die auch genau auszusuchen und einen Mix herzustellen, um da einen objektiven Blick zu bekommen. Und am Ende darf man auch sein eigenes Bauchgefühl nicht verlieren. Ich muss mich dann entscheiden und manchmal auch gegen alle anderen Meinungen. Da muss man diszipliniert sein, denn es kann auch leicht verwirren, wenn jeder etwas anderes sagt.

Das scheint bei dir ja schon ein ganz guter Mix zu sein, um diese Herausforderung zu meistern! Apropos Herausforderungen, wenn du keine Sängerin, beziehungsweise Künstlerin geworden wärst, wo wärst du dann gelandet? Annett Louisan vielleicht als Lehrerin in einer Schule?

"Wo wäre ich, ohne die letzten zehn Jahre?"

Also ich weiß nicht, ob ich ein guter Didaktiker wäre. Das ist wirklich eine sehr schwere Frage! Wo wäre ich, ohne diese letzten zehn Jahre? Das ist ein Teil von mir, und hat mich natürlich unglaublich geprägt, ich müsste mir erstmal vorstellen, was ich für ein Mensch geworden wäre, ohne die Bühne und die vielen Menschen, die ich kennen gelernt habe. Aber ich kann eigentlich sehr gut mit Kindern umgehen, ich habe da selbst noch ein großes Kind in mir. Aber ich denke, ich hätte schon irgendwie versucht eine Ausdrucksform oder Möglichkeit zu finden, wie ich die Realität filtern könnte. Wenn man die Realität immer 1:1 an sich heranlassen könnte, dann bräuchte man die Kunst wohl nicht mehr. Und ich glaube ich bin ein Mensch, der diesen Filter braucht.

Du pflegst Fankontakte ja nicht nur bei Facebook, sondern auch wenn du auf Tour gehst. Ab Februar 2014 ist es wieder so weit. So schön eine Konzerttour auch sein mag, sicherlich ist es auch sehr Kräfte zehrend. Werden danach erst mal die Koffer für den Urlaub gepackt oder stürzt du dich direkt wieder in die Arbeit?

Es gibt tatsächlich diese zwei Möglichkeiten. Entweder sofort weiter arbeiten, um den Adrenalin-Haushalt weiter anzukurbeln oder ich darf nicht direkt wieder nach Hause, sondern muss irgendwo anders sanft landen. Es ist einfach eine chemische Geschichte, die da abläuft. Man schüttet so viel Adrenalin während einer Tour aus, dass man schon danach in ein Loch fallen kann. Und das bin ich schon mal und daraus habe ich gelernt. Da muss man gut mit umgehen und das ist nicht immer ganz so einfach. Genauso wie die Hotelzimmer abends nicht immer einfach sind. Jeder hat da seine eigene Taktik. Ich bin dafür, entweder weg zu fahren oder ein neues Projekt anzufangen. Etwas vollkommen anderes am besten. Also ich hab in den letzten Jahren gelernt, so schön es ist, Platten zu machen und auf Tour zu gehen, man muss sich fordern, mit anderen Projekten. Ich habe einen Hildegard Knef-Abend gesungen, ich habe Brecht gelesen in Augsburg, ein paar Synchronisationen gemacht, die mir wahnsinnig viel Spaß gemacht haben, für den kleinen Prinzen oder den Animationsfilm „Rio 2“.

Neben diesen Engagements engagierst du dich ja auch für einen guten Zweck, du bist Fairtrade-Botschafterin...

Ich versuche mich auf wenige Sachen, dafür aber genau zu konzentrieren. Wie auch für die José Carreras Stiftung oder für Fairtrade, da habe ich vor einigen Jahren eine wirklich tolle und interessante Reise nach Sierra Leone machen können, die mir immer im Gedächtnis bleiben wird. Zu der Zeit war das Land das zweitärmste der ganzen Welt und litt noch sehr unter den Folgen des grausamen Bürgerkrieges. Es war berührend, und schockierend. Und das war kurz vor der Veröffentlichung meines 5. Albums „In meiner Mitte“. Irgendwie hat mich das so geerdet und durchgeschüttelt, dass mir diese Erfahrung auch für den ganzen Zirkus danach geholfen hat. Eigentlich kann man jedem Menschen raten, auch bei Vorurteilen übrigens sehr hilfreich, sich die Welt genau anzuschauen. Vorurteile sind schneller zu entwickeln als vieles anderes. Das ist ein Kampf gegen die täglichen Schwächen. Neid, Missgunst, Eifersucht, das sind alles ganz normale, menschliche Schwächen und dagegen muss man jeden Tag ankämpfen.

Tourdaten

02.02.2014 | Norderstedt | Kulturwerk am See | 03.02.2014 | Hamburg | St Pauli Theater | 10.02.2014 | Hamburg | Fabrik | 28.03.2014 | Timmendorfer Strand | Maritim Seehotel | 30.03.2014 | Wahlstedt | Kleines Theater am Markt | 31.03.2014 | Lüneburg | Vamos! Kulturhalle | 01.04.2014 | Frankfurt | Alte Oper | 03.04.2014 | Neunkirchen | Neue Gebläsehalle | 04.04.2014 | Karlsruhe | Stadthalle | 05.04.2014 | Bremen | Musical Theater Bremen | 06.04.2014 | Emden | Nordseehalle Emden | 08.04.2014 | Gera | Kultur- und Kongresszentrum | 09.04.2014 | Cottbus | Stadthalle | 10.04.2014 | Berlin | Tempodrom | 11.04.2014 | München | Philharmonie | 13.04.2014 | Bamberg | Konzert- und Kongresshalle | 15.04.2014 | Erfurt | Theater Erfurt | 16.04.2014 | Stuttgart | Liederhalle | 17.04.2014 | Hannover | Theater am Aegi | 28.04.2014 | Hamburg | Kampnagel | 04.05.2014 | Bonn | Beethovenhalle | 05.05.2014 | Düsseldorf | Tonhalle | 06.05.2014 | Essen | Lichtburg | 07.05.2014 | Kiel | Kieler Schloss | 09.05.2014 | Dresden | Alter Schlachthof | 11.05.2014 | Chemnitz | Stadthalle | 12.05.2014 | Leipzig | Gewandhaus zu Leipzig | 13.05.2014 |