EU-Studie: Jede dritte Frau ist Opfer von Gewalt

von Portrait von
Veröffentlicht am 10. März 2014

Am 8. März, dem Tag der Frau, steht die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Vordergrund. Doch in Wien wurde jetzt ein Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte veröffentlich, der zeigt, dass es leider noch ganz andere Probleme gibt. Gewalt gegen Frauen ist auch heute in Europa noch ein großes Thema. 

Jede dritte Frau in der EU hat bereits körperliche oder sexuelle Gewalt am eigenen Leib erfahren. Das entspricht etwa 62 Millionen Frauen. Diese traurige Bilanz zieht der am 5. März veröffentlichte Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), der die Ergebnisse der weltweit größten Erhebung über Gewalt gegen Frauen vorstellt. Es wurden 42.000 Frauen im Alter von 17 bis 42 Jahren aus allen EU Mitgliedstaaten zuhause in Einzelinterviews befragt. Dass es Gewalt gegen Frauen gibt, ist jedem klar. Doch es erschreckt, wie weit verbreitet sie ist. Viele Übergriffe passieren zu Hause oder auf dem Arbeitsplatz. Befragt wurden Frauen zu ihren Erfahrungen mit körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt sowie häusliche Gewalt. "Wir müssen handeln. Zu viele Frauen leiden in Europa", erklärte der Direktor der EU-Grundrechteagentur in Wien, Morten Kjaerum.

22 Prozent der Frauen gaben an, vom eigenen Partner körperlich oder sexuell angegriffen worden zu sein. Jedoch nur jede Dritte meldete den schwerwiegendsten Vorfall. Nicht nur, dass so viele Frauen Opfer von Gewalt werden erschreckt, sondern auch, dass gerade in Skandinavien und in den Niederlanden die Lage so prekär ist. In den Niederlanden gaben 45 Prozent der Frauen an, Opfer eines gewalttätigen Übergriffs geworden zu sein. In Dänemark sind mit 52 Prozent, Finnland 47 Prozent und Schweden 46 Prozent die Zahlen der betroffenen Frauen am höchsten. Dabei sind es gerade die nordischen Länder, die bei der Gleichberechtigung der Geschlechter weltweit als Vorbild gelten. Am wenigsten betroffen (zwischen 10 und 19 Prozent) sind Frauen in den als eher "machistisch" geltenden südlichen Ländern Griechenland, Italien, Malta, Slowenien, Spanien, Portugal und Zypern sowie in Irland, Österreich und Polen.

Doch man muss einiges berücksichtigen: Inwieweit ist es für Frauen gesellschaftlich überhaupt akzeptabel, mit anderen Personen über Gewalterfahrungen zu sprechen? Was gilt überhaupt schon als Gewalt? "Die Gleichstellung der Geschlechter könnte zu höherer Bereitschaft führen, Fälle von Gewalt gegen Frauen zu berichten. Fälle von Gewalt gegen Frauen werden in Gesellschaften mit besserer Gleichstellung mit größerer Wahrscheinlichkeit offen angesprochen und hinterfragt", heißt es in der Studie.

Doch leider bedeutet das kein Aufatmen, sondern: Die hohe Zahl der Übergriffe in den nördlichen Ländern liegt weit näher an der Realität als in den übrigen Ländern. Die Autoren der Studie vermuten, dass die Dunkelziffer der Gewalt-Ereignisse im übrigen Europa höher ist. Deutschland liegt bei der Gewalt-Rate mit 35 Prozent übrigens leicht über EU-Schnitt (33 Prozent). Nackte Zahlen machen einem vielleicht nicht die Dringlichkeit der Situation klar. Doch wenn man sich in der Strassenbahn klar macht, dass jede dritte Frau, die einem hier begegnet, genau wie jede dritte Frau am Tisch im Teammeeting im Büro oder jede dritte Freundin aus der Runde, mit der man am Abend feiert, einmal Gewalt erleben musste, dann hoffentlich schon.