„Hitchcock“ - Wie „Psycho“ Alfreds Leben umkrempelte

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 14. März 2013

Als Alfred Hitchcock 1980 starb, hatte er, obwohl er der vielleicht wichtigste Regisseur überhaupt war, nie einen Oscar gewonnen. 1968 erhielt er lediglich den Irving G. Thalberg Memorial Award, einen Spezialoscar für besonders kreative Filmproduzenten. Das bewog ihn unter anderem zu der Aussage: „Ich bin immer nur Brautjungfer, niemals die Braut.“ Im heute in den deutschen Kinos startenden „Hitchcock“ wird diese exzentrische Regie-Legende von Anthony Hopkins gespielt. Anders als der Trailer aber vermuten ließe, geht es in „Hitchcock“ nicht darum, welche Probleme Alfred Hitchcock bewältigen muss, um seinen wohl bekanntesten Film „Psycho“ drehen zu können, sondern darum, dass Hitchcock erkennt, wie groß die Rolle seiner Frau Alma in seinem Leben ist.

Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) steht am Höhepunkt seiner Karriere - und doch sucht er nach etwas Neuem, etwas, das ihn selbst überraschen würde. Nach „Der unsichtbare Dritte“ findet er den Stoff, den er sucht: Den Roman „Psycho“ von Robert Bloch. Der Thriller ist freizügig, gewalttätig und hat neben einer ungewöhnlichen Struktur auch eine überraschende Auflösung. Dummerweise hat Hitchcock Probleme, den Film zu drehen: Bei seinem Studio bekommt er eine Absage; Paramount will den Film nur machen, wenn er selbst das Geld dafür bereitstellt. Als Alma, Hitchcocks Frau (Helen Mirren), sich bereit erklärt, das Haus für Alfreds Idee in Zahlung zu geben, kann es aber doch losgehen. Doch Alma leidet zusehends unter „Hitch“ - seine Völlerei, wie er ständig den Frauen nachschaut und seine Arroganz drohen sie in die Arme eines Kollegen zu treiben. Erkennt Alfred bei all den Schwierigkeiten während des Drehs, dass seine Ehe zu scheitern droht?

„Hitchcock“ gibt Einblicke nicht in das Wirken des Regisseurs, sondern in das private Leben. Natürlich ist ein wenig Spannung schon von vornherein entbehrlich, denn dass Alma und Alfred bis an sein Lebensende verheiratet waren, 53 Jahre lang, ist bekannt. Als ihm 1979 der AFI Award für sein Lebenswerk überreicht wurde, dankte „Hitch“ vier Personen:

Ich nenne Ihnen nun namentlich die vier Personen, die mir am meisten Zuneigung, Verständnis und permanente Unterstützung während meiner Arbeit entgegengebracht haben. Die erste ist eine Cutterin. Die zweite ist eine Drehbuchautorin. Die dritte ist die Mutter meiner Tochter Pat. Und die vierte ist die beste Köchin, die jemals Wunder an einem Herd vollbracht hat. Und ihre Namen sind Alma Reville.

„Hitchcock“ ist kein außergewöhnlicher Film, keine Epiphanie und auch kein Film, der ein Blockbuster wird. Es ist viel mehr der unscheinbare, recht kurze und dennoch sehr unterhaltsame Debüt-Film von Regisseur Sacha Gervasi, der liebevoll umgesetzt wurde und einige fantastische Schauspieler zu bieten hat. Allen voran natürlich Anthony Hopkins selbst. Sehr bedauerlich, dass durch die in Deutschland übliche Synchronisation ein gewaltiger Teil seiner Leistung verwischt wird, denn Hitchcocks ungewöhnliche Art zu sprechen, machte einen großen Teil seiner Persönlichkeit aus. In der deutschen Sprachfassung ist aber weder der britische Akzent noch der seltsame Sprechrhythmus enthalten. Zum Glück war die Regielegende ein exzentrischer Charakter - und seine Figur in „Hitchcock“ ist es natürlich ebenfalls. Durch den schwarzen, extrem trockenen Humor, ist „Hitchcocks“ Hauptfigur eine Freude für Fans von Komödien, während auch Zuschauer auf den Geschmack kommen, die dramatische Wendungen mögen - denn wie einst in „Psycho“ wechselt „Hitchcock“ nach der Hälfte der Spielzeit den Tonus und verlagert das Zentrum der Handlung von Hitchcock und seiner wunderlichen Persönlichkeit auf dessen Frau Alma, die ihre eigene Karriere als Cutterin und Drehbuchautorin seit Jahren im Schatten von Hitchcock sieht. Einziger Kritikpunkt: Almas Versuchung, sich auf eine Affäre mit einem Kollegen einzulassen wird unvermittelt durch einen laut knirschenden Deus Ex Machina aufgelöst, der den Zuschauer unbefriedigt zurücklässt.

Im Kino sehen muss man „Hitchcock“ nicht unbedingt; trotzdem wird der Film auf vielen DVD-Abenden ein gern gesehener Gast sein. Nicht weil es sich um leicht verdauliches Popcorn-Kino handelt, sondern weil „Hitchcock“ ein mal beschwingter, mal schwermütiger Film ist, der einen unterhaltsamen Helden und eine rührende Geschichte bietet, ohne zu melodramatisch zu sein. Ein Geheimtipp für Freunde des anspruchsvollen und doch leichtfüßigen Kinos.

„Hitchcock“ - Wie „Psycho“ Alfreds Leben umkrempelte