Sotiris Malasiotis

Musiker

von Portrait von Karoline Sielski Karoline Sielski
Veröffentlicht am 18. März 2013

Sotoris Malasiotis, erzähl uns doch bitte etwas über Dich selbst.

Ich bin 1979 in Griechenland geboren worden und mit acht Jahren habe ich angefangen, Musik zu machen. Mit elf habe ich begonnen, Wettbewerbe zu gewinnen und wurde dann auch entdeckt. Mir wurde klar, dass ich mich mit Musik besser ausdrücken kann, als mit Worten. Es war mir lieber in der Musikschule als in der Schule Zeit zu verbringen. Mit 18 Jahren kam ich nach Deutschland, das war 97 - sieben einhalb Jahre war ich hier in Deutschland.

Was war für Dich der ausschlaggebende Grund um nach Deutschland zu gehen?

Es gab in Griechenland keine Uni für Instrumentalisten. Ich hatte auf einem internationalen Gitarrenfestival in Griechenland den Gitarren Guru für klassische Gitarre persönlich kennnengelernt.

Wie heißt dieser Gitarren Guru?

Das ist Professor Hubert Käppel, er ist an der Musikhochschule Köln und war damals in der Jury des internationalen Gitarrenfestivals in Griechenland. Er hatte mich dort gehört und meinte damals zu meinen Eltern – wenn er sich weiter mit Musik beschäftigt, dann möchte ich ihn als Schüler haben. Das war natürlich eine sehr große Ehre für mich, das war eine große Sache.

Was hast Du dann als Musiker in Köln gemacht?

Ich habe zwei Studien abgeschlossen, sowohl ein künstlerisches als auch ein pädagogisches Studium. Und ich habe tonnenweise Konzerte gegeben, hauptsächlich mit dem Gitarren-Quartett Fenix, das wir mit dem Gitarrenprofessor gegründet haben.

Wo bist Du aufgetreten – welche Festivals könnte man kennen?

Der Kreis der Musiker in Richtung klassische Gitarre ist sehr klein. Aber es gibt eine ganze Menge Festivals und dergleichen – das Koblenz Gitarrenfestival, eins in Iserlohn und viele mehr.

Weshalb bist Du nach Jahren nach Griechenland zurück gegangen?

Ich bin nach Griechenland gegangen, weil dort die Sonne strahlt.

Das ist ein guter Grund.

Natürlich hatte ich auch Heimweh, ich wollte meine Familie sehen. Du musst Dir vorstellen, damals gab es kein Skype, keine DSL Verbindung. Kommunikation war damals schwieriger.

Du hast in Griechenland aber weiter Musik gemacht.

Natürlich. Aber Musik machen als klassischer Musiker geht in Griechenland nicht, deswegen habe ich hauptsächlich unterrichtet.

Hat Dir das gefallen? Oder wolltest Du irgendwann wieder mehr auftreten?

Am Anfang war es schön, aber langsam ist der Hunger wieder größer geworden aufzutreten und auf die Bühne zu gehen, ja.

Gibt es einen bestimmten Musiker, der Dich besonders beeinflußt hat?

Eigentlich nicht.

Welche Musik hat Dich beeinflußt?

Musik ist groß. Meine eigentliche Liebe ist eher elektrische Musik, Rock, Blues, Funk, Jazz. Solo auf der Bühne mache ich dann eher klassische Musik, ansonsten geht das nicht wirklich, es ist viel zu steif, du hast wenig Spielraum. Das hast Du mit anderen Sorten von Musik nicht. Wenn Du solo Musik machst, gibt es also weniger Improvisation. Aber mit meinen Freunden zusammen, wenn Bands, die ich kenne, auftreten, dann fragen sie mich immer wieder, ob ich mit Ihnen auf die Bühne gehe, um zu jammen. Das macht auch Spaß. Klassisches Repetoire dagegen ist um Welten anspruchsvoller als die anderen Musikrichtungen.

Wie hast Du Dich für das Instrument Gitarre entschieden?

"Die Gitarre als Instrument kann nicht wirlich perfekt werden, aber sie kann alles auf einmal und das auf einem hohen Niveau."

Die Gitarre ist ein Instrument mit vielen psychischen Problemen. Die Gitarre weiß nicht, was sie ist und wohin sie gehört – ob in den Salon, ins Auto, in den Zug. Sie weiß nicht, was sie ist. Das ist weder gut noch schlecht. Die Gitarre als Instrument kann nicht wirlich perfekt werden, aber sie kann alles auf einmal und das auf einem hohen Niveau.

Welches Instrument ist da Deiner Meinung nach anders?

Das Klavier. Du kannst es zum Beispiel nicht einfach auf dem Rücken tragen, es ist anders.

Wie bist Du ursprünglich auf die Gitarre gekommen?

Meine Mutter wollte Gitarre lernen, aber durfte nicht. Meine Mutter hat mich dann auch zur Musikschule geschickt. Ich hatte erst keinen Bock, aber es hat nicht lange gedauert, bis ich die Musik geliebt habe.

"Es ist wichtig, wie man Musik serviert."

Ich musste übrigens fast jeden Tag von zu Hause zur Musikschule laufen und ich sah Leute auf der Straße, die Drogen genommen haben. Ich kannte sie, weil ich jeden Tag dort vorbei ging. Sie sahen mich mit der Gitarre und wollten, das ich ihnen etwas vorspiele. Ich kannte alle Rock-Soli. Von den Doors spielte ich "Spanish Caravan". Viele wissen nicht, das dieser Song auf einem klassischen Stück beruht. Ich habe viele solcher Songs vorgespielt und sie dachten dann, ich könne spielen. Später habe ich ihnen dann Bach vorgespielt. Es ist wichtig, wie man Musik serviert.

Sotiris Malasiotis - 3 Videos

Spielst Du auch andere Instrumente?

"In erster Linie bin ich Musiker, nicht klassischer Gitarrist."

Hauptsächlich alles was Saiten hat, ansonsten alles ein Bisschen. Mit Blasintrumenten habe ich aber ein Problem. In erster Linie bin ich Musiker, nicht klassischer Gitarrist.

Machst du lieber Solo Musik oder in einer Gruppe?

Am meisten macht es Spaß mit anderen zu jammen, aber solo kann man sich am besten ausdrücken. Als Solist führst Du aber ein einsames Leben, beim Üben, beim Reisen, auf der Bühne stehst Du allein. Wenn man solo spielt, ist es so, dass es zwei Jahre lang dauert, bist Du Dein Programm richtig drauf hast, bis es in den 'blood stream' übergegangen ist. Es muss Teil Deines Bewusstseins werden, erst dann kannst Du es. Als Solist kann man Dinge perfekt beschreiben, die Kurven, Phrasen, Du kannst sie perfekt und genau beschreiben, in der Gruppe passiert dagegen immer etwas anderes. Beim Gruppenspiel passieren viele Dinge spontan, man muss darauf reagieren, das macht auch eine Menge Spaß, aber dann hat man vielleicht nicht diese Perfektion. (Er macht eine Pause) Ob Perfektion das ist, was man möchte - weiß ich nicht.

Warum machst Du hauptsächlich Musik?

Um Spaß zu haben!

Was drückst Du mit Deiner Musik aus – für diejenigen, die Dich nicht kennen?

Jeder versteht das anders, für jeden bedeuten zehn Töne etwas anderes. Wenn ich bei einem Konzert an die Zuhörer Blatt und Stift verteilen würde, dann würde jeder etwas anderes malen.

Hast Du diese Methode als Musiklehrer auch angewandt?

Nein.

Ok, meine Musiklehrerin hat das früher gemacht, deswegen frage ich.

Und – hat jeder etwas anderes gemalt?

Ja, ich glaube schon. Irgendwie zumindest. Sotiris, Du planst wieder in Deutschland Musik zu machen. Was ist dabei Dein Ziel?

Die gesunde Balance zu finden zwischen Auftritten und dem Unterrichten. Übrigens, ich finde es auch schlimm, dass alles in eine Schublade gesteckt wird. Klassik, Rock. Was ich bei gewissen Konzerten vorspiele, würde ich niemals bei einem Gitarrenfestival zeigen. Gitarrenmusiker sind ganz anders aufgewachsen, sie sind steifer. Sie haben viel Zeit mit der Gitarre verbracht als Kind. Wenn sie unter sich sind, dann will jeder das Beste spielen. Der Gitarrenkreis ist ein sehr kleiner Kreis, warum entweder ein kleiner Kreis, der viel von der Musik kennt, oder viele, die von allem etwas kennen, die Zuhörer sind. Man spielt für jede Zuhörerschaft anders. Meine Schüler lieben es, die machen es lieber, als zum Psychotherapeuten zu gehen.

Welche emotionalen Momente in Deinem Leben haben Dich als Musiker besonders bewegt und inspiriert? Und machst Du jeden Tag Musik?

Alle emotional beladenen Momente. Und eigentlich alles - morgens, wenn man früh aufsteht, wenn man auf die Straße geht, mit Freunden redet – ich kann mich selbst nicht erinnern. Früher, als ich Student war, habe ich jeden Tag Musik gemacht, jetzt nicht mehr den ganzen Tag, denn das Leben kann nicht allein aus Musik bestehen.

Ich mache keine besondere Art von Musik. Musik ist die universelle Sprache und jeder Musiker kann sich selbst mit anderen Musikern verstehen, egal ob sie dieselbe Sprache sprechen oder nicht.

Du beherrschst also den musikalischen Universal-Code.

Ja – ich mag zwar Labels nicht so gerne – aber wenn man es so ausdrücken möchte oder muss – ja.

An welche musikalischen Erfahrungen in Deutschland erinnerst Du Dich am liebsten?

Die Quartett-Zeit. Da haben wir alles im Anzug gespielt – wir haben anspruchsvolle Sachen gespielt, die man besonders üben muss, um sie überhaupt spielen zu können. Wir hatten viele Überraschungen, alles was wir in den Proben geübt haben – davon haben wir nicht einmal die Hälfte auf der Bühne gemacht.

Was waren damals Deine Lieblings-Locations hier in Köln?

Der Sonic Ballroom, das ist die dreckigste Punkkneipe – in der Nähe der Live Music Hall. Gibt es die überhaupt noch?

Ja.

Und ist die immer noch so dreckig?

Ja.

Unglaublich! (lacht)

Du möchtest hier in Deutschland auch wieder unterrichten. Was ist Dir am wichtigsten bei Deinen Schülern?

"Mir ist am wichtigsten, das meine Schüler Musik machen wollen und nicht das sie es tun, weil die Eltern es sagen."

Mir ist am wichtigsten, das meine Schüler Musik machen wollen und nicht das sie es tun, weil die Eltern es sagen.

Wie stellst Du Dir ein ideales Konzert vor?

Ein Konzert muss nicht immer ein Konzert sein, wie wir es kennen. Es kann verschiedene Sorten von Musik geben, verschiedene Getränke, Leute könenn rein kommen, raus gehen, es muss nicht eine bestimmte Form haben. Wir könnten auch bis tief in die Nacht jammen, ohne Unterbrechung.

"Ein Konzert muss nicht immer ein Konzert sein, wie wir es kennen. Es kann verschiedene Sorten von Musik geben, verschiedene Getränke, Leute könenn rein kommen, raus gehen, es muss nicht eine bestimmte Form haben. Wir könnten auch bis tief in die Nacht jammen, ohne Unterbrechung."

Was würdest Du Leuten sagen, die mit dem Instrument Gitarre gar nichts anfangen können? Was möchtest Du mit Deiner Musik erreichen?

Ich hoffe, dass die Leute die Gitarre dann mit einem anderen Blick sehen. Man muss die Gitarre nicht lieben - einfach hören. Das ist wie in einer Familie mit zehn Kindern. Es ist egoistisch und utopisch zu denken, dass jeder gleich geliebt wird. So ist es auch in der Musik – es gibt oft eine Sache, die man am meisten liebt.

Wie bist Du zu dieser Musikalität gelangt? Uns was möchtest Du uns noch mitteilen?

Mir fällt dazu Frank Zappa ein. Er hat gesagt, dass das Hirn wie ein Regenschirm ist, es muss auf sein, um zu funktionieren. Hauptsache es ist auf. Der Typ hat Hippie Musik gemacht. Jazz, Filme, alles mögliche. Bei Kindern ist es so, wenn Du nichts sagst ist es für sie gerade schwer. Dann machen sie entweder irgendwelche Dinge, oder sie machen es eben nicht. Alles hat eigentlich mehr oder weniger einen Zusammenhang. Ich könnte deswegen einem Mechaniker perfekt beschreiben, was Musik ist und er würde mich verstehen, es gibt eine gewisse Logik.

"Das war der Knackpunkt, es war wie eine musikalische Erleuchtung, ich habe auf einmal verstanden, was ich da tue."

Man redet immer über perfekte Harmonien – diese Balance ist langweilig. Es muss keine perfekte Melodie sein. Das ist eine Utopie, die vom System stammt. Es geht um Instinkt! Leute sagten mir früh, ich habe Musikalität. Ich hatte keine Ahnung, das Einzige, was mir bewusst war, war die Technik. Ein Kind benutzt 90 Prozent seines Gehirns, um neue Neuronen zu bauen. Das geht weiter bis zum Alter von etwa zehn. Dann hat man zweimal soviele Neuronen, wie wir jetzt. Wenn man sie nicht benutzt, sterben sie irgendwann. Die Frage ist: Schaffst Du es sie alle zu verknüpfen. Aber es ist nie zu spät! Ich habe viele Musiker wie Miles Davis gehört und irgendwann habe ich die gesamte Info, den gesamten Input, so genutzt, dass ich verstanden habe. Das war der Knackpunkt, es war wie eine musikalische Erleuchtung, ich habe auf einmal verstanden, was ich da tue. Alle Infos sammelten sich in einem Punkt.

Glaubst Du andere Menschen hören das Deiner Musik an?

Es hat sich nicht viel verändert für die Leute, die mich vorher gehört haben, aber es hat sich viel für mich geändert.

Ich verstehe. Ich danke Dir für das Gespräch.