So tief kann eine Topmodel-Kandidatin fallen

von Portrait von Stella Thiele Stella Thiele
Veröffentlicht am 16. Dezember 2014

Es ist simple Unterhaltung, doch meist wird sie auf Kosten derer gefilmt, die zu sehen sind. Castingshows boomen in der Fernsehindustrie 14 Jahre nach der ersten Ausgabe von „Popstars“ und 12 Jahre nach dem Auftakt von DSDS noch immer. Gesucht wird nach allem was geht. Egal ob Musiker, Model, Schauspieler, Bäcker, Koch oder andere „Talente“ – es gibt nichts, was es in Castingshows nicht gibt. Es sind Formate, die produziert werden, bis die Einschaltquoten vollkommen im Keller sind.

Anders als in Unterhaltungs-Shows wie „Wetten dass …?“ und Co., werden dem Publikum hier keine Prominenten vorgeführt. Bei diesen Shows geht es um Menschen wie du und ich. Wenn wir dann zuhause vor dem Fernseher sitzen und uns amüsieren, vergessen wir allzu schnell, dass es sich um ganz normale Menschen handelt, die vorher als Jeansverkäufer oder Versicherungsvertreter gearbeitet haben, die für ihre große Chance oft alles aufs Spiel setzten und die von den Fernsehsendern schonungslos ins Rampenlicht katapultiert werden. Für die wenigsten von ihnen ist der Ausflug in die Welt der Stars und Sternchen jedoch von Dauer. Nicht jeder schafft es, aus den berühmten fünf Minuten seinen Nutzen zu ziehen.

Jede Woche zittern die Kandidaten deshalb der Eliminierung entgegen. Oft heißt das Ende in der Casting-Show auch das Ende eines großen, lange gehegten Traums. Immer wieder fallen ehemalige Casting-Show Kandidaten deshalb auch in Deutschland durch negative Schlagzeilen auf. Die gefallene Casting-Prominenz hierzulande, kam jedoch noch nicht wirklich in ernsthafte Bedrängnis.

Schon gar nicht die hübschen Mädchen, die uns in der ProSieben-Show „Germany’s Next Topmodel“ vorgeführt werden. „Die sind so hübsch“, denkt man da doch schnell, „aus denen muss doch was werden.“ Natürlich rechnet man nicht damit, dass aus einer der Damen tatsächlich ein Supermodel wird, aber für eine Teilnahme im Dschungelcamp oder als Moderatorinnen für taff taugen sie doch allemal.

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Dass auch diese Plätze im Rampenlicht hart umkämpft sind, vergisst man da schnell – und bei neun Staffeln, kommt man schnell auf eine Summe, die sämtliche Moderationsposten in Promi- und Klatschmagazinen, inklusive Außenreportern, füllen könnte. Alleine 72 „Top 8“ Kandidatinnen brachte die Model-Castingshow seit 2006 hervor. 72 junge Frauen, die einen steilen Aufstieg ins Rampenlicht hinter sich haben, die sich dafür durch entbehrungsreiche Wochen und Monate gekämpft haben, die sich aufs äußerste reduzieren ließen und nicht nur jeden Tag in den erbitterten Konkurrenzkampf, sondern auch die stechende Kritik der Jury über sich ergehen lassen mussten. Viele von ihnen nicht älter als 16 Jahre.

Das alles ist jedoch ein Witz, verglichen mit dem Casting-Wahnsinn in den USA. Ganz 21 Staffeln „America’s Next Topmodel“ liefen dort bereits, eine 22. ist für das kommende Jahr in Planung. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis eine der ehemaligen Teilnehmerinnen einen tiefen Absturz hinlegte. Trotzdem schockieren die Bilder von der heute 28-jährigen Renee Alway. 2007 schaffte sie es in der achten Staffel bis ins Finale, die „Top 3“ sozusagen.

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Das war vor fünf Jahren. Mit ihrem Leben ging es nach dem Aus bei „America‘s Next Topmodel“ schnell bergab. Vor einem Jahr wurde sie in Palm Springs dann verhaftet, nachdem sie sich bei einem Einbruch in eine Villa mit einer Waffe in einer Garage verschanzt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits auf Kaution auf freiem Fuß. Zuvor hatte man sie verhaftet, weil sie illegale Rauschmittel mit sich geführt hatte.

Am 10. Dezember wurde Renee Alway jetzt wegen Einbruch, Diebstahl und den illegalen Besitz einer Schusswaffe zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Verurteilung ist der Tiefpunkt eines Falls, der von Drogenmissbrauch über Autodiebstahl bis hin zu Einbrüchen reicht.

Wirklich schockierend ist das Foto, dass bei der Festnahme im letzten Jahr von Alway geschossen wurde. Darauf ist von der einst schönen Topmodel-Kandidatin nicht mehr viel zu erkennen. Ihre Augen sind müde, die Haut pickelig und die Wangen eingefallen. Man sieht der heute 28-jährigen an, dass sie mit Drogenproblemen zu kämpfen hat. Dass eine einstige Finalistin der Model-Castingshow so tief fallen konnte, ist wirklich schockierend.

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Doch überträgt man die vorherige Rechnung einmal auf die amerikanische Ausgabe der Show mit Tyra Banks, reihte sich Renee Alway, als drittplatzierte der achten Staffel, in eine lange Liste erfolgreicher Kandidatinnen ein. 24 Finalshow-Models gab es 2007 bereits. Bis heute sind es ganze 63 Mädchen, die es bei Tyra Banks bereits in Finale schafften. Das die wunderschöne, blonde, blauäugige Renee Alway zwischen all den anderen hübschen Models unterging, ist also kaum verwunderlich. Sie ist eindeutig eine der größten Verliererinnen einer Industrie, die Menschen knallhart ins Rampenlicht puscht und sie genauso schnell wieder fallen lässt.

Mag sein, dass ein Absturz wie bei Renee Alway in Deutschland unvorstellbar ist. Auch der Unterhaltungsfaktor von Formaten wie „Germany’s Next Topmodel“, „The Voice of Germany“ oder „Das Supertalent“ ist wohl kaum abzustreiten, aber das nächste Mal, wenn wir den Fernseher einschalten, sollten wir vielleicht mal darüber nachdenken, dass es sich bei denen Kandidaten auf der Bühne, um Menschen handelt, die nach dem Ende der Sendung vielleicht ganz allein dastehen.