Warum türkische Demonstranten in Istanbul "Grand Theft Auto" zitieren

von Portrait von Michael Miskulin Michael Miskulin
Veröffentlicht am 5. Juni 2013

Auch in der Nacht zum Mittwoch kam es in mehreren türkischen Städten, darunter auch Istanbul, wiederholt zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten. Während die Staatsgewalt immer noch mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Protestler vorgeht, organisieren sich die Widerständler über die sozialen Netzwerke wie Twitter oder Tumbler. Dabei lässt sich ein interessanter Trend beobachten: Sie zitieren "Grand Theft Auto" (GTA), das beliebteste Videospiel ihrer Generation.

Viele der Protestler sind junge Menschen, nicht unbedingt politisch orientiert - aber sie besitzen diese eine Vorliebe für elektronische Unterhaltungsmedien, die sie miteinander verbindet. Das gemeinsame Spielen über das Netz hat sie unwissentlich für die schnelle Kommunikation und Organisation im Konflikt mit der Staatsgewalt trainiert und ihr gemeinsames Hobby bietet der Jugend eine gemeinsame Sprache. Viele Demonstranten witzeln über Facebook, sie hätten ihre Fähigkeiten im Umgang mit neuer Ausrüstung wie Gasmasken "gelevelt" - oder aber Gegenstände mit "25% Schildrate" gebaut.

Das Spiel "Grand Theft Auto" wird von den Protestlern dabei am häufigsten für Slogans und Graffitis genutzt. So ist der Spruch "Du hast dich mit der Jugend angelegt, die in GTA Polizisten jagte!" zu einem Schlachtruf der jungen Revoltierenden geworden. In der offenherzigen Provokation verdeutlicht sich die Ohnmacht der jungen Regierungsgegner, die sich den staatlichen Sicherheitskräften schutzlos ausgeliefert fühlen. Sie glauben sich an "Grand Theft Auto: Vice City" aus dem Jahre 2002 erinnert, welches eines der größten Spiele in der türkischen Geschichte war. Während ihre Eltern noch dem staatlichen Fernsehen oder den Zeitungen vertrauen, hat sich die junge, türkische Generation davon abgewendet und blickt stattdessen auf Twitter als ihr Sprachrohr und auf Spiele als ihre verbindende Erfahrung.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sieht sich durch die sozialen Netzwerke tatsächlich in Gefahr: "Es gibt jetzt eine Bedrohung namens Twitter. [...] Für mich sind die sozialen Medien die schlimmste Bedrohung der Gesellschaft", ließ er verlautbaren. Kurz darauf wurden wegen Verbreitung "irreführender und beleidigender Informationen" und "Aufrufs zum Protest" bei Twitter 25 Menschen festgenommen.

Protestler, Ihr scheint die Schwachstelle des Endbosses entdeckt zu haben.

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