Claudia Mwathi

Autorin

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 22. Oktober 2012

Erzählen Sie doch bitte etwas über sich selbst.

Ich wurde am 15. April 1948 in Heygendorf, einem kleinen thüringischen Dorf, geboren, unweit von Sangerhausen. Als ich fünf Jahre alt war, zogen meine Eltern mit mir nach Sachsen um, in ein kleines Städtchen mit Bandweberindustrie. Nach mehreren Ortswechseln - bedingt durch Ausbildung und Arbeit - verließ ich dieses Städtchen, Großröhrsdorf bei Dresden, endgültig, um mit meinen inzwischen geborenen Kindern zu meinem Mann nach Kenia zu übersiedeln. Dort lebten wir jedoch nur ein halbes Jahr, dann verließen wir auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Heimat meines Mannes wieder, gingen in die Bundesrepublik Deutschland und nahmen unseren Wohnsitz im schwäbischen Heidenheim, wo ich heute noch immer lebe. Von meinem Mann bin ich seit langem geschieden; ich hatte, wie in meinem Buch beschrieben, mehrmals einen Partner, aber die Partnerschaft war nie wirklich "stimmig" und so lebe ich jetzt seit ein paar Jahren allein mit meinem Hund. Ein Sohn hat sich mit Frau und Töchterchen in Bayern niedergelassen, der andere in Österreich.

Sie waren noch recht jung, als die Mauer gebaut wurde und lebten in einem thüringischen Dorf – wie haben Sie diesen Tag im Sommer 1961 erlebt?

Als die Mauer gebaut wurde, war ich 13 Jahre alt, wir lebten aber schon lange in dem Bandweberstädtchen Großröhrsdorf. Den 13. August 1961 erlebte ich wohl wie die meisten Leute: wir verfolgten die Nachrichten mit banger Spannung - bei uns zu Hause hörte man die Rundfunknachrichten aus dem Westen - und man flüsterte sich zu: "Jetzt werden wir nun eingemauert, wie soll das aber noch weiter gehen?" Es war ein dunkler Tag und viele Menschen waren verzweifelt, aber man hatte gelernt, sich nichts anmerken zu lassen.

Sie gehören zu der Generation, die die DDR aktiv vom ersten bis zum letzten Tag miterlebt hat. Wenn jemand sagt „DDR“, woran denken Sie zuerst?

Dass ich die DDR vom ersten bis zum letzten Tag mit erlebt habe, entspricht nicht ganz den Tatsachen. Als ich geboren wurde, war die DDR noch nicht gegründet, das geschah erst ein halbes Jahr später. Ich drehte der DDR im Dezember 1976 den Rücken, als ich nach Kenia übersiedelte. Die DDR existierte jedoch noch bis Ende 1990. Ich sage auch oft noch "DDR". Woran ich zuerst denke? An leere Regale im Lebensmittelgeschäft und an Grenzkontrollen, wenn man mal wieder zu Besuch kam.

"Wir verfolgten die Nachrichten mit banger Spannung. Es war ein dunkler Tag und viele Menschen waren verzweifelt."

Abgesehen von einer Mauer weniger – was hat sich in Deutschland seit 1989 verändert?

Die Menschen sind freier und selbstbewusster geworden, haben, was das Anpassen an westliche Standards betrifft, sehr rasch dazu gelernt und sind die deutschen Reiseweltmeister geworden. Bei uns in der Bundesrepublik hat sich eigentlich nicht viel verändert, höchstens die Tatsache, dass schon seit Anfang 1990 viele frühere DDR-Bürger aus den unterschiedlichsten Gründen in die Bundesrepublik übersiedelt sind.

Ihre Romane waren bisher alle autobiografisch geprägt. Ihr drittes Buch ist in Arbeit. Wird es auch autobiografisch sein?

Mein drittes Buch ist keine direkte Autobiografie. Es geht hierbei um ein Mädchen, welches im Drogenmilieu geboren wurde und deren Leben zunächst auch negativ verläuft.

Nachdem Sie lange als Krankenschwester gearbeitet haben, beschlossen Sie, Ihr Leben niederzuschreiben. Warum haben Sie so lange damit gewartet? Und wie kamen Sie auf die Idee, eine Autobiografie zu schreiben?

"Es stimmt alles, ich habe mir keinerlei künstlerische Freiheiten heraus genommen; im Gegenteil - ich habe sogar manches weg gelassen, weil ich dachte, das glaubt mir der Leser sowieso nicht."

Bei meinem ersten Buch wusste ich schon in Kenia, dass ich über diese Zeit einmal schreiben würde. Bei meinem jetzigen Roman "Nur ein Mädchen" war das etwas anders. Ich sprach einige Male mit meinem behandelndem Hausarzt über verschiedene Vorkommnisse meiner Kindheit, bis dieser eines Tages zu mir sagte: "Warum schreiben Sie eigentlich nicht mal ein Buch über Ihr Leben? Was Sie mir bis jetzt erzählt haben, lässt erahnen, dass es sich lohnen würde, wenn Sie dies täten. Außerdem ist das wie eine Art Vergangenheitsbewältigung." Auch wenn ich schon viel früher damit begonnen hätte, über mein Leben zu schreiben, während meiner Zeit als Krankenschwester hätte ich weder Zeit noch die notwendige Ruhe dafür gehabt.

Ist in Ihren Büchern alles wahr, oder haben Sie sich hier und da künstlerische Freiheiten genommen?

Es stimmt alles, ich habe mir keinerlei künstlerische Freiheiten heraus genommen; im Gegenteil - ich habe sogar manches weg gelassen, weil ich dachte, das glaubt mir der Leser sowieso nicht. Er wird denken: "Die kann aber gut hochstapeln, soviel kann ja ein Mensch gar nicht ertragen, das gibt es höchstens im Film."

Wie sieht Ihr Alltag als Autorin aus?

Mein Alltag ist ganz normal. Die notwendigen Arbeiten werden zuerst erledigt, was ich verschieben kann, wird schon mal verschoben, aber wenn ich dann endlich Zeit habe, dann schreibe ich - und unter Umständen ignoriere ich sogar das Telefon.

Was ist Ihr nächstes großes Projekt?

Mein nächstes Projekt kenne ich noch nicht - es wird sich finden. Manchmal geht das sehr schnell, gerade wie bei meinem derzeitigen Projekt - dafür war der ausführliche Bericht (natürlich anonym gehalten) eines Mitarbeiters des Jugendamtes im Kindertagespflegekurs ursächlich.

"Du hast nur dieses eine Leben. Mach' das Beste daraus und lebe nie einfach nur so in den Tag hinein."

Abgesehen vom folgenden Buch, was kommt als Nächstes? Gehen Sie auf Lesereise?

Ob ich auf Lesereise gehe, weiß ich noch nicht. Vielleicht bespreche ich das auch noch mal mit meiner Lektorin.

Wie lautet Ihr Lebensmotto?

Ungefähr so: du hast nur dieses eine Leben. Mach' das Beste daraus und lebe nie einfach nur so in den Tag hinein. Steck' dir ein Ziel und lebe konseqent nach den Prinzipien, die du dir selbst nach deiner Überzeugung gestellt hast, damit du dich nicht vor dir selbst schämen musst und am Ende deines Lebens sagen kannst: ja, es war eigentlich okay und im Großen und Ganzen bereue ich nichts.

Wer sind Ihre literarischen Vorbilder?

Das ist schwer zu sagen. Ich lese sehr gern belletristische Romane, die nicht so sehr verschachtelt sind, dass man erst einmal sortieren muss, wann was wo passiert ist. Gut hat sich das Buch von Betty Mahmoody lesen lassen "Nicht ohne meine Tochter", aber das hat sie ja nicht wirklich allein geschrieben. Sehr gern lese ich auch John Grisham, aber er schreibt über ein ganz anderes Genre. Ein direktes literarisches Vorbild ist er mir auch nicht.

Welche sind Ihre fünf Lieblingsbücher?

Meine fünf Lieblingsbücher: Patrick Süßkind "Das Parfüm", Johannes Mario Simmel "Es muss nicht immer Kaviar sein", M. M. Kaye "Insel im Sturm", John le Carré "Die Libelle" und John Grisham "Die Begnadigung".

Gibt es noch etwas, das Sie gern mitteilen möchten; eine finale Weisheit?

Meine "finale Weisheit" wäre: immer neugierig bleiben, immer bereit, noch etwas dazu zu lernen, nie sagen. "Ich kann schon alles und weiß schon alles." Das ist schlicht überhebliches Getue.