Nehir Yilmaz

Schriftstellerin

von Portrait von Arzu A. Kayvani Arzu A. Kayvani
Veröffentlicht am 20. Dezember 2012

Nehir, erzähle uns ein wenig von Dir. Wo kommst Du her, wo lebst Du heute, was machst Du so?

Ich wurde 1973 in Istanbul geboren.Aufgrund des Berufes meines Vaters als Stabsoffizier beim türkischen Heer habe ich einige Jahre einer Kindheit  in Anatolien verbracht. Wenn man diese drei vier Jahre nicht mitzählt, lebe ich schon mein ganzes Leben lang hier in Istanbul. 1996 habe ich meinen Mann Tarkan kennen gelernt, 1998 haben wir geheiratet und im Jahre 2000 ist unsere Tochter Beril Delfin zur Welt gekommen. Meine allergrößte Leidenschaft ist das Schreiben. Das ist für mich der einzige Weg, mich auszudrücken und mich zu erleichtern. Ich kann gar nicht sagen, wann ich angefangen habe, zu schreiben. Seit ich denken kann, hantiere ich mit Blatt und Stift und schreibe auf, was ich gerne loswerden möchte, oder was ich mich nicht traue zu sagen. Mein erstes Buch "Katmunya" ist Anfang 2011 erschienen. Und vor einigen Wochen ist mein zweites Buch "Sozes Schrammen"  (Sozenin tirmiklari) erschienen. Ich empfinde Schreiben und schreiben zu können als das größte Geschenk, was einem das Universum machen kann.

"Seit ich denken kann, hantiere ich mit Blatt und Stift und schreibe"

Welches Deiner bisherigen schriftstellerischen Projekte ist Dir besonders schwergefallen und welches hat Dich besonders glücklich gemacht?

Schreiben fällt mir grundsätzlich nicht schwer. Denn was ich schreibe hat immer mit dem zu tun, was ich in diesem Moment fühle. Wann immer ich das Bedürfnis verspüre zu schreiben, kommen die Wörter von selbst, sie haben also ihre Zeit. Katmunya etwa ist eine Zusammenstellung all meiner Schriften seit meiner frühsten Jugend. Alles, was ich an das Leben, die Liebe, meine Familie und mich selbst geschrieben habe, hat seinen Platz in "Katmunya" gefunden und es erschaffen. Wohingegen "Sozes Schrammen" mein erstes Roman-Projekt ist. Ich muss sagen, dass für mich ein Roman im Gegensatz zu Gedichten oder Märchen eine aufregende und auch ganz andere Erfahrung war. Es ist wie das Öffnen von Türen, hinter denen sich Unbekanntes verbirgt; sehr schön, aber man muss auch viel vorsichtiger sein.

Du lebst in Istanbul. Was ist das Häßliche und das Schöne an dieser Stadt?

Istanbul ist eine sehr große Stadt. Es ist schwer, dort zu leben, sehr anstrengend, aber es macht auch süchtig. Genau wie alle anderen, die hier geboren und aufgewachsen sind, beschwere ich mich ständig, kann aber auch nicht einfach gehen und woanders leben. Hier ist das Leben immer voller Überraschungen. Obschon ich hier schon seit so vielen Jahren lebe, entdecke ich ständig etwas neues; neue Orte, die ich noch nie gesehen habe. Wo ein Teil von mir die Stadt liebt, will der andere Teil flüchten. Es ist wie eine schlechte Angewohnheit. 

Wo würdest Du einen Abend mit Freunden verbringen?

Istanbul ist in Sachen Natur, Kultur und nachleben eine sehr reiche Stadt. Es gibt eine tausende jahre alte Kultur und deren Architektur ist heute noch präsent. Trotz der massiven Urbanisierung der vergangenen Jahrzehnte ist diese Kultur und Geschichte immer noch erhalten. Egal wohin sie in Istanbul blicken, werden sie den Duft einer vergangenen Geschichte auffangen. Und neben all dem bietet auch das Nachtleben der Stadt einen unvergleichlichen Genuss. In vielen Teilen der Stadt ist es nachts sogar noch lebendiger, als am Tag. Ich bin heute nicht merh so oft unterwegs, wie in meiner Jugend. Es strengt mich heute an. Aber um Spaß zu haben, gehe ich am liebsten in Taksim, Kadiköy und Ortaköy aus.

"Wo ein Teil von mir die Stadt liebt, will der andere Teil flüchten. Es ist wie eine schlechte Angewohnheit"

Mit welchem Schriftsteller würdest Du Dich gerne einmal bei einem Glas Wein unterhalten?

Ich bin verrückt nach Shakespeare. Wenn ich seine Gedichte und Sonette lese, bin ich immer wieder begeistert. Leider bin ich für eine Unterhalung bei einem Glas Wein mit ihm zu spät dran...

Welches Buch hast  Du zuletzt gelesen?

Ich lese oft mehrere Bücher parallel. Zuletzt habe ich das Buch des Journalisten Tuncay Özkan "Zorbaligin Pencesi" und das meines lieben Freundes Kadir Aydemir, "Sonsuz Unutus" gelesen.

Was hat Dich zuletzt richtig aufgeregt?

Auch wenn ich mich jetzt nicht ganeu erinnern kann, dann war es bestimmt irgendwo draußen auf der Strasse. Hier in dieser überfüllten Stadt sind die Leute ständig ungeduldig und wütend. Da fällt es nicht schwer, sich aufzuregen...

Welchen Ort auf dieser Welt möchtest Du unbedingt sehen?

Es gibt so viele Orte, die ich so gerne noch sehen würde. Aber ich möchte auf jeden Fall jeden Winkel in Afrika bereisen, bevor ich sterbe.

Mit wem würdest Du gerne im Aufzug stecken bleiben?

Im Aufzug stecken zu bleiben würde mir bestimmt nicht so viel ausmachen, auch wenn ich mich in engen geschlossenen Räumen nicht besonders wohl fühle. Es wäre aber gut, jemanden bei sich zu haben, mit dem man reden kann. Meine Tochter wäre da zum Beispiel ein guter Gesprächspartner.

"Ich möchte  jeden Winkel in Afrika bereisen, bevor ich sterbe"

Was ist für die Zukunft geplant?

Ich mache mir nie zu konkrete Pläne für die Zukunft. In erster Linie bin ich Mutter und möchte meiner Tochter ein gutes Leben ermöglichen. Meine Pläne gelten dem. Und natürlich werde ich schreiben...aber das ist nichts...