Tom Gerhardt

Komiker, Schauspieler

von Portrait von Steffen Kutzner Steffen Kutzner
Veröffentlicht am 8. Februar 2013

Du bist schon seit 1988 auf den Bühnen von Deutschland unterwegs. Wie kamst Du zu Deiner Karriere als Comedian?

Wir haben schon als Studenten mal hier und dort kleinere Sachen gemacht. Eigentlich waren das so Chaos-Auftritte, in denen wir einfach, wild assoziiert‚ so 'ne Art Comedy-Stücke geschrieben haben. Da ging es nicht um großes Geld, da ging es nicht um große Säle, das war beides weder erreichbar, noch haben wir gedacht, dass es dadurch erreichbar werden würde, aber es hat Spaß gemacht und deswegen haben wir das dann ganz spontan weiterverfolgt. Ende '88 war es ein Auftritt bei Jürgen von der Lippe bei „So ist es“, der das dann beflügelt hat, grade mit einer Rolle, wo die Leute eben damals total drauf abgefahren sind.

Und das war schon damals die Figur des Tommie aus „Voll normaaal“?

Ja, das war damals die Tommie-Rolle, die eine völlig neue Art von Humor rüberbrachte. Es gab keinen anderen, der so was machte und es wurde über Nacht Kult. Ich bin mit der Figur dort aufgetreten und hab mir dabei gar nichts gedacht, aber als ich dann im normalerweise recht braven Siegen aufgetreten bin, wo ich im Jahr zuvor vor 35 Leute in so einem Kleinkunstkeller gespielt habe, warteten plötzlich 750 Leute auf mich, die bei dieser Nummer dann die Feuerzeuge anmachten, wie bei einer Ballade. Da merkte ich: Irgendwas ist passiert. Das hat einfach ins Schwarze getroffen, ohne dass ich jetzt wirklich bewusst gezielt hätte, aber so läuft’s ja meistens. Und ab dann war die Bühne einfach immer gefüllt, es kamen so viele Neugierige, die einfach wissen wollte, was ich da machte und ich hatte da zum Glück schon ein abendfüllendes Stück in der Hinterhand. Da war damals auch schon Hausmeister Krause dabei, der allerdings noch einen etwas anderen Charakter hatte.

Jetzt ist es 25 Jahre später. Hättest Du gedacht, dass Dir die „Tommie“-Rolle so lange „anhaften“ würde?

Ich bin das Chamäleon der Comedy-Szene.

Ich hab ja auch jede Menge verschiedene Rollen, also ich bin wirklich das Chamäleon der Comedy-Szene, könnte ich fast sagen. In meinem aktuellen Programm „Nackt und in Farbe“ habe ich elf verschiedene Charaktere und schlüpfe immer wieder in andere Rollen. Ich schreibe das alles selbst, zusammen mit Co-Autor Franz Krause. Wir hecken eben so Sachen aus, die mir ganz gut liegen, zumindest probieren wir es, und ich glaube, das macht für das Publikum auch den großen Reiz aus, dass die eben von allen Seiten angeschossen werden – das ist nicht eine Figur, auf die man sich einstellt und der man dann zwei Stunden lang zuhört. Das ist dann eben eine Figur, die kommt raus und befeuert die Leute und dann ist eben Kostümwechsel und ich komme dann als völlig andere Figur wieder - das geht dann ebend wild durcheinander. Im neuen Programm bin ich auch mal wieder selber die Schwester von Tommy, „dat Carmen“, die glaubt, nach all den Jahren ein Teil der Oberschicht geworden zu sein, nur weil sie sich einen reichen alten Sack angelacht hat und glaubt, sie ist vornehm, obwohl sie natürlich noch genauso asozial wie früher ist. Ich spiele auch das „beste Stück“ von Berlusconi in Übergröße und noch sieben andere Figuren aus dem prallen, bunten Leben. Acht von den elf Figuren sind ganz neu.

Hat es auch Dackel auf der Bühne gegeben?

Nein, das tue ich den Tieren nicht an. Aber die Rede ist natürlich nach wie vor gerne mal von ihnen.

Die Tour ist seit ein paar Wochen vorbei - was kommt jetzt? Gibt’s ein nächstes großes Projekt?

Wir basteln im Augenblick wieder an Drehbüchern. Es ist aber noch nicht spruchreif, wir wissen noch nicht, ob was draus wird. Wir stecken grade in der Phase, Dinge zu erfinden. Diese Phase ist eigentlich die Hauptbeschäftigung von uns – das Spielen fällt mir total leicht und macht natürlich auch Spaß, das Erfinden aber ist viel schwerer. Man sitzt dann da an einem warmen Sommertag, draußen laufen hübsche Mädchen in Sommerkleidern vorbei, man selbst schwitzt im Zimmer, die Luft ist heiß, der Rücken tut einem weh und man trommelt mit den Fingern auf dem Tisch und fragt sich: What’s next? Aber irgendwann mal, wenn man sich quält, kommt auch mal wieder eine neue Idee. Wir wollen auch gern für das Live-Programm noch neue Figuren erfinden. Man sucht natürlich immer nach der Knaller-Figur, bei der man sagt, mit der können wir die Leute nochmal richtig kriegen. Ich hab zum Glück die Chance, nicht auf eine Figur festgelegt zu sein: Ich muss mich nicht mein Leben lang auf der Figur Tommy oder auf dem Hausmeister ausruhen, sondern ich kann da auch mal wirklich hinterherjagen und eine neue, überzeugende Figur finden und das versuchen wir eben grade. Mal gelingt’s besser, mal gelingt’s schlechter, aber mit „Nackt und in Farbe“ waren die Leute sehr zufrieden. Mittelfristig strebe ich an, eine schöne Figur zu finden, oder eine, die ich schon habe, zu einer Serie auszubauen, so wie bei Hausmeister Krause. Das war ja auch erfolgreich - Sat.1 hat das zehn Jahre lang praktisch ständig wiederholt, obwohl wir pro Jahr nur eine Staffel gedreht haben. Hausmeister Krause kennt praktisch jeder und ist sehr beliebt, aber ich habe den Ehrgeiz nochmal eine neue Figur zu machen, eine, die nochmal alle überrascht. Irgendwann werde ich drauf kommen, ich weiß nur nicht, wann.

Hausmeister Krause kennt praktisch jeder und ist sehr beliebt, aber ich habe den Ehrgeiz nochmal eine neue Figur zu machen, eine, die nochmal alle überrascht. Irgendwann werde ich drauf kommen, ich weiß nur nicht, wann.

Ist es völlig ausgeschlossen, dass Du irgendwann eine ernste Rolle in einem Film spielst?

Ich würde das nicht rigoros von mir weisen. Wenn der Stoff wirklich gut ist, wenn das ein guter Produzent ist und ein guter Regisseur, würde ich jeder Zeit sagen: Warum nicht? Andererseits haben da die Filmemacher natürlich berechtigte Befürchtungen, dass, wenn dort jemand um die Ecke kommt, der die Assoziation „Hausmeister Krause“ auslöst, der dramatische Effekt verloren geht. Man stelle sich vor, umgekehrt: Ein großes amerikanisches Drama und dort erscheint nun Al Bundy – man weiß zwar, dass das dann nicht Al Bundy sein soll, aber so ganz wird man die Assoziation dann wahrscheinlich doch nicht los.

Stehst Du lieber auf der Bühne oder vor der Kamera?

Definitiv stehe ich am liebsten auf der Bühne, weil ich dort die Leute direkt vor mir hab‘. Das würde, glaube ich, fast jeder sagen, der diesen Job macht - es sei denn, das Publikum findet direkt alles Kacke, aber davon geh ich jetzt mal nicht aus. (lacht) Wenn Du den Applaus bekommst und merkst, dass die Leute wirklich auf das abfahren, was du machst und Spaß daran haben, bekommst du direkt die Belohnung. Die Sinnfrage stellt sich dann gar nicht mehr. Fernsehen und Kino hat das auch, aber eben zeitlich versetzt und auch distanzierter, weil es dann ja natürlich nur Berichte oder Kritiken sind. Die Reaktion kriegst du schon mit, aber es ist nicht so hautnah. Natürlich kannst du dich in einen Saal setzen und dir eine Vorstellung deines eigenen Films angucken, aber es ist dann doch etwas Anderes, als wenn du selber auf der Bühne stehst und das selbst machst – das ist die intensivste Form überhaupt und auch die, die am meisten Adrenalin mit sich bringt. Aber natürlich will ich Fernsehen und Kino nicht missen. Diese Medien haben mir Chancen gegeben, die die Bühne von Natur aus nicht bieten kann, wie große Ortswechsel oder einen großen Cast, der dir hilft.

Tom Gerhardt

Bist Du vor Auftritten noch aufgeregt?

Nein, nicht wirklich. Nun ja, vor Premieren natürlich schon: Da hat man bei einem Zweistundenprogramm so viel Text im Kopf, als hätte man einen kleinen Roman auswendig gelernt – mit jedem Satz, mit jeder Betonung und Pointierung, das ist schon eine gewaltige Konzentrationsleistung, die man da bringen muss. Irgendwann, wenn man das Programm dann wieder und wieder bringt, läuft das dann natürlich praktisch von selbst. Ich bin auch deshalb nicht nervös, weil ein Stück in allen Städten ähnlich aufgenommen wird. Die Leute werden immer ungefähr an den gleichen Stellen lachen. Ich weiß dann, dass das Stück funktioniert und habe nicht mehr die Angst, gleich im großen Stil zu versagen. Ein stiller Saal ist die größte Angst eines Komikers. Allerdings ist vor einer Premiere die Anspannung und Konzentration so groß, dass man kaum noch dazu kommt, Lampenfieber zu haben.

Du bist vor kurzem 55 geworden – wie war das vor 25 Jahren, merkt man irgendwo, das man älter wird?

Ja, klar merkt man das. Aber: Es sind eher gute 20 Jahre als 25. Ich hab' erst so Ende 89, 90 angefangen, wirklich zu touren. Von 1990 bis '95, '96 war ich praktisch durchweg auf Tour, in so ziemlich jeder Stadt Deutschlands – alles, was mehr als 30.000 Einwohner hatte - da war ich. Das brauchte man damals nicht mal zu plakatieren, das sprach sich so rum und die Leute wollten das sehen. Das war damals so, da war man neu, da war man frisch, da gab’s das noch nicht im Kino oder im Fernsehen zu sehen.

Hat man kurz nach der Wende im Osten über andere  Witze gelacht als im Westen?

(Lacht) Nein. Ich war erstaunt, dass 40 Jahre unter einem komplett anderen Gesellschaftssystem zu leben und die andere Lebenssituation da nicht wirklich viel bewirkt haben. Man kann nicht sagen, dass sich das unterschieden hätte. Nach 40 Jahren real existierenden Sozialismus sind die Leute genauso gekommen und hatten ihren Spaß, wie im Westen auch.

Du warst jetzt 10 Jahre weg von der Bühne. Haben die Leute Dich einfach so wieder angenommen, oder mussten die erst wieder angeworfen werden?

Mein kleiner Sohn verkleidet sich manchmal gerne – nicht, dass der am Ende noch Schauspieler wird, ich werde alles tun, um das zu verhindern!

Das lief eigentlich ganz gut. Abgesehen vom Rheinraum lief es besonders in Berlin gut, wo ich gar nicht damit gerechnet hätte.

Du bist ein Ur-Kölner?

Ja, meine Familie ist seit, keine Ahnung, vielen Generationen hier, Vater, Großvater, Urgroßvater auch. Mütterlicherseits aber kommt die Familie aus Essen.

Hast Du in Köln eine Lieblingsbar?

Klar! Ich wohne ja im belgischen Viertel - da bin ich oft im Al-Andalus, bei meinem Freund Antonio. Das ist ein kleines spanisches Restaurant, das ist mein erweitertes Wohnzimmer. Ich bin auch gern „Bei Lena“. Das ist eine alte Taxifahrerkneipe, die war früher am Mediapark, lange bevor es den überhaupt gab, und ist inzwischen am Hansaring. Und ich bin natürlich auch gern mal in Köln-Kalk.

…wo Du ja Ehrenbürger bist.

Genau, deswegen lass ich es mir nicht nehmen, da manchmal zu bummeln und mich auf einen Kaffee in die Arkaden zu setzen.

Letzte Frage: Worüber hast Du das letzte Mal herzlich gelacht?

Über meinen kleinen Sohn, der ist drei Jahre alt und wartet immer auf mit skurrilen Nummern. Der verkleidet sich manchmal gerne – nicht, dass der am Ende noch Schauspieler wird, ich werde alles tun, um das zu verhindern! Der soll einen vernünftigen Beruf lernen (lacht). Das letzte Mal kam er an, hatte die Schuhe seiner Mutter an, eine Baseballkappe und 'ne Sonnenbrille auf, war aber sonst nackt. Da fand er sich offensichtlich sehr schön. (lacht) Und sonst...(überlegt) Ah, ja: Ich habe vor einer Weile „Wer’s glaubt wird selig“ gesehen, vom Rosenmüller. Das spielt natürlich wieder in der Provinz, in den Alpen, da planen so ein paar Dorfbewohner einen Coup, der aber schief geht. Das hat mich an Hausmeister Krause erinnert und das Chaos, das der ja auch gerne angerichtet hat. Es hatte aber gleichzeitig so was von Don Camillo und Peppone. Das war wirklich lustig.